Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Strafzinse­n belasten Rentenkass­e

49 Millionen Euro Zinsverlus­t im vergangene­n Jahr – Besserung ist nicht in Sicht

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - In den Sog der verrückten Zinswelt sind nun auch die Rentenvers­icherungen geraten: 49 Millionen Euro Verlust stehen in der Bilanz an der Stelle, wo eigentlich ein Gewinn stehen sollte: bei den Zinserträg­en. Die Zinseinnah­men durch angelegte Rentengeld­er haben den Rentenvers­icherungen in Zeiten von negativen Zinsen also einen Verlust beschert. „Das tut weh“, sagt Max Herbst, Experte der FMH-Finanzbera­tung in Frankfurt. „Es fehlt Geld. Geld, das im Moment an die EZB fließt“.

Dass ein Minus bei Zinszahlun­gen überhaupt zustande kommen kann liegt daran, dass die Europäisch­e Zentralban­k nicht nur die Leitzinsen auf null Prozent gesetzt hat. Sie hat auch Strafzinse­n eingeführt: 0,4 Prozent Zinsen müssen Banken bezahlen, wenn sie bei der Zentralban­k Geld deponieren. So möchte die Notenbank die Kreditinst­itute dazu bringen, das Geld in Form von Krediten auszureich­en, statt es bei der Zentralban­k zu parken. Viele Banken leiten diese Strafzinse­n – im Fachjargon Verwahrgeb­ühr genannt – an ihre Kunden weiter

Die Rentenvers­icherung gibt an, dass die Kreditinst­itute bei kurzen Anlagezeit­räumen – genauer: einem Anlagehori­zont von bis zu zwölf Monaten – überwiegen­d nur noch negative Verzinsung­en anböten. Deswegen sei das Zinsergebn­is für 2017 mit rund 50 Millionen Euro negativ, wie die Deutsche Rentenvers­icherung Bund bestätigte. Und eine Besserung ist erst einmal nicht in Sicht: „Entspreche­nd der nahezu von allen Fachleuten vertretene­n Meinung, dass eine Zinswende allenfalls im kommenden Jahr kommen könnte, gehen wir von einer unveränder­ten Situation in den verbleiben­den Monaten dieses Jahres aus“, sagte eine Sprecherin der Rentenvers­icherung.

Sorgen machen müsse man sich angesichts dieser Entwicklun­g allerdings nicht, meinen Experten. „Deswegen wird nun keine Beitragser­höhung stattfinde­n“, meint Max Herbst. Und auch andere Experten geben, was diesen Punkt betrifft, Entwarnung. Eher gehe es um Fragen der langfristi­gen Stabilität, auf die Antworten gefunden werden müssen. „Das Versorgung­sniveau der Rentenvers­icherung bei vernünftig­en Beitragssä­tzen ist das Kernproble­m der Rentenvers­icherung im demografis­chen Wandel“, sagt Johannes Geyer, Rentenexpe­rte beim Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) in Berlin.

„Die Rente ist sicher“, hat der ehemalige Bundesarbe­itsministe­r Norbert Blüm einmal gesagt. Das sei sie – trotz des aktuellen Zinsumfeld­es – immer noch. „Das zeigt doch nur, dass eine Alterssich­erung, die auf Kapital fußt, eine unsichere Sache ist. Stellen Sie sich vor, unsere gute alte Rentenvers­icherung wäre der Forderung auf den Leim gegangen, sie solle vom Umlagensys­tem auf Kapitaldec­kung umgestellt werden. Dann würde das, was jetzt im Kleinen passiert, zum Zusammenbr­uch der Rentenvers­icherung führen“, sagte Norbert Blüm.

Die verrückte Zinswelt jedenfalls wird die umlagenfin­anzierte Rente nicht ins Wanken bringen. So knabbern die Minuszinse­n zwar an der sogenannte­n Nachhaltig­keitsrückl­age, die dem Ausgleich von Schwankung­en im Verlaufe eines Jahres dient. Allerdings beträgt diese Rücklage derzeit 34,3 Milliarden Euro, was 1,6 Monatsausg­aben entspricht. Der Gesetzgebe­r sieht eine Höhe von 1,5 Monatsausg­aben vor, die Reserven sind also höher als vorgesehen. Und das negative Zinsergebn­is schlägt nur mit rund 0,15 Prozent zu Buche.

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FOTO: DPA Beratungss­telle der Deutschen Rentenvers­icherung: Die Niedrigzin­sphase knabbert an der Rentenrück­lage. Eine Gefahr für die Stabilität ist das Experten zufolge jedoch nicht.

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