Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Leben lang im Wasser

Agathe Stadler schwimmt auch noch mit 84 Jahren beinahe täglich im Krauchenwi­eser Strandbad

- Von Patrick Laabs

KRAUCHENWI­ES - Wenn der Himmel im Sommer über dem Krauchenwi­eser Steidlesee blau ist und die Sonne scheint, dann ist eines so sicher wie das Amen in der Kirche: Die 84-jährige Agathe Stadler aus Göggingen dreht ihre Runden im See. Einmal, zweimal, dreimal. „Am liebsten bin ich jeden Tag hier“, sagt Stadler. Wenn sie nicht schwimmen könne, dann fehle etwas Wichtiges in ihrem Leben.

Die Leidenscha­ft für das Schwimmen hatte sie schon immer – und ihre Schwestern, sechs an der Zahl, tun es ihr gleich: „Wenn es sich anbietet, kommen wir schon auch mal zu dritt hierher“, sagt sie. Am Steidlesee ist die rüstige Rentnerin bekannt wie ein bunter Hund. Wenn sie auf der Terrasse sitzt und ihren Capucchino oder einen Eiskaffee trinkt, grüßen die Menschen sie. Aber alleine ist sie ohnehin selten, schließlic­h gibt es noch weitere Göggingeri­nnen in ihrem Alter, die sich regelmäßig gen Steidlesee aufmachen.

Bei diversen Nähereien das Geld verdient

Stadler verbringt für gewöhnlich mehrere Stunden am Tag am Steidlesee. „Hier habe ich meinen eigenen Liegestuhl“, sagt sie und freut sich. Auch die kräftige Sonne mache ihr nichts aus: „Ich genieße das.“Sie ist überzeugt, dass ihr das Schwimmen gut tue; trotz einer künstliche­n Herzklappe traue sie sich auch, weit hinauszusc­hwimmen. Und der Laune sei das Schwimmen auch zuträglich. „Ich habe hier den ganzen Sommer über Urlaub“, sagt sie. Schnell schwimme sie nicht, „retten könnte ich niemanden“, schmunzelt sie.

Wer sich mit Agathe Stadler unterhält, spürt schnell, das sie zufrie- den mit ihrem heutigen Rentner-Dasein und den Freiheiten ist. Diese Freiheiten hatte sie in ihrem Leben lange nicht. Ihr Mann starb bereits im Jahr 1961 an einer Lungenentz­ündung, nur drei Jahre nach der Hochzeit. „Da waren zwei Kinder schon da, und das dritte unterwegs“, sagt sie. In diesen Tagen hätte die diamantene Hochzeit stattgefun­den. Vor ihr lag nach dem Tod des Ehemannes keine einfache Zeit. Die Eltern ließen sie und ihre Kinder immerhin bei sich wohnen. „Ich musste mich schon ganz schön durchschla­gen“, erinnert sie sich. Doch das Jammern habe ihr nicht gelegen, sie kämpfte stattdesse­n. Jahrzehnte­lang arbeitete sie bei diversen Nähereien in der Umgebung, etwa in Göggingen, Rengetswei­ler oder Ablach, bis die meisten von ihnen schlossen.

Stadler, die auch im Gögginger Obst- und Gartenbauv­erein noch sehr aktiv ist, hofft, das sie noch möglichst lange ihrer großen Leidenscha­ft, dem Schwimmen, frönen kann. „Noch bin ich ja hier“, sagt sie. Im Januar wird sie 85 Jahre alt.

Wenn die Pächterin Andrea Reutter das Strandbad Ende September wieder schließt, ist es mit dem Schwimmen für Stadler auch keineswegs vorbei. Dann fährt sie nämlich regelmäßig, „vielleicht einmal in der Woche“, nach Bad Saulgau in die Therme. Nur um 18 Uhr muss sie immer zu Hause sein: „Da läuft dann Gefragt gejagt mit Alexander Bommes im Ersten“, sagt sie und lacht. Und das dürfe sie auf keinen Fall verpassen. Was sie auch weiterhin nicht verpasst, sind Unternehmu­ngen größerer Art. So sei sie erst im März mit einer ihrer Töchter in Prag gewesen – und für den Herbst habe sie bereits eine viertägige Busreise nach Südtirol gebucht – dort gebe es „nämlich eine sehr schöne Therme“.

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FOTO: PATRICK LAABS Agathe Stadler genießt den Sommer im Krauchenwi­eser Strandbad – keineswegs zum ersten Mal.

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