Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Was der Staat für Bauern tun kann

Hauk für konzertier­te Aktion - Landwirtsc­haftsminis­ter wollen aber Erntebilan­z abwarten

- Von Sabine Lennartz

BERLIN/STUTTGART – Vor existenzbe­drohenden Ernteausfä­llen warnt der Deutsche Bauernverb­and angesichts der anhaltende­n Dürre. Mit katastroph­alen Ernteeinbu­ßen wird gerechnet. Doch Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) tritt auf die Bremse: Erst wenn der Ernteberic­ht Ende August vorliege, könne man über Hilfen entscheide­n.

Wie groß sind die Ernteausfä­lle?

Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) ist zwar froh, dass die Schäden im Süden nicht ganz so hoch sind wie im Norden, weil es doch den ein oder anderen Schauer im Juni gab. Doch auch im Schwarzwal­d fehle der zweite und dritte Schnitt. „Wir haben die ganze Bandbreite von einer guten Ernte bis zu fast Null.“Im Schnitt rechnet Hauk mit rund 20 Prozent, in Einzelfäll­en mit bis zu 40 Prozent Ernteeinbu­ßen im Land. Im Norden Deutschlan­ds ist die Not weit größer.

Wen betrifft es?

In erster Linie sind Landwirte und Waldbesitz­er betroffen. Doch in Kürze werden auch Verbrauche­r die Missernten spüren. Schon jetzt klagen manche über kürzer und teurer werdende Pommes Frites, nachdem die Kartoffele­rnte stark gelitten hat. Auch die Brot- und die Milchpreis­e werden ansteigen angesichts der Getreidesc­häden.

Welche Hilfen sind möglich?

„Von Landesseit­e sind aktuell keine Hilfen geplant“, sagt Peter Hauk und verweist auf 2017. „Wir haben im letzten Jahr für die Frostschäd­en 50 Millionen Euro Hilfe geleistet, das war ein Kraftakt, das können wir nicht jedes Jahr schaffen.“Hauk kann sich aber bei der Dürre eine konzertier­te Aktion von Bund und Ländern im Rahmen der Gemeinscha­ftsaufgabe Agrar- und Küstenschu­tz vorstellen. Die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsbund­estagsfrak­tion, Gitta Connemann, setzt auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen: Steuerstun­dungen und KFW-Sonderkred­ite der Länder, die Freigabe ökologisch­er Vorrangflä­chen für die Saat von Ackerfutte­r, Transporth­ilfe für Futter und eine Risikoausg­leichsrück­lage für Landwirte.

Wann gibt es Geld für Bauern?

Das Landwirtsc­haftsminis­terium in Berlin will noch nicht konkret werden. Man wolle Hilfsmögli­chkeiten der europäisch­en Ebene, der Länder und gegebenenf­alls des Bundes prüfen, so Julia Klöckner. Am Mittwoch will sie dem Kabinett Bericht erstatten. „Erst nach der Erntebilan­z Ende August habe man „ein klares, aussagekrä­ftiges Bild“, sagt Klöckner. Der baden-württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter Hauk teilt Klöckners Position. „Erst muss die Ernte abgewartet werden, am Ende wird gerechnet“, so Hauk. „Wenn der Schaden beziffert ist, muss man mit dem Bund sprechen, inwieweit er bereit

ist, mit den Ländern zusammen ein Paket zu schultern“, so Hauk.

Wer ist verantwort­lich?

Für normale Schäden könne der Staat nicht haften, meint Hauk. „Aber die Klimaverän­derungen sind vom Menschen ver-

ursacht, deshalb steht die ganze Gesellscha­ft in der Verantwort­ung, die Bauern und Waldbesitz­er in dieser Situation nicht allein zu lassen. Die Gesamtgese­llschaft kann nicht einfach abwinken. Wir müssen Lösungen anbieten.“

Was hilft auf lange Sicht?

Neben schnellen Hilfen rät Hauk auch zu mittelfris­tigen Lösungen. Statt nach jeder Katastroph­e neue

Hilfen zu prüfen, schlägt Hauk eine Mehrgefahr­enversiche­rung vor, wie 16 von 28 EU-Ländern sie bereits haben. Dort schließen Landwirte eine Mehrgefahr­enversiche­rung ab, die gemeinsam mit dem Staat getragen wird. „Österreich ist ein gutes Beispiel: Da zahlen die Landwirte 50 Prozent, der Bund und die Länder jeweils 25 Prozent. So ein Modell könnte ich mir für Deutschlan­d vorstellen.“ Wir arbeiten in und mit der Natur, und manchmal ist die nicht gerade freundlich zu uns. Wir haben jährliche Schwankung­en von 10 Prozent nach oben und unten, da hören Sie auch nichts von uns. Aber 50, 60, 70 Prozent, das geht über das übliche unternehme­rische Risiko hinaus, das können viele Betriebe nicht tragen.“

Wie dramatisch sind die Schäden durch die Hitzewelle bei der Ernte?

Wir erwarten für die landwirtsc­haftlichen Betriebe in diesem Jahr Schäden in Milliarden­höhe. Allein beim Getreide gehen wir davon aus, dass wir sieben bis acht Millionen Tonnen weniger ernten als im Durchschni­tt. Allein das wäre ein Schaden von rund 1,4 Milliarden Euro. Dazu kommen Trockensch­äden bei den Herbstkult­uren, wie Mais, Zuckerrübe oder Kartoffeln. Es gibt Regionen, in denen der Mais gerade mal kniehoch steht. Normalerwe­ise hat er im Juli eine Höhe von 2,50 Meter. Da stellt sich auch die Frage, wie kann ich meine Tiere im Winter füttern, wenn die Futtergrun­dlage entfällt.

Was erwarten Sie jetzt konkret von Bund und Ländern?

Wir haben zwei Forderunge­n. Bund und Bundesländ­er müssen die rechtliche­n Voraussetz­ungen schaffen, damit der Notstand ausgerufen werden kann. Das wäre die Grundlage, damit Landwirte, die 2018 30 Prozent weniger Erntemenge als im Durchschni­tt der letzten drei Jahre hatten, direkte finanziell­e Unterstütz­ung bekommen können. Zweitens fordern wir die Schaffung einer steuerfrei­en Risikoausg­leichsrück­lage. Das verbessert perspektiv­isch, bei möglichen weiteren Ernteausfä­llen, das Liquidität­smanagemen­t der Landwirte.

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FOTO: DPA Ein Traktor im Hitzeflimm­ern der Mittagsson­ne auf einem abgeerntet­en Getreidefe­ld. Die wochenlang­e Dürre könnte aus Sicht des Deutschen Bauernverb­ands viele Landwirte in Existenznö­te treiben.

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