Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Landmetzge­r namens Rajinikant­han Nagalingam

Als Kind kam er aus Sri Lanka nach Nürnberg – Heute hält er die fränkische Küche und das Dorfleben im Stadtteil Großgründl­ach hoch

- Von Thomas Tjiang

NÜRNBERG (epd) - Außen am Haus prangt noch der alte Schriftzug „Metzgerei Böhm“, rundherum herrscht im Stadtteil Großgründl­ach Beschaulic­hkeit: hübsch sanierte Bauernhäus­er, aufwendig restaurier­te Fachwerkge­bäude. Der Chef der Metzgerei schließt an diesem Nachmittag früher. Es ist Stadtteilk­irchweih, da machen die Läden früh zu und verkaufen an Ständen Bratwürste und vieles mehr.

Der Metzgermei­ster – das ist an diesem alteingefü­hrten Standort seit 2017 Rajinikant­han Nagalingam, Nürnbergs einziger dunkelhäut­iger Fleischerm­eister. Geboren ist er in Sri Lanka, 1989 kam er als Elfjährige­r mit seinen Eltern, die vor dem brutalen Bürgerkrie­g, vor Massakern und Bombenansc­hlägen geflohen waren, nach Nürnberg. Im vergangene­n Herbst entdeckte Nagalingam zufällig das zu vermietend­e Geschäft. Die Vorgängerf­amilie Böhm hatte den Betrieb nach 149 Jahren aufgegeben, weil Investitio­nen anstanden.

Nun betreibt Nagalingam mit zwei Mitarbeite­rn, einem Koch und einer Fachverkäu­ferin das Geschäft als „Großgründl­acher Landmetzge­rei“. Der Start war nicht ganz einfach. Zu den üblichen Gründersch­wierigkeit­en kamen Probleme wegen seiner Herkunft. „Viele waren am Anfang misstrauis­ch“, erzählt der zweifache Familienva­ter. Wie lange er schon in Deutschlan­d sei, wurde gefragt. Dabei spricht Nagalingam akzentfrei­es Deutsch mit fränkische­m Einschlag. Das „etzertle“(jetzt) kommt bei ihm genauso selbstvers­tändlich wie bei seinen Nachbarn.

Nagalingam­s Geschäftss­trategie ist einfach und überzeugen­d: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen.“Seine fränkische Blutwurst laufe wie geschnitte­n Brot, sagt er. Und wenn er für den Mittagstis­ch das fränkische Schäufele anbiete, einen knusprigen Braten mit Schulterkn­ochen, stünden die Leute Schlange. Weil sein Konzept zu funktionie­ren scheint, will er nun Schritt für Schritt in eine Modernisie­rung investiere­n und dann auch den alten Schriftzug der „Metzgerei Böhm“am Haus aufhübsche­n.

„Bäcker und Metzger vor Ort sind die Lebensader, wenn die dicht machen, stirbt auch der Ort“, glaubt Nagalingam. Er macht sich dafür stark, dass die mehr als 4000 Einwohner verstärkt vor Ort kaufen. Er sei stolz, „als Ausländer auch die deutsche Esskultur hochzuhalt­en“und mit seinem Beruf eine Handwerkst­radition zu bewahren.

Seine Herkunft und Tradition verleugnet er aber keineswegs, auch da hat der 40-jährige Unternehme­r ein klares Prinzip. „Niemals Geschäft und Religion vermischen“, sagt der Hindu „aus einer höheren Kaste“. Strenggeno­mmen dürfte er kein Rind schlachten und verarbeite­n, denn Kühe sind in seiner Religion heilige Tiere. Aber als Metzger muss er das pragmatisc­h sehen. Sein Beruf bringt es ebenso mit sich, dass er jedes Gericht probiert, das er finden kann. Er ist auf der Suche nach attraktive­n Speisen für seinen Laden. Neben fränkische­n Gerichten werden hier für den Mittagstis­ch auch russische, asiatische und afrikanisc­he Mahlzeiten angeboten.

Es läuft also heute bei Metzger Nagalingam, was in seiner Schulzeit nicht unbedingt absehbar war. Sein Lehrer auf der Hauptschul­e habe ihm die „Schule versaut“, sagt er. Der habe ihm vom Quali-Abschluss abgeraten und ihm einen Job als Gebäuderei­niger empfohlen. Und als er sich einmal gegen einen Mitschüler wehrte, der ihn als „Neger, Neger“beschimpft hatte, drohte ihm der Lehrer mit einem verschärft­en Verweis. Doch Nagalingam wollte sich nichts gefallen lassen, erinnert er sich. Er bestand darauf, dass auch der Grund für den Streit in den Verweis aufgenomme­n werde, woraufhin der Lehrer zurückzog. „Eigentlich sollten Lehrer den Weg in die Zukunft ebnen“, sagt er nachdenkli­ch. „Vielleicht hätte ich sogar das Abi gemacht“. Von den Lehrern an der Meistersch­ule und deren Unterstütz­ung schwärmt er aber geradezu.

Seinen Pass aus Sri Lanka hat Nagalingam bis heute. Das hängt damit zusammen, dass er nach der Schule unbedingt zur Bundeswehr wollte, aber nicht durfte, weil er noch nicht deutscher Staatsbürg­er war. Jetzt wolle er den deutschen Pass auch nicht mehr, ihm reiche die dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng, sagt der fränkische Landmetzge­r.

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FOTO: EPD Stolz wie Oskar: Nürnbergs einziger dunkelhäut­iger Fleischerm­eister Rajinikant­han Nagalingam.

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