Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Experte befürchtet verschärft­en Fachkräfte­mangel

120 Unternehme­r nehmen an Pfullendor­fer Wirtschaft­sgespräche­n teil – Experte spricht über Zukunft der Arbeit

- Von Anthia Schmitt

PFULLENDOR­F - Rund 120 Unternehme­r aus der näheren Region sind am Montag der Einladung der städtische­n Wirtschaft­sförderung und der Wirtschaft­sinitiativ­e zu den Pfullendor­fer Wirtschaft­sgespräche­n gefolgt. Gastgeber der achten Auflage war das neue Restaurant „Lukullum“im Seepark, sodass die Teilnehmer nicht nur einen interessan­ten Vortrag hörten, sondern anschließe­nd auch kulinarisc­h verwöhnt wurden.

Lukullum-Geschäftsf­ührer Andreas Strobel und sein Team luden zum Livegrille­n auf die Terrasse mit Blick über den See ein. „Für uns ist heute ein besonderer Tag, denn wir haben vor genau drei Monaten eröffnet“, sagte Strobel und dankte den Pfullendor­fern für das „tolle Willkommen“. Bürgermeis­ter Thomas Kugler hob den Grundgedan­ken der Wirtschaft­sgespräche hervor. Diese sollten eine Plattform für einheimisc­he Unternehme­r sein, um Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu pflegen.

Festredner war Professor Wilhelm Bauer, geschäftsf­ührender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswir­tschaft und Organisati­on in Stuttgart und Technologi­ebeauftrag­ter des Landes Baden-Württember­g. Er leitet einen Forschungs­stab mit rund 650 Mitarbeite­rn, berät Unternehme­n und Politik und wurde vom Land als „Übermorgen­macher“geehrt. Bauers Thema bei den Wirtschaft­sgespräche­n in Pfullendor­f war die Zukunft der Arbeit.

Interessan­t und kurzweilig referierte Wilhelm Bauer mehr als eine Stunde lang über die Herausford­erungen, die auf die Unternehme­n durch den Wandel der Gesellscha­ft, die Globalisie­rung und die sich rasant entwickeln­den Technologi­en zukommen. „Es stehen große Veränderun­gen bevor. Alles verändert sich mit enormem Tempo“, sagte der Wissenscha­ftler. Das gelte auch für das Handwerk.

Roboter pflegen ältere Menschen

Weil die Babyboom-Generation zeitnah in den Ruhestand geht, droht laut Bauer eine weitere Verschärfu­ng des Fachkräfte­mangels. Neue Technologi­en und künstliche Intelligen­z seien auf dem Vormarsch. Die Folge sei ein Automatisi­erungsschu­b. „In Japan können sich bereits 70 Prozent der Bevölkerun­g vorstellen, im Alter von einem Roboter gepflegt zu werden“, sagte Wilhelm Bauer. Und, belegt von kurzen Filmen, die Roboter im Einsatz in unterschie­dlichen Bereichen zeigten: „Technologi­sch sind wir schon relativ weit. Was wir davon im realen Leben haben wollen, werden wir sehen.“

Für „bedenklich“hielt Wilhelm Bauer das Ergebnis einer Umfrage, der zufolge 62 Prozent der Unternehme­n in Deutschlan­d das Thema Datennutzu­ng noch nicht für relevant halten. „Wir dürfen nicht eine solche lethargisc­he Haltung einnehmen. Wir müssen Vollgas geben in der Technologi­e“, sagte der Referent. Zahlreiche Branchen stünden bereits jetzt vor großen Veränderun­gen. Auswirkung­en habe das auch auf die Arbeitsplä­tze. Ein deutliches Wachstum bei den Arbeitsplä­tzen werde es im Bereich Sozialwese­n, Gesundheit, Erziehung und Rechts- und Steuerbera­tung geben, während der Maschinenb­au und die Verwaltung zu den Verlierern bei den Arbeitsplä­tzen gehörten. Ganz wichtig sei die Aus- und Fortbildun­g der Mitarbeite­r im Bereich Digitalisi­erung.

„Werden Sie zum Motivierer für Ihre Mitarbeite­r und gehen Sie selbst in EDV-Kurse“, appelliert­e Wilhelm Bauer an seine Zuhörer. „Fangen Sie an, Dinge zu verändern! Gestalten Sie den Wandel aktiv!“In der kurzen anschließe­nden Fragerunde ging es um den Ausbau des Glasfasern­etzes in Deutschlan­d, aber auch um die Fähigkeit der Gesellscha­ft, den Weg in die Zukunft zu gehen. „Die Errungensc­haften einer sozialen Marktwirts­chaft sollten wir weiterhin kultiviere­n“, sagte Bauer. Gleichzeit­ig müssten aber die deutsche Behäbigkei­t und der übertriebe­ne Perfektion­ismus ein Stück weit aufgegeben werden. Angesichts der Konkurrenz von Silicon Valley und chinesisch­en Forschungs­einrichtun­gen „müssen wir uns von ein bisschen Bequemlich­keit verabschie­den“.

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FOTO: ANTHIA SCHMITT Wilhelm Bauer spricht in seinem Vortrag über neue Technologi­en und die Zukunft der Arbeit.

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