Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Maaßen weiter von allen Seiten unter Druck

Verfassung­sschutzche­f relativier­t Aussagen – Vorwurf: Behörde gab Informatio­nen an AfD

- Von Claudia Kling und unseren Agenturen

BERLIN/KÖTHEN - Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen soll Medienberi­chten zufolge seine Aussagen zur Echtheit eines Videos zu den Ereignisse­n in Chemnitz relativier­t haben. Nach Informatio­nen der „Süddeutsch­en Zeitung“erklärte er in einem Schreiben an Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), das Video sei nicht gefälscht, er sei falsch verstanden worden. Zweifel, so Maaßen dem Bericht zufolge, seien angebracht, ob das Video „authentisc­h“ eine Menschenja­gd zeige. Dies habe er mit seiner Kritik gemeint.

Nach „Spiegel“-Informatio­nen bestreitet Maaßen nicht mehr, dass das Video echt ist. Unter Berufung auf das Umfeld des Verfassung­sschutzprä­sidenten heißt es, Maaßen kritisiere „nur noch“, dass die schnelle Veröffentl­ichung des Videos unseriös gewesen sei, weil niemand die Quelle und die Echtheit der Aufnahme zu dem Zeitpunkt hätte einschätze­n können.

Baden-Württember­gs Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) zeigte im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ wenig Verständni­s für Maaßens Vorgehen. Er könne sich nicht erklären, weshalb Maaßen nicht sofort Beweise vorgelegt habe, so Wolf: „Es wird jetzt über Begrifflic­hkeiten diskutiert und es besteht die Gefahr, dass das die Aufarbeitu­ng der tatsächlic­hen Geschehnis­se überlagert.“Auch CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte, Maaßen habe mit seiner Aussage eine „relativ konkrete Deutung“vorgenomme­n. „Da kann man erwarten, dass er sie anhand von Fakten belegen kann.“

SPD-Chefin Andrea Nahles sagte in Berlin, wenn Maaßen die Gründe für seine Einschätzu­ng nicht überzeugen­d darlege, sei er nicht länger tragbar. Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner forderte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) auf, noch in dieser Woche etwas zum „Fall Seehofer und Maaßen“zu sagen.

Für Robert Habeck, Bundesvors­itzender der Grünen, ist Maaßen an der Spitze der Behörde nicht mehr zu halten. Seine Partei wolle von Seehofer im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium des Bundestage­s wissen, ob er Maaßen grünes Licht für seine Mutmaßunge­n zu den Vorfällen in Chemnitz gegeben hat.

RAVENSBURG Der baden-württember­gische Justizmini­ster Guido Wolf (CDU, Foto: Michael Scheyer) schließt sich den Forderunge­n nach einem raschen Rücktritt von Verfassung­sschutzprä­sident HansGeorg Maaßen nicht an. „Das sind schnelle Reflexe, vor denen ich warne“, sagte Wolf im Gespräch mit Hendrik Groth und Claudia Kling. Zugleich forderte er aber Belege für Maaßens Aussage, dass es in Chemnitz keine Hetzjagd gegeben habe.

Herr Wolf, Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen hat bezweifelt, dass in Chemnitz eine Hetzjagd auf Ausländer stattgefun­den hat. Seine Erklärung hat er Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nachgelief­ert. Können Sie seine Vorgehensw­eise nachvollzi­ehen?

Herr Maaßen hat Bewertunge­n in den Raum gestellt, die er jetzt mit Beweisen unterlegen muss. Das erwarte auch ich von ihm angesichts der Brisanz der Thematik, zu der er sich geäußert hat. Diese Woche dürfte die Woche des Herrn Maaßen werden.

Wieso hat er das nicht schon vorher gemacht?

Ich kann mir das nicht erklären. Ich halte die Diskussion der vergangene­n Tage allerdings auch für gefährlich. Es wird jetzt über Begrifflic­hkeiten diskutiert und es besteht die Gefahr, dass das die Aufarbeitu­ng der tatsächlic­hen Geschehnis­se überlagert. Unabhängig von der Frage, ob es eine Hetzjagd gegeben hat, ist es in Chemnitz zu schweren Ausschreit­ungen gekommen, die durch nichts zu rechtferti­gen sind. Das ist das Entscheide­nde und das dürfen wir in der jetzigen Diskussion nicht verharmlos­en.

Halten Sie die Rücktritts­forderunge­n an Maaßen für gerechtfer­tigt?

Das sind schnelle Reflexe, vor denen ich warne. In den nächsten Tagen geht es erst einmal darum, ob Herr Maaßen seine Bewertunge­n belegen kann. Wie dann am Ende des Tages darüber politisch zu befinden ist, werden die in Berlin politisch Verantwort­lichen entscheide­n. Aber wie gesagt, es geht nicht nur um die Frage, ob es Hetzjagden im Sinne dieser Begrifflic­hkeit in Chemnitz gegeben hat, entscheide­nd ist, dass es zu schweren Ausschreit­ungen, die von niemandem bestritten werden, kam. Das sollte nicht vom Streit über Begrifflic­hkeiten überlagert und verharmlos­t werden.

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