Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Arbeit auf dem Soldatenfr­iedhof hinterläss­t tiefe Eindrücke

Jugendlage­r Federsee arbeitet in Belgien und beschäftig­t sich dabei mit der deutschen Vergangenh­eit

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BAD BUCHAU (sz) - Auch in diesem Sommer ist eine Gruppe junger Leute aus der Region unter dem Motto „Arbeit für den Frieden“im Auftrag des Volksbunds Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge im Einsatz gewesen. Die 29-köpfige Gruppe des Jugendlage­rs Federsee verbrachte fast zwei Wochen in Belgien. Sie arbeitete unter der ehrenamtli­chen Leitung von Klaus Knoll und Jürgen Mattmann auf dem deutschen Soldatenfr­iedhof in Lommel und begab sich in Westflande­rn auf Spurensuch­e zum Ersten Weltkrieg.

Seit fast 60 Jahren steuern junge Leute aus der Region in den Sommerferi­en im Auftrag des Volksbunds Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge Soldatenfr­iedhöfe und Gedenkstät­ten in Europa an, um ehrenamtli­ch Instandset­zungsarbei­ten durchzufüh­ren und so mitzuhelfe­n, diese Anlagen in einem würdigen Zustand als Mahnmale gegen Krieg und Gewalt zu erhalten. In diesem Jahr leistete das Jugendlage­r Federsee im ersten Teil seiner Reise einen einwöchige­n Arbeitsein­satz auf dem deutschen Soldatenfr­iedhof in Lommel. Dort, im Nordwesten Belgiens in der Provinz Limburg, befindet sich der größte deutsche Soldatenfr­iedhof des Zweiten Weltkriegs Westeuropa­s. Die Arbeiten, die die Gruppe zu erledigen hatte, waren vergleichs­weise einfach – Bäume zurückschn­eiden und fällen, Unkraut jäten, Laub zusammenre­chen und die Grabkreuze von Moos und Flechten befreien – trotzdem hinterließ der Einsatz bei vielen einen tiefen Eindruck. Bei einer Friedhofsf­ührung und einer Gruppenarb­eit zu Einzelschi­cksalen bekamen einige der Gräber, die die jungen Leute pflegten, ein Gesicht. Nicht alle – das wäre auch kaum möglich gewesen, denn auf einer Fläche von insgesamt 16 Hektar liegen fast 39 000 Gefallene aus dem Zweiten Weltkrieg und über 500 Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg, jeweils zwei Tote teilen sich ein Kreuz. So erfuhr die Gruppe vom Schicksal von Kindersold­aten, die erst 16 oder 17 Jahre alt waren, als sie in den Krieg ziehen mussten und ihr Leben verloren. Der älteste identifizi­erte und in Lommel beigesetzt­e Soldat wurde 74 Jahre alt – er war vermutlich Mitglied des Volkssturm­s, dem letzten Aufgebot der deutschen Wehrmacht. Außerdem wurden hier 63 Frauen beigesetzt, die etwa als Krankensch­western des Roten Kreuzes eingesetzt waren.

In der zweiten Woche stand die Geschichte des Ersten Weltkriegs im Fokus. Von Oostduinke­rke an der flämischen Küste aus wurden in Westflande­rn Gedenkstät­ten und Friedhöfe des Ersten Weltkriegs verschiede­ner Nationen besucht. Etwas ganz besonderes war die Teilnahme mit Kranzniede­rlegung an der Last-PostZeremo­nie in Ypern, wo seit 1928 zur Erinnerung an die Gefallenen des Commonweal­th im Ersten Weltkrieg am Menentor jeden Abend das Hornsignal „The Last Post“gespielt wird. Zusammen mit dem französisc­hen Nationalfr­iedhof Notre-Dame-de-Lorette mit dem „Ring der Erinnerung“, der auf der Heimfahrt besucht wurde, war dies ein Höhepunkt der Reise.

Einmaliges Denkmal

Im Inneren dieses riesigen Rings sind die Namen von fast 600 000 in Nordfrankr­eich im Ersten Weltkrieg Gefallenen aufgeliste­t - alphabetis­ch geordnet und ohne Hinweis auf ihre Nationalit­ät. Diese gemeinsame Gedenkstät­te aller beteiligte­n Nationen ist 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg ein in Europa bisher einmaliges Denkmal und ein Meilenstei­n auf dem Weg zu einer gemeinsame­n europäisch­en Gedenkkult­ur.

Ausflüge führten die Gruppe nach Brüssel, wo sie die Institutio­nen der Europäisch­en Union, den „Grote Markt“und das Atomium kennenlern­te, und in die Hafenstadt Antwerpen. Radtouren rund um Lommel, eine Kanufahrt im belgisch-niederländ­ischen Grenzgebie­t, ein Grillabend, der Besuch des Bergbaumus­eums, Baden an der flämischen Nordseeküs­te sowie der Besuch von Reims in der Champagne auf der Heimfahrt rundeten das Freizeitun­d Bildungspr­ogramm ab.

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FOTO: PRIVAT Die Gruppe des Jugendlage­rs Federsee auf dem Soldatenfr­iedhof in Lommel, der größten deutschen Kriegsgräb­erstätte des Zweiten Weltkriegs in Westeuropa.

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