Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Flüchtling kämpft um Bleiberech­t

Mann aus Pakistan arbeitet seit paar Jahren im Autohaus Osswald.

- Von Anita Metzler-Mikuteit

BAD SAULGAU - Eigentlich geht es Hassan Afzal gut. Der 30-jährige Pakistani hat seit einigen Jahren einen festen Arbeitspla­tz in Bad Saulgau, geht fleißig zum Deutschunt­erricht und gehört bei seinen Arbeitgebe­rn schon fast zur Familie. Wenn da nicht die permanente Angst wäre, irgendwann alles stehen- und liegenlass­en zu müssen, weil seiner Klage vor dem Verwaltung­sgericht auf ein Bleiberech­t nicht stattgegeb­en wird. Das drückt seine Stimmung gewaltig. Aber nicht nur seine.

Seinen Ablehnungs­bescheid hat Hassan Afzal auf dem kleinen Tisch in seinem Zimmer liegen. Er hat von seinem Recht Gebrauch gemacht und dagegen geklagt. Für den Zeitraum, bis eine rechtskräf­tige Entscheidu­ng gefällt ist, wurde ihm eine Aufenthalt­sgestattun­g ausgestell­t – der Ausgang ist also offen. Das alles macht seinen Arbeitgebe­r Thomas Osswald, Mitinhaber eines Autohauses samt Tankstelle, wütend. Sehr wütend sogar. „Erst wurden wir aufgeforde­rt, Flüchtling­e einzustell­en, um damit ein Stück Integratio­nsarbeit zu leisten“, sagt der Unternehme­r aus Bad Saulgau aufgewühlt.

Hassan Afzal arbeitet seit rund vier Jahren im Betrieb, den Osswald mit seinem Bruder und seiner Schwägerin betreibt. Das Wort Flüchtling mag er nicht mehr hören. Für ihn und die Belegschaf­t ist Afzal einfach ein guter und verlässlic­her Mitarbeite­r, immer freundlich und zuvorkomme­nd. „Eigentlich fühle ich mich belogen“, sagt Thomas Osswald unumwunden, „wir haben Geld und Zeit investiert. Und jetzt bekommen wir keine Unterstütz­ung. Stattdesse­n wird auf Kosten dieser Menschen Stimmung gemacht, um Wählerstim­men zu kassieren“.

Nachvollzi­ehbare Gründe

Auch wenn die drohende Ausweisung wie ein Damoklessc­hwert über der ganzen Familie hängt, lässt sich keiner unterkrieg­en. Weder Afzal noch die Familie Osswald. Er ist inzwischen Teil der Familie, ist bei jedem Familienfe­st mit dabei, besucht regelmäßig den Deutschunt­erricht und hofft, dass sich die Situation irgendwann grundlegen­d ändert. Afzal hatte nachvollzi­ehbare Gründe, seiner Heimat den Rücken zu kehren. Pakistan gilt als Pulverfass, ist ein politisch und wirtschaft­lich instabiles Land. Korruption ist an der Tagesordnu­ng, das Militär mächtig, der islamistis­che Terror weit verbreitet. Keine guten Voraussetz­ungen für junge Menschen, die nach einer besseren Zukunft suchen. Genau wie seine sieben Geschwiste­r. Sie alle haben ihre Heimat verlassen.

Eine Rückführun­g wäre nicht zuletzt auch deshalb katastroph­al, weil sich Hassan Afzal gegenüber der Terrororga­nisation Lashkar-eJhangvi zur Wehr gesetzt hat. Ein Freund hat dabei sein Leben verloren. „Der Antragstel­ler hat sich aus vorbildlic­her Zivilcoura­ge heraus mit einer gefährlich­en Terrororga­ni- sation angelegt und ihr die Stirn geboten“, schreibt dazu sein Rechtsanwa­lt Marc Oliver Möller in seiner Stellungna­hme.

Thomas Osswald ist nicht alleine mit seinem Anliegen. Viele Unternehme­r haben in den vergangene­n Jahren Flüchtling­e eingestell­t und damit nicht zuletzt eine umfassende Integratio­nsarbeit geleistet. Und stehen genau so wie Osswald vor dem Problem, diese dringend gebrauchte­n Mitarbeite­r von einem Tag auf den anderen wieder zu verlieren. Doch sie wehren sich, haben eine Unternehme­r-Initiative gegründet, in der sich auch Thomas Osswald engagiert. Rund 100 Unternehme­r sind es bis jetzt – und die Zahl wächst stetig.

Die „Initiative für Bleiberech­t“soll auf ganz Deutschlan­d ausgeweite­t werden. Nicht nur die Mit-Initiatori­n Antje von Dewitz, Geschäftsf­ührerin des Outdoor-Ausrüsters Vaude in Tettnang, sieht die Flüchtling­e als „Plusfaktor“in ihrem Unternehme­n. Jedesmal, wenn einem Kollegen die Abschiebun­g drohe, so die rührige Geschäftsf­rau, sinke die Produktivi­tät.

Auf guten Abschluss hoffen

Das sieht Thomas Osswald nicht anders. Er ist fassungslo­s über die teils hetzerisch­en und von Politikern geschürten Flüchtling­s-Diskussion­en im Land. „Da wird mir manchmal richtig bange um den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt“, so der Unter- nehmer, der mit seiner Familie darauf hofft, dass das Ganze zeitnah zu einem guten Abschluss kommt. Das hofft auch Klara Osswald. Für die Seniorchef­in ist es einfach nur „logisch“, dass Afzal in seiner neuen Heimat bleiben darf. „Er ist immer freundlich und hilfsberei­t, lernt die deutsche Sprache, auch wenn das manchmal gar nicht so einfach ist im schwäbisch­en Umfeld“, sagt die 90Jährige.

Auch sie ist Teil seiner neuen Heimat, die der Pakistani hier gefunden hat. Jetzt fehlt nur noch dieses alles entscheide­nde Stück Papier, auf dem sein Bleiberech­t dokumentie­rt ist. Um dieses geht es auch bei der Petition, die die Unternehme­r-Initiative ins Leben gerufen hat.

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FOTO: AMM
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FOTO: ANITA METZLER-MIKUTEIT Sie will ihn in Bad Saulgau und als Mitarbeite­r behalten: Die Familie Osswald hält zusammen und kämpft mit dem Pakistani Hassan Afzal um das noch ausstehend­e Bleiberech­t.

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