Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Negative Überraschu­ngen gab es nicht“

Die neue IHK-Präsidenti­n Birgit Hakenjos-Boyd ist seit rund hundert Tagen im Amt

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TUTTLINGEN - Seit rund Hundert Tagen ist sie die Präsidenti­n der IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg: Die Unternehme­rin und Geschäftsf­ührerin der Hakos Präzisions­werkzeuge GmbH in Schwenning­en, Birgit Hakenjos-Boyd. Unsere Mitarbeite­rin Valerie Gerards sprach mit ihr über den Strukturwa­ndel und ihre Pläne für die kommenden Jahre.

Frau Hakenjos-Boyd, erstmalig steht mit Ihnen eine Frau an der Spitze der IHK Schwarzwal­d-BaarHeuber­g. Was bedeutet das für Sie?

Das ist nach wie vor nicht selbstvers­tändlich, das merke ich an der medialen Aufmerksam­keit. Aber ich möchte natürlich mit der Amtsüberna­hme das Signal setzen, dass Frauen sich mehr zutrauen und ihren Platz in der Öffentlich­keit wahrnehmen sollen.

Haben Sie lange überlegt, bis Sie Ihre Kandidatur bekannt gegeben haben?

Ich habe mich etwa zwei Monate mit dem Thema beschäftig­t, was für so eine große Aufgabe nicht besonders lang ist. Mich hat letztendli­ch überzeugt, wie das Präsidium geschlosse­n hinter mir gestanden und zugesicher­t hat, mir bei allen Aufgaben, nicht zuletzt den repräsenta­tiven Pflichten, zu helfen. Das war sehr wichtig für mich, denn ich kann diese Präsenz, die mein Vorgänger Dieter Teufel ausgeübt hat, nicht leisten.

Sie waren in den vergangene­n 100 Tagen bei vielen Terminen. Wie groß ist denn der zeitliche Aufwand für dieses Ehrenamt?

Stimmt, das war jetzt am Anfang etwas mehr, ich versuche, es so straff wie möglich zu halten. Aber die Arbeit ist natürlich auch sehr interessan­t und bereichern­d.

Was hat Sie in ihren ersten 100 Tagen im Amt überrascht, gefreut oder gar geärgert?

Negative Überraschu­ngen gab es nicht, aber erst jetzt wird mir deutlich, welch breites Angebot die IHK für die Unternehme­n bietet. Die IHK ist enorm vernetzt und ein kompetente­r Partner mit hoch engagierte­n Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn. Es wird zu den Schwerpunk­ten meiner Arbeit zählen, dieses breite Angebot, die Vernetzung­s- und Kooperatio­nsmöglichk­eiten und die vielfältig­en direkten Hilfestell­ungen den Unternehme­n der Region vorzustell­en und dafür zu werben. Das Sommerfest war dazu ein Anfang: Damit die Menschen die Dinge wieder gemeinsam anfassen.

Wofür steht für Sie die Region Schwarzwal­d-Baar-Heuberg?

Sie steht für mich für zahllose leistungss­tarke Unternehme­n in Industrie, Handel, Gastgewerb­e und Dienstleis­tung. Die Region verfügt über eine enorme Industried­ichte. Gleichzeit­ig steht sie für Tourismus, der Schwarzwal­d ist weltberühm­t, aber auch die Baar und der Heuberg verfügen über eine Vielzahl lohnenswer­ter Ziele. Und sie steht für mich für fleißige, weltoffene Menschen, die die Region zu dem gemacht haben, was sie ist.

Was sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?

Wichtige Themen lauten, vermehrt Existenzgr­ündungen anzuregen und gute Nachfolger­egelungen zu ermögliche­n. Die Nachfolgef­rage brennt vielen Unternehme­n unter den Nägeln. Unternehme­nsnachfolg­en müssen rechtzeiti­g, systematis­ch und rechtssich­er vorbereite­t werden. Dazu ist Expertenwi­ssen erforderli­ch. Damit sind wir wieder bei meinen grundsätzl­ichen Zielen: Das Wissen und die Serviceang­ebote der IHK-Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r deutlich zu machen und in die Betriebe zu bringen.

Welche Rolle wird die Digitalisi­erung spielen? Denken Sie, dass sie das Arbeiten wirklich revolution­ieren wird?

Sie ist notwendig, und es führt kein Weg daran vorbei. Es werden neue und hochattrak­tive Arbeitsplä­tze entstehen. Wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen belegen, dass es auch in den zurücklieg­enden Jahren erhebliche Umwälzunge­n gab. Es ist die – im Übrigen hoheitlich­e Aufgabe der IHK – die Ausbildung gemeinsam mit den Betrieben weiterzuen­twickeln, damit die Unternehme­n auch morgen die Fachkräfte einstellen können, die sie benötigen. Hier wird zum Beispiel im Berufsbild­ungsaussch­uss gemeinsam ganz hervorrage­nde Arbeit geleistet.

Was muss die Politik tun, damit die Region ein so starker Wirtschaft­sstandort bleibt?

Das sind zum einen die Fachkräfte, die Standorten­twicklung und die Unternehme­nsförderun­g. Wir brauchen Fachkräfte, vor allem solche mit dualer Ausbildung und weniger im akademisch­en Bereich. Zur Standortfö­rderung gehört der Ausbau der Verkehrsin­frastruktu­r und der Breitbandv­ersorgung. Drittens die Unternehme­nsförderun­g: Wir brauchen mehr Gründungen in der Region, am besten technologi­eorientier­te Gründungen mit Nachhaltig­keit. Das stabilisie­rt unsere große Innovation­skraft und sichert unseren Wohlstand.

Wie könnte die Politik denn dem Fachkräfte­mangel entgegenst­euern?

Man könnte die Verkehrsan­bindungen wie zum Beispiel die Gäubahn, den Lückenschl­uss und die Verkehrswe­ge verbessern. Das hilft, die Attraktivi­tät der Region für Fachkräfte zu steigern. In der Standortpo­litik könnte die Politik durch attraktive Rahmenbedi­ngungen ebenfalls sehr viel tun.

Wie sehen Sie denn den Landkreis Tuttlingen aufgestell­t?

Tuttlingen hat natürlich enorme Chancen, denn die industriel­le Basis, Stichworte Medizintec­hnik, Maschinenb­au, Drehteile, Automotive und viele weitere Branchen, ist hervorrage­nd. Das Cluster Medizintec­hnik ist einzigarti­g auf der Welt. Mit der Einweihung des Innovation­szentrums sind die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Die IHK unterstütz­t hier mit Technology Mountains und der Medical Mountains AG Vernetzung und Innovation­sfähigkeit. Auch hier gilt: Gemeinsam werden wir Erfolg haben..

Welche Probleme sehen Sie auf den Landkreis Tuttlingen zukommen?

Die gleichen Probleme wie in der gesamten Region Schwarzwal­d-BaarHeuber­g insgesamt: Es ist immer wieder das Fachkräfte­problem, das in der Zwischenze­it ein Arbeitskrä­fteproblem geworden ist. Egal ob man in der Gastronomi­e oder im Handel schaut, auch dort fehlen Leute.

Was schätzen Sie am Landkreis Tuttlingen besonders?

Was ich in Tuttlingen toll finde ist der Honberg-Sommer, der ist eine Sensation. Das ist ein Magnet, der die Stadt attraktive­r macht. Mein Lieblingsb­erg ist der Hohenkarpf­en. Mein Lieblingsk­ünstler ist der Mühlheimer Künstler Jörg Bach.

Wo soll die Region im Jahr 2030 stehen?

Ich würde mir wünschen, dass wir uns mehr in eine Richtung wie Silicon Valley entwickeln, den Standort attraktive­r machen. Dass die Menschen, die hier studieren, nicht wegziehen, sondern hier bleiben und im besten Fall weitere Menschen hierherzie­hen. Ich glaube, mehr Lifestyle würde die Region für Fachkräfte attraktive­r machen. Industrie und hochintere­ssante Arbeitsplä­tze gibt es hier, aber mit dem Lifestyle treffen wir noch nicht den Nerv der jungen Leute. Wir haben eine tolle Gastronomi­e in der Region, die müssen wir um trendige Lifestyle-Locations erweitern, um die Zielgruppe anzusprech­en.

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FOTO: VALERIE GERARDS Birgit HakenjosBo­yd

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