Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ein Landmetzger namens Rajinikanthan Nagalingam
Als Kind kam er aus Sri Lanka nach Nürnberg – Heute hält er die fränkische Küche und das Dorfleben im Stadtteil Großgründlach hoch
NÜRNBERG (epd) - Außen am Haus prangt noch der alte Schriftzug „Metzgerei Böhm“, rundherum herrscht im Stadtteil Großgründlach Beschaulichkeit: hübsch sanierte Bauernhäuser, aufwendig restaurierte Fachwerkgebäude. Der Chef der Metzgerei schließt an diesem Nachmittag früher. Es ist Stadtteilkirchweih, da machen die Läden früh zu und verkaufen an Ständen Bratwürste und vieles mehr.
Der Metzgermeister – das ist an diesem alteingeführten Standort seit 2017 Rajinikanthan Nagalingam, Nürnbergs einziger dunkelhäutiger Fleischermeister. Geboren ist er in Sri Lanka, 1989 kam er als Elfjähriger mit seinen Eltern, die vor dem brutalen Bürgerkrieg, vor Massakern und Bombenanschlägen geflohen waren, nach Nürnberg. Im vergangenen Herbst entdeckte Nagalingam zufällig das zu vermietende Geschäft. Die Vorgängerfamilie Böhm hatte den Betrieb nach 149 Jahren aufgegeben, weil Investitionen anstanden.
Nun betreibt Nagalingam mit zwei Mitarbeitern, einem Koch und einer Fachverkäuferin das Geschäft als „Großgründlacher Landmetzgerei“. Der Start war nicht ganz einfach. Zu den üblichen Gründerschwierigkeiten kamen Probleme wegen seiner Herkunft. „Viele waren am Anfang misstrauisch“, erzählt der zweifache Familienvater. Wie lange er schon in Deutschland sei, wurde gefragt. Dabei spricht Nagalingam akzentfreies Deutsch mit fränkischem Einschlag. Das „etzertle“(jetzt) kommt bei ihm genauso selbstverständlich wie bei seinen Nachbarn.
Nagalingams Geschäftsstrategie ist einfach und überzeugend: „Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen.“Seine fränkische Blutwurst laufe wie geschnitten Brot, sagt er. Und wenn er für den Mittagstisch das fränkische Schäufele anbiete, einen knusprigen Braten mit Schulterknochen, stünden die Leute Schlange. Weil sein Konzept zu funktionieren scheint, will er nun Schritt für Schritt in eine Modernisierung investieren und dann auch den alten Schriftzug der „Metzgerei Böhm“am Haus aufhübschen.
„Bäcker und Metzger vor Ort sind die Lebensader, wenn die dicht machen, stirbt auch der Ort“, glaubt Nagalingam. Er macht sich dafür stark, dass die mehr als 4000 Einwohner verstärkt vor Ort kaufen. Er sei stolz, „als Ausländer auch die deutsche Esskultur hochzuhalten“und mit seinem Beruf eine Handwerkstradition zu bewahren.
Seine Herkunft und Tradition verleugnet er aber keineswegs, auch da hat der 40-jährige Unternehmer ein klares Prinzip. „Niemals Geschäft und Religion vermischen“, sagt der Hindu „aus einer höheren Kaste“. Strenggenommen dürfte er kein Rind schlachten und verarbeiten, denn Kühe sind in seiner Religion heilige Tiere. Aber als Metzger muss er das pragmatisch sehen. Sein Beruf bringt es ebenso mit sich, dass er jedes Gericht probiert, das er finden kann. Er ist auf der Suche nach attraktiven Speisen für seinen Laden. Neben fränkischen Gerichten werden hier für den Mittagstisch auch russische, asiatische und afrikanische Mahlzeiten angeboten.
Es läuft also heute bei Metzger Nagalingam, was in seiner Schulzeit nicht unbedingt absehbar war. Sein Lehrer auf der Hauptschule habe ihm die „Schule versaut“, sagt er. Der habe ihm vom Quali-Abschluss abgeraten und ihm einen Job als Gebäudereiniger empfohlen. Und als er sich einmal gegen einen Mitschüler wehrte, der ihn als „Neger, Neger“beschimpft hatte, drohte ihm der Lehrer mit einem verschärften Verweis. Doch Nagalingam wollte sich nichts gefallen lassen, erinnert er sich. Er bestand darauf, dass auch der Grund für den Streit in den Verweis aufgenommen werde, woraufhin der Lehrer zurückzog. „Eigentlich sollten Lehrer den Weg in die Zukunft ebnen“, sagt er nachdenklich. „Vielleicht hätte ich sogar das Abi gemacht“. Von den Lehrern an der Meisterschule und deren Unterstützung schwärmt er aber geradezu.
Seinen Pass aus Sri Lanka hat Nagalingam bis heute. Das hängt damit zusammen, dass er nach der Schule unbedingt zur Bundeswehr wollte, aber nicht durfte, weil er noch nicht deutscher Staatsbürger war. Jetzt wolle er den deutschen Pass auch nicht mehr, ihm reiche die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, sagt der fränkische Landmetzger.