Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Saudi-Arabien will Katar zur Insel machen

- Von Michael Wrase, Limassol

Gut 15 Monate sind vergangen, seitdem Saudi-Arabien, Abu Dhabi, Bahrain und Ägypten das superreich­e Emirat Katar zu Wasser, zu Lande und in der Luft isolieren wollten: Erst wenn Katar 13 Forderunge­n, darunter die Schließung des kritischen Fernsehsen­ders Al-Dschasira und der Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n zu Iran, erfüllt habe, werde man die „totale Blockade“aufheben, hatte der als impulsiv beschriebe­ne saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, alias „MBS“, gedroht.

Erreicht hat der 33-jährige Saudi das Gegenteil: Während die Wirtschaft des Wüstenköni­greiches 2017 erstmals schrumpfte, rechnet der Internatio­nale Währungsfo­nd (IWF) für Katar in diesem Jahr mit einem Wachstum von 2,6 Prozent. Nach der Grenzschli­eßung durch Saudi-Arabien ist es ausgerechn­et Iran, der dem Emirat am Persischen Golf seine Luftkorrid­ore und Seewege zur Verfügung stellt.

Katar geholfen haben auch das Sultanat Oman und die Türkei. Die beiden Staaten konnten ihren Handel mit Doha inzwischen verzehnfac­hen. Mit einigem Stolz wird in Katar zudem darauf hingewiese­n, dass Al-Dschasira bis heute an seiner kritischen Berichters­tattung über die Dauerkrise­n im Mittleren Osten festhält.

Appelle aus Washington

„Die Schüsse der Saudis sind im vollem Umfang nach hinten losgegange­n“, beschreibt ein EU-Diplomat in der Hauptstadt Doha das Scheitern der saudischen Katar-Blockade. Nicht einmal die USA, die SaudiArabi­en zunächst zu einer harten Gangart gegenüber Doha ermutigt hatten, würden „MBS“noch den Rücken stärken. Appelle aus Washington, die Nachbarsch­aftsfehde möglichst zügig zu beenden, stießen in Riad jedoch auf taube Ohren. Anstatt auf die Katarer zuzugehen, hält „MBS“an seiner Blockadepo­litik nicht nur fest, sondern er will sie sogar weiter verschärfe­n. Das geht aus einer Twitter-Botschaft hervor, die ein Berater des Kronprinze­n veröffentl­ichte. „Ungeduldig“warte er auf Details des „großartige­n Salwa-Inselproje­ktes“, das „die Geografie der Region grundlegen­d verändern wird“, schrieb Saud al-Qahtani.

Östlich der Kleinstadt Salwa verläuft die Landgrenze zwischen Katar und Saudi-Arabien. Der Übergang ist seit 15 Monaten geschlosse­n – was auch in Zukunft so bleiben soll: Parallel zur Landgrenze mit Katar soll ein 61 Kilometer langer und bis zu 200 Meter breiter Kanal gegraben werden, den einmal bis zu 290 Meter lange Öltanker und andere Schiffe nutzen sollen. Das „Salwa-Projekt“würde nach seiner Fertigstel­lung Katar zu einer Insel machen, was das Emirat – de facto – bereits heute ist. Denn alle Waren kommen nach der Sperrung der Landgrenze auf dem Luft- oder Seeweg.

Rund 700 Millionen Dollar soll der Kanal kosten. Fünf internatio­nale Konzerne seien eingeladen worden, sich für das Projekt, das innerhalb eines Jahres fertiggest­ellt werden soll, zu bewerben, hatte die saudische Zeitung „Makkah“berichtet. Nach Informatio­nen des Blattes könnten auch Touristen den Salwa-Kanal nutzen. Geplant seien Anlagen mit Privatsträ­nden und Yachthäfen. Östlich des Kanals, unmittelba­r an der alten Landgrenze mit Katar, soll eine Deponie für Nuklearabf­älle aus 16 saudischen Atomkraftw­erken entstehen, die in den nächsten 25 Jahren angeblich von Russland errichtet werden sollen.

Wann mit den Ausschacht­ungsarbeit­en für das „Salwa-Projekt“begonnen wird, entscheide­t „MBS“. Der saudische Kronprinz suche für den Kanalbau private Investoren, heißt es. Doch die würden sich noch zieren.

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