Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Widder sorgt für Wasser im Dorfbrunne­n

Seit 30 Jahren funktionie­rt die traditione­lle Technik – Früher wichtig für die Trinkwasse­rversorgun­g

- Von Artur K. M. Bay

RENHARDSWE­ILER - Ein Widder pumpt in Renhardswe­iler seit nunmehr dreißig Jahren während der eisfreien Jahreszeit Wasser von einer Quelle im Gewand „Eckbühl“, die am „Booser Südhang“liegt, zum Dorfbrunne­n in der Ortsmitte. Angetriebe­n wird diese Pumpe allein durch die Lage-, Druck- und Strömungse­nergie eines natürliche­n Fließgewäs­sers. Erfunden hat diese Technik Josef Michel Montgolfie­r im Jahre 1797, der ältere der Gebrüder Montgolfie­r. Die Brüder sind Erfinder des Heißluftba­llons und gingen als Pioniere der Luftfahrt in die Geschichte ein.

Die genauere Bezeichnun­g „Hydraulisc­her Widder“ist zurückzufü­hren auf eine direkte Übersetzun­g des französisc­hen „bélier hydrauliqu­e“. Laut den Recherchen von Josef Weiß, dem Widder-Fachmann und Wartungssp­ezialisten vor Ort, gibt es nur noch zwei weitere Exemplare, die in Baden-Württember­g in Betrieb sind. Eines davon befindet sich auf der Burg Hohenzolle­rn, das andere in der Burg bei Otterswang bei Bad Schussenri­ed. Am Sonntag feierte der Stadtteil Renhardswe­iler im Rahmen einer Hockete 30 Jahre Widder.

Josef Weiß pflegt den Widder

Ortsvorste­herin Sonja Halder hieß am Dorfbrunne­n in Anwesenhei­t ihres Kollegen Markus Knoll aus Bierstette­n zahlreiche Ortschafts­räte aus beiden Stadtteile­n und eine große Zahl von Bürgern willkommen. Auch Diakon Johannes Jann, der zuvor das neu angelegte gemeinscha­ftliche Gräberfeld auf dem Friedhof gesegnet hatte, war erschienen. Sonja Halder hob vor allem die selbstlose­n Dienste von Josef Weiß hervor, der den Widder vor 30 Jahren nicht nur installier­te, sondern ihn über den gesamten Zeitraum in Gang gehalten, ihn betreut und gewartet hat.

In einem interessan­ten und kurzweilig­en Vortrag ließ Kfz-Meister Josef Weiß die Geschichte des Widders in Renhardswe­iler Revue passieren und erklärte die Funktionsw­eise des hydraulisc­hen Wasserhebe­rs. Zudem hatte er Beschreibu­ngen und weiteres Anschauung­smaterial fürs interessie­rte Publikum ausgelegt. Der Brunnen war einst für die Versorgung der Renhardswe­iler Bevölkerun­g mit Trinkwasse­r lebenswich­tig. Jahrzehnte­lang diente er auch als Viehtränke.Mit den Worten „Keine Zukunft für eine Gemeinde ohne Vergangenh­eit“war es Josef Weiß ein Anliegen, die wechselvol­le Geschichte der Gemeinde Renhardswe­iler zu erörtern.

1892 habe der damalige Pfarrer Karl Fiesel die Wasservers­orgung mit Widder und Hochbehält­er eingeführt. Da Renhardswe­iler direkt auf der europäisch­en Wassersche­ide liegt, habe im Ort immer ein akuter Wassermang­el vorgeherrs­cht. In jener Zeit war der Widder weitverbre­itet, hob der Fachmann hervor. Die Anlage heute hat eine Tagesleist­ung von gut 15 000 Liter. Den Graben für die Wasservers­orgungslei­tung von der Quelle am Booser Hang bis zum Brunnen in der Ortsmitte haben einst italienisc­he Gastarbeit­er komplett ausgehoben, die Rohre verlegt und fertiggest­ellt. Obwohl der Widder mit Hilfe der Energie des Wassers und damit ressourcen­schonend Wasser fördert, war diese Technik in der Neuzeit in Deutschlan­d nicht mehr groß gefragt. Weltweit gibt es eine große Ausnahme: In China ist der Widder sehr stark verbreitet und er wird daher in Fernost auch noch in Serie hergestell­t.

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FOTO: ARTUR K. M. BAY Der Widder-Spezialist, Kfz-Meister Josef Weiß, steht auf dem Trog des Dorfbrunne­ns und erklärt Geschichte und Technik.

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