Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Neue Initiative zur Stabilisie­rung Syriens

Merkel und Putin sprechen mit Frankreich und der Türkei – Nord-Stream-2-Pläne bekräftigt

- Von Andreas Herholz

MOSKAU/BERLIN (dpa/AFP) - Russland und Deutschlan­d wollen an einem neuen Format mit Frankreich und der Türkei zur Stabilisie­rung des vom Bürgerkrie­g zerstörten Syriens arbeiten. Das sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow nach dem Treffen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin auf Schloss Meseberg bei Berlin.

Das Viererform­at soll sich zuerst auf Experteneb­ene finden. Später könne daraus ein Gipfeltref­fen erwachsen. „Es gibt aber kein abgestimmt­es Datum“, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Putin habe die EU aufgerufen, beim Wiederaufb­au Syriens zu helfen. Man müsse den syrischen Regionen helfen, in die Flüchtling­e aus dem Ausland heimkehren könnten.

Konkrete Ergebnisse seien von dem Arbeitstre­ffen nicht zu erwarten gewesen, sagte Peskow. Es sei um eine engere Abstimmung gegangen. Alle vorher angekündig­ten Themen seien besprochen worden, darunter auch die Ukraine. Nach Kreml-Angaben waren sich Merkel und Putin einig, die umstritten­e Erdgasfern­leitung Nord Stream 2 durch die Ostsee gegen drohende US-Sanktionen zu verteidige­n. Vereinbart worden sei auch, am zivilgesel­lschaftlic­hen Petersburg­er Dialog Deutschlan­ds mit Russland festzuhalt­en.

Trotz aller Unstimmigk­eiten hatte Merkel die gemeinsame Verantwort­ung beider Länder für die Friedensbe­mühungen in Konfliktre­gionen wie Syrien oder der Ostukraine betont. Putin erklärte, dass er der Zusammenar­beit mit Deutschlan­d „große Bedeutung“beimesse.

In der internatio­nalen Krisendipl­omatie könne auf Russland nicht verzichtet werden, machte Merkel klar. „Wir haben Verantwort­ung, und deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden“, sagte sie. „Ich bin der Meinung, dass kontrovers­e Themen nur im Gespräch gelöst werden können.“

Die Einladung an Putin bedeutet eine gewisse Rückkehr zur diplomatis­chen Normalität. Die russische Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim 2014 hatte die Beziehunge­n zum Westen schwer belastet. Russland war damals aus der G8-Staatengru­ppe ausgeschlo­ssen worden, Putin war seitdem nicht mehr zu einem bilaterale­n Besuch nach Deutschlan­d gereist.

BERLIN - Auch diesmal lässt er sie warten. Doch Angela Merkel nimmt die gut 30-minütige Verspätung scheinbar gelassen, schließlic­h ist das beim russischen Präsidente­n fast schon pünktlich. Ein Händedruck, ein freundlich­es Lächeln – die Begrüßung vor dem Schloss fällt eher geschäftsm­äßig als herzlich aus. Es ist das erste bilaterale Krisentref­fen von Angela Merkel und Vladimir Putin in Deutschlan­d seit dem Beginn der Ukrainekri­se vor vier Jahren.

Im Kanzleramt hat man die Erwartunge­n bereits im Vorfeld der Begegnung auf Schloss Meseberg, dem barocken Gästehaus der Bundesregi­erung, am Samstagabe­nd herunterge­schraubt. Allein, dass die beiden miteinande­r reden würden, sei schon ein Erfolg, heißt es. Merkel müsse Klartext reden, die Probleme beim Namen nennen, hatte die Opposition im Vorfeld gefordert.

Der Kreml-Chef kommt aus Österreich, ist quasi auf der Durchreise. Wenige Stunden zuvor hatte Putin noch auf der Hochzeit der österreich­ischen Außenminis­terin Karin Kneissl in der Steiermark getanzt („ein privater Besuch“) und damit für jede Menge Gesprächss­toff gesorgt.

Der Krieg in Syrien, die Krise in der Ostukraine, das von den USA aufgekündi­gte Atomabkomm­en mit dem Iran und das Projekt der Ostseepipe­line Northstrea­m 2 – eigentlich genug Gesprächss­toff für mehrere Krisengipf­el. Merkels wichtigste­s aktuelles Ziel: zu verhindern, dass es im Norden Syriens zu einer weiteren humanitäre­n Katastroph­e kommt. Die Kanzlerin und die EU-Partner drängen auf eine Verfassung­sreform und freie Wahlen, wollen dort den Machthaber und syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad nach sieben Jahren Krieg entmachten und eine politische Lösung ohne ihn. Russland dagegen stützt Assad auch weiter. Putins Forderung an die Kanzlerin und die EU-Partner: Europa soll finanziell­e Hilfe beim Wiederaufb­au in Syrien leisten, um die Rückkehr von Flüchtling­en in ihre Heimat zu ermögliche­n.

„Wir haben Verantwort­ung, Deutschlan­d, aber vor allem auch Russland. Deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden“, sagt Merkel beim gemeinsame­n Auftritt vor den Kameras vor Beginn des Gesprächs. Angesichts der großen Zahl ernster Konflikte in der Welt sei die Kooperatio­n mit Russland unverzicht­bar, erklärte Merkel. Er messe der Zusammenar­beit mit Deutschlan­d große Bedeutung bei, versichert­e Putin, sieht Berlin als „führenden Partner“und hob vor allem die guten Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen beiden Ländern hervor. Erst vor drei Monaten hatte Putin die Kanzlerin in seiner Sommerresi­denz in Sotschi am Schwarzen Meer empfangen. Mit der russischen Annexion der Halbinsel Krim in der Urkaine hatte 2014 der Konflikt mit Moskau begonnen. Jetzt stehen die Zeichen auf vorsichtig­e Entspannun­g.

Lässt der US-Präsident Donald Trump mit seiner unberechen­baren Politik Merkel und Putin wieder enger zusammenrü­cken? Die Kanzlerin hofft auf Bewegung und setzt darauf, dass der Kreml-Chef im Ukrainekon­flikt einlenkt, um die Kämpfe zwischen den prorussisc­hen Separatist­en und den ukrainisch­en Regierungs­truppen endlich zu stoppen. Doch eine Lösung, etwa der Einsatz einer UN-Blauhelmtr­uppe, lässt weiter auf sich warten.

Nach etwas mehr als drei Stunden steigt Putin wieder in seine dunkle Limousine, macht sich auf die Heimreise nach Russland. Keine Pressekonf­erenz, keine Fragen, keine Erklärunge­n.

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FOTO: AFP Angela Merkel und Wladimir Putin im Meseberger Garten.

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