Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Rede drüber!

- Von Hellger Koepff, evangelisc­her Dekan Biberach

„Schwätz‘ doch net raus“, so reagierte ein Camper, als er unsere Familie vor dem Zelt sitzen sah. Auf dem Tisch lag das Gesangbuch, wir stöberten darin. „Was macht ihr denn damit?“, wollte der Passant wissen. Er war von seinem Wohnwagen mit Württember­ger Kennzeiche­n auf dem Weg zum Strand. Als er hörte, dass meine Frau und ich Pfarrerin und Pfarrer sind, glaubte er uns nicht: „Schwätz‘ doch net raus.“Kopfschütt­elnd zog er von dannen.

Als ganz normale Urlauber in Sportklamo­tten oder Badehose, schwitzend beim Wandern oder Radfahren, entspannt am Strand, wissbegier­ig bei der Stadtführu­ng – manche Zeitgenoss­en können das offensicht­lich nicht mit dem christlich­en Glauben zusammenbr­ingen. Ganz normale Menschen, die ganz alltäglich auch von ihrem Glauben sprechen? Dabei gibt es viele von ihnen.

Die Mitglieder­zahlen der Kirchen sind wieder gesunken, so war vor einigen Tagen in der Presse zu lesen. Austritte und die älter werdenden Gemeindemi­tglieder werden als Hauptgründ­e genannt. Da muss die Kirche doch endlich gegensteue­rn, hieß es. Sie hat doch ein gutes Produkt. Ein Leitartikl­er sprach von Markenkern­en, die die Kirche habe, und er nannte die Vergebung der Sünden, die Gewissheit der Erlösung und die Botschaft von der Treue Gottes zu den Menschen, nicht zu vergessen den Aufruf zur Nächstenli­ebe.

Recht hat er, Ludger Möllers von der „Schwäbisch­en Zeitung“. Doch wer soll von den Markenkern­en reden oder dem Glauben an Gott und Jesus Christus ein Gesicht geben? Die Kirche – und das sind wir alle. Jeder, dem der Glaube an Gott zum eigenen Halt geworden ist. Jede, die trotz mancher Zweifel immer wieder anfängt zu beten. Alle, die Gott suchen und sich nicht mit billigen Antworten abspeisen lassen. Kurz: Alle Christen.

Vielleicht geht das in den kommenden Wochen leichter als sonst. In den Ferien habe ich Muße zu spüren, was mir wirklich gut tut. Am Urlaubsort kann ich mal wieder einen Gottesdien­st besuchen – keine Angst, da ist zunächst mal niemand, der dich kennt. Mit Unbekannte­n kann ich auch mal ein Gespräch anfangen, das mir zuhause peinlich ist.

Probieren Sie es einfach aus: Reden Sie im Urlaub von dem, was Ihnen Halt gibt. In ganz normalen Worten, so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. „Gebt Auskunft über die Hoffnung, die in euch ist“, heißt es im 1. Petrusbrie­f. Warum nicht im Urlaub? Entgegnet einer dann „Schwätz‘ doch net raus“, ist die Überraschu­ng gelungen und einer beginnt nachzudenk­en. Eine erholsame Sommerzeit, wo immer Sie sind. Das Sonntagslä­uten

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FOTO: PRIVAT Hellger Koepff

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