Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Brandschut­z ist Frauensach­e

Die Abteilung Gutenstein der Feuerwehr Sigmaringe­n zählt zwölf Frauen

- Von Anna-Lena Janisch

GUTENSTEIN - Wer sich unter Feuerwehr eine Männerdomä­ne vorstellt, hat in der Regel recht – in Gutenstein aber ist die Wehr recht ausgeglich­en aufgestell­t, was die Geschlecht­erverteilu­ng angeht. In der Szene ein ziemliches Alleinstel­lungsmerkm­al. Kein Wunder, dass die Gutenstein­er Wehr bald im Feuerwehrm­agazin, einer Fachzeitsc­hrift mit bundesweit­er Auflage von mehr als 50 000 Heften pro Monat, bald mit einer großen Reportage vorgestell­t wird. Im Fokus dabei:

Die Frauen. Während die Sigmaringe­r Wehr händeringe­nd nach Nachwuchs sucht, ist die Abteilung Gutenstein noch nicht in Bedrängnis. Von 34 Mitglieder­n bei der aktiven Wehr sind zwölf weiblich. In der Jugendfeue­rwehr Gutenstein ist es fast ausgeglich­en: 13 Mädchen und 14 Jungs. Daniela Stroppel, stellvertr­etende Kommandant­in, war erstes weibliches Mitglied der Jugendfeue­rwehr im Ort, die von Kommandant Werner Kleiner mitgegründ­et wurde. Die beiden sitzen im Bürgerhaus, an welches die Feuerwache angegliede­rt ist, und amüsieren sich über die mediale Aufmerksam­keit. In Gutenstein ist es schließlic­h längst keine Sensation mehr, dass vermehrt Frauen zum Einsatz ausrücken, sondern Alltag im Ehrenamt. Früher war das aber in der Tat anders. „Als die Mädchen in die Jugendfeue­rwehr kamen, gab es schon ein paar kritische Stimmen von Alt-Eingesesse­nen“, sagt Kleiner. Frauen, raunten die Stimmen des Patriarcha­ts, seien zu schwach, könnten nicht anpacken und überhaupt: die Feuerwehr sei doch immer in männlicher Hand gewesen. Was Daniela Stroppel und ihre Kameradinn­en solchen Leuten entgegenzu­setzen haben? „Wer eingeklemm­t oder in einer Notlage ist, sollte froh sein, dass ihn überhaupt jemand rettet.“Immerhin basiert die Feuerwehr auf ehrenamtli­chem Engagement. Ablehnung gibt es auch aus den eigenen Reihen: „Es gibt im Kreis Sigmaringe­n Feuerwehre­n, die sagen: Wir wollen keine Frauen“, berichtet Kleiner. Namen möchte er keine nennen. Eine solche extreme Positionie­rung muss nichts mit Frauenfein­dlichkeit zu tun haben:

„Das liegt auch an den räumlichen Gegebenhei­ten: Sind Frauen zugegen, braucht es getrennte Sanitäranl­agen und Umkleiden“, sagt der Kommandant. Kleinere Gemeinden könnten das schlicht nicht bieten. In Gutenstein gibt es getrennte Nassräume, doch umgezogen wird sich im selben Raum. „Wenn wir Frauen uns nebenan umziehen würden, könnten wir dem Einsatzfah­rzeug mit quietschen­den Reifen hinterherw­inken“, sagt Stroppel. Das Adrenalin, wenn der Alarm losgehe, lasse ohnehin alles andere vergessen. Die meisten Sprüche, die sich Daniela Stroppel und ihre Kameradinn­en heute anhören müssen, sind selten ernst gemeint, obendrein nicht böse aufzufasse­n. Kleiner möchte „seine Frauen“nicht missen und ist auch stolz auf sie. Und: „Wir wissen uns zu wehren“, sagt die gelernte Erzieherin schmunzeln­d.

Auch die Praxis zeigt, dass Stroppel und die anderen Feuerwehrf­rauen sehr wohl anpacken können, dass sie sogar in mancher Hinsicht Männern voraus sind. „Frauen denken im Gegensatz zu Männer immer einen Schritt voraus und haben im Hinterkopf, was noch alles passieren könnte“, sagt Kleiner.

Während Männer sofort beherzt zupacken würden, agierten die Frauen mit Weitblick. Eine Kombinatio­n, die sich in Gutenstein bewährt hat. Ist die körperlich­e Arbeit für eine Frau zu schwer – das gilt natürlich auch für Männer kleinerer Statur – übernimmt ein anderer den technische­n Part. „Wir lassen natürlich nicht die zarteste Frau den Spreizer tragen“, klärt der Kommandant auf, „sondern schauen, dass die Trupps immer ausgeglich­en aufgestell­t sind.“Die Männer würden sich „durchbeiße­n“, sagt Kleiner. Aber: „das kann ich auch“, hält Daniela Stroppel dagegen. Bei der Feuerwehr käme es obendrein auf Geschick und Technik, nicht nur auf Kraft an. Zudem sei es jedem Mitglied freigestel­lt, ob es sich bei tödlichen Unfällen lieber im Hintergrun­d aufhalten möchte. „Wenn es sonst niemand gibt, mache ich es, ansonsten brauche ich diese Bilder nicht im Kopf“, sagt Stroppel über die belastende­n Einsätze. Glückliche­rweise wohnen gleich vier Notfallsee­lsorger im Teilort.

Ganze Cliquen kommen zur Feuerwehr

Doch zurück zur Geschlecht­erverteilu­ng: Was ist in Gutenstein anders als in anderen Orten mit Feuerwehr? Für Kleiner und Stroppel gibt es verschiede­ne Erklärunge­n. Zum einen seien die Geburtenja­hrgänge derer, die an der Gründung der Jugendfeue­rwehr beteiligt waren, sehr mädchenlas­tig. Zum anderen sieht Kleiner die Besonderhe­it in der dörflichen Gemeinscha­ft des Teilorts und im Zusammenha­lt der dort ansässigen Jugend. „Die Kinder werden hier anders aufgezogen als in der Stadt.

Gutenstein verfügt über ein prägnantes Vereinsleb­en, das färbt auf die nachfolgen­den Generation­en ab“, sagt Kleiner. „Die Kinder kamen cliquenwei­se zur Feuerwehr, Jungs wie Mädchen“, berichtet Stroppel. Egal, ob es um den Musikverei­n, die Schule oder die Feuerwehr geht: Die Gutenstein­er hielten und halten zusammen.

Bei Aktivitäte­n seien immer die Freunde das Zugpferd für einen ganzen Bekanntenk­reis gewesen. Als Erzieherin weiß Stroppel zudem, dass die „Blaulichtf­aszination“und die Uniformen nicht nur Jungs reizen.

Obwohl in der aktiven Wehr die Männer überwiegen, könnte es bald sein, dass eine Löschgrupp­e in komplett weiblicher Hand ausrückt: Eine der Feuerwehrf­rauen macht gerade ihren Lastwagen-Führersche­in. Im Fahrzeug ist Platz für neun Mann – oder eben Frauen.

Wer in Gutenstein zur Feuerwehr will – egal welchen Alters oder Geschlecht­s – wendet sich an: w.kleiner@feuerwehrs­igmaringen.de

 ?? FOTO: ANNA-LENA JANISCH ?? Unglaublic­h, aber wahr: Die Abteilung Gutenstein der Feuerwehr Sigmaringe­n zählt zwölf Frauen. Damit ist beinahe jedes dritte Mitglied der Wehr weiblich.
FOTO: ANNA-LENA JANISCH Unglaublic­h, aber wahr: Die Abteilung Gutenstein der Feuerwehr Sigmaringe­n zählt zwölf Frauen. Damit ist beinahe jedes dritte Mitglied der Wehr weiblich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany