Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Rassismus? Doch nicht beim DFB
Verband bedauert Özils Rückzug, weist Vorwürfe aber zurück– Grindel im Fokus – Hoeneß keift
FRANKFURT (SID/dpa) - Kontrollierte Offensive statt wilder Konter: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat recht besonnen auf den Rundumschlag des zurückgetretenen Nationalspielers Mesut Özil reagiert und nach den Rassismusvorwürfen gegen Präsident Reinhard Grindel kein zusätzliches Öl ins Feuer gegossen. Die schweren Anschuldigungen Özils wies der DFB in einer ansonsten eher an der Oberfläche kratzenden Mitteilung vehement zurück. Aus blieb jedoch eine persönliche Erklärung des unter Druck stehenden und von Özil massiv attackierten Präsidenten Reinhard Grindel. Der Verband bedauerte zudem ausdrücklich den Rücktritt des Spielmachers nach der Erdogan-Affäre und den später folgenden auch rassistisch motivierten Reaktionen gegen Özil aus der Nationalmannschaft.
„Dass der DFB mit Rassismus in Verbindung gebracht wird, weisen wir in aller Deutlichkeit zurück“, heißt es in der Erklärung (siehe Kasten, d. Red.). Zuvor hatte sich das Präsidium mit dem im Urlaub befindlichen Grindel in einer mehrstündigen Telefonkonferenz beraten.
Özil hatte den DFB mit seinem Rücktritt nach 92 Spielen in Erklärungsnot gebracht. Besonders Grindel war von ihm in einer emotionalen Abrechnungs-Trilogie massiv angegriffen worden. „Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen“, hatte Özil mitgeteilt und dem DFB-Präsidenten offen Rassismus vorgeworfen.
„Hat seit Jahren Dreck gespielt“
DFL-Präsident Reinhard Rauball, Mitglied des DFB-Präsidiums, antwortete: „Es ist in keiner Weise hinnehmbar, wenn der DFB und seine Spitze pauschal in Zusammenhang mit Rassismus gerückt werden. Diese Unterstellungen gilt es mit aller Ein Bild für die Geschichtsbücher – Mesut Özil am Ball für den DFB.
Entschiedenheit zurückzuweisen.“Rauball sprach von einer „Abrechnung“Özils, die „über jedes nachvollziehbare Maß“hinaus schieße und „keinerlei Selbstkritik“erkennen lasse. DFB-Vize Rainer Koch meinte, er akzeptiere „keine Rassismusvorwürfe gegen die DFB-Spitze“.
Weder Rauball und Koch, noch der DFB ließen aber an Özils sportlichen Verdiensten einen Zweifel – im Gegensatz zu Bayern-Präsident
Uli Hoeneß, der unmittelbar vor dem Abflug der Münchner zu ihrer USA-Marketingreise nicht über die von Özil angestoßene Integrationsund Rassismusdebatte sprechen wollte. Sondern Özil, zu einem Zeitpunkt, zu dem es nicht um die Leistungen des Spielmachers geht, sondern um Politik, vordergründig sportlich kritisierte. „Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mist-Leistung hinter diesem Foto. Sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren“, sagte Hoeneß.
Özil selbst verfolgte die Reaktionen aus Singapur, wo er mit seinem Club FC Arsenal weilt. Auf jedem veröffentlichten Foto: Ein Lächeln. Auf weitere Äußerungen verzichtete er. Özils Berater Erkut Sögüt unterstellte Hoeneß via „goal.com“ein Ablenkungsmanöver „vom eigentlichen Thema, dem Rassismus und der Diskriminierung“. Durch seine „dummen Aussagen“sei der Weltmeister von 1974 „nicht nur eine Schande für sich selbst, sondern für Bayern München und die Leute in Deutschland“.
Zwanziger sieht „schweren Rückschlag“
Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger bezeichnete Özils Rücktritt als „schweren Rückschlag“. Özil „war ein großes Vorbild für die jungen Fußballer mit türkischem Migrationshintergrund“, ergänzte er: „Das Ergebnis ist auch für unser Land nicht gut.“
Der Zentralrat der Muslime verteidigte den in Gelsenkirchen geborenen Özil. „Was da jetzt an Respektlosigkeit, Vorurteilen und auch an Rassismus über ihn (…) sich ergoss, das ist beispiellos und furchterregend“, sagte der Ratsvorsitzende Aiman Mazyek. Es werde immer nur Özil kritisiert, während der DFB außen vor gelassen werde. „Ich denke, das kann man nicht machen.“
Der DFB räumte nach seiner Präsidiumssitzung immerhin ein unglückliches Verhalten in der Erdogan-Affäre ein. Auch bedauerte er, „dass Mesut Özil das Gefühl hatte, als Ziel rassistischer Parolen gegen seine Person nicht ausreichend geschützt worden zu sein“.