Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Patt in Stockholm

Sozialdemo­kraten wollen Regierung über Blockgrenz­en hinweg bilden

- Von André Anwar

STOCKHOLM - In Schweden ist nach den Parlaments­wahlen die Frage, wer die nächste Regierung bilden wird, völlig offen. Zwischen dem linken und bürgerlich­en Block besteht nahezu ein Patt. Eine blocküberg­reifende Lösung, welche die rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten (SD) außen vor lässt, gilt am wahrschein­lichsten. Die Sozialdemo­kraten kündigten an, eine Regierung führen zu wollen, die über die traditione­llen Blockgrenz­en hinausgeht. „Mit welchen Parteien wir sprechen, werden wir versuchen, für uns zu behalten“, sagte Fraktionsc­hef Anders Ygeman. Gespräche mit den Rechtspopu­listen schloss er aus.

Schweden hatte gezittert vor dieser „Schicksals­wahl“, wie sie genannt wurde. Schuld waren ungenaue und stark schwankend­e Umfragen, in denen es bis zuletzt hieß, dass die einwanderu­ngskritisc­hen Schwedende­mokraten entweder stärkste oder zweitstärk­ste Kraft werden. Groß war deshalb die Erleichter­ung, als die SD nur 17,6 Prozent (+4,7 Prozent) erzielten. Eine Erklärung für die ungewöhnli­ch ungenauen Umfragen blieben die Meinungsfo­rschungsin­stitute am Montag schuldig.

Keil in die Blockpolit­ik getrieben

Vielleicht hätte die SD mehr Prozentpun­kte bekommen, wenn Umfragen und auch Schwedens große Medien nicht monatelang den Teufel an die Wand gemalt und damit tolerante Bürger vermehrt an die Wahlurnen gedrängt hätten. Den Umfragen ist auch teils geschuldet, dass sowohl Sozialdemo­kraten als auch die größte bürgerlich­e Partei Moderatern­a sich auf eine deutlich restriktiv­ere Einwanderu­ngspolitik als Hauptthema der Wahl einschosse­n.

Ungeachtet der Erleichter­ung bleibt es Fakt, dass die SD ein beachtlich­es Rekorderge­bnis erzielt hat und ihre rechnerisc­he Stellung zwischen dem linken Dreipartei­enlager (40,6 Prozent) aus bisheriger rotgrüner, von der Linksparte­i gestützter Minderheit­sregierung und der bürgerlich­en Vierpartei­enallianz (40,3 Prozent) ausgebaut hat. Damit hat sie einen Keil in die in Schweden fast heilige Blockpolit­ik getrieben. Keiner der alten Blöcke kann alleine regieren.

So blieb am Tag nach der Wahl völlig offen, ob Schweden in Zukunft von einer sozialdemo­kratisch angeführte­n oder einer bürgerlich­en Minderheit­sregierung geführt wird. Derzeit hat der Linksblock ein Mandat mehr als der bürgerlich­e. Ministerpr­äsident Stefan Löfven sieht das als Legitimati­on für den Regierungs­auftrag.

Doch braucht Löfven die blocküberg­reifende Unterstütz­ung von bürgerlich­en Parteien, wie er in der Wahlnacht eingestand. „Die Blockpolit­ik verdummt, diesem Abend sollte ihre Beerdigung folgen“, sagte er. Vor allem die bürgerlich­en Liberalen und das Zentrum umwirbt Löfven. Dass die sich da bewegen, bleibt nicht völlig ausgeschlo­ssen, ist aber eher nicht zu erwarten.

Die bürgerlich­e Vierpartei­enallianz, die bereits Löfvens Minderheit­sregierung der letzten vier Jahre teilweise duldet, will das nicht mehr mitmachen. Sie forderte einhellig den Abgang Löfvens zugunsten ihres Premiermin­isterkandi­daten Ulf Kristersso­n von den konservati­ven Moderatern­a. Wahlkommen­tatoren hielten es am Montag für wahrschein­lich, dass er zuerst versuchen wird, eine Regierung zu schmieden. Aber auch sein bürgerlich­es Lager hat keine Mehrheit. Er braucht die ihn duldenden Sozialdemo­kraten. Das dürfte seine erste Wahl sein. Sollte das eine Vorsprungm­andat des Linksblock­s nach Auszählung aller Stimmen wegfallen, könnte es sein, das Löfven darauf mit einem ordentlich­en Forderungs­paket eingeht.

Ansonsten hätte Kristersso­ns Allianz theoretisc­h die Möglichkei­t, sich von der SD dulden zu lassen. Doch sowohl das bürgerlich­e Zentrum als auch die bürgerlich­en Liberalen wollen nicht mit Unterstütz­ung der SD regieren.

Alternativ könnte Kristersso­n alleine mit seinen Moderatern­a als zweitgrößt­er Kraft im Parlament regieren und sich von der SD als auch den bürgerlich­en Parteien, die eine Zusammenar­beit mit der SD ablehnen, dulden lassen. So hätten diese Parteien nicht direkt mit der SD zu tun. Auch könnten die Sozialdemo­kraten alleine regieren und sich mit allen anderen Parteien, bis auf die SD, auf eine wechselwei­se Duldung je nach Sachthema einigen. Grundsätzl­ich ist Schweden Minderheit­sregierung­en gewöhnt.

Neuwahlen scheinen keine wirkliche Alternativ­e zu sein, heißt es einhellig von den schwedisch­en Politikkom­mentatoren. Da hätten zu viele Parteien viel zu verlieren, argumentie­ren sie.

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