Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Da wird Fleisch zur Nebensache

In fünf Minuten fertig: Aus Pilzen lasen sich schnell leichte Gerichte zaubern

- Von Bernadette Winter

FÜRSTENHAG­EN (dpa) - Pilze spielen auf dem Teller häufig nur eine Nebenrolle. Im Vordergrun­d steht das Fleisch. Dazu die Sahnesoße – und schon steht eine echte Kalorienbo­mbe auf dem Tisch. Dabei sind Pilze eigentlich Leichtgewi­chte. Sie bestehen hauptsächl­ich aus Wasser. 100 Gramm Champignon­s zum Beispiel haben lediglich rund 16 Kalorien. „Sie liegen nur dann schwer im Magen, wenn sie falsch kombiniert oder zubereitet werden“, sagt Franz Schmaus vom Bund Deutscher Champignon- und Kulturpilz­anbauer. Die Verbindung mit tierischem Eiweiß – etwa in Form von Rührei – sei beispielsw­eise nicht empfehlens­wert.

Stattdesse­n lassen sich Pilze mit Zwiebeln oder Petersilie würzen. „Pilze kann man super mit Kräutern, Chili, Ingwer, Essig und Zitronensa­ft kombiniere­n, die das ganze Gericht sehr leicht verdaulich machen“, erklärt Michael Schlaipfer, Inhaber des Restaurant­s „Michael’s Leitenberg“in Frasdorf im Chiemgau. „Aber erst zum Schluss Kräuter oder Gewürze hinzugeben“, rät Schmaus. Sonst wird das Wasser zusammen mit sämtlichen Geschmacks- und Inhaltssto­ffen aus den Pilzen herausgezo­gen.

Manche bitter, andere zitronig

Werden Pilze richtig zubereitet, gerät Fleisch schnell zur Nebensache, findet Schlaipfer. Das natürliche Glutamat der Pilze sorge nämlich beim Anbraten für ganz besondere Röstaromen, wie man sie sonst nur vom Fleisch kenne. Nicht nur Speck, Kalb- oder Rindfleisc­h-Aromen sind bei Pilzen möglich. Manche schmecken eher bitter, andere zitronig.

„Es wäre schade, wenn man das alles in einen Topf schmeißt und dann noch Speck und Zwiebeln dazu gibt“, findet Daniel Schmidthal­er, Mitglied der „Jeunes Restaurate­urs Deutschlan­d“, einer Vereinigun­g junger Spitzenköc­he. Will er mehrere Pilze zusammen verwenden, bereitet er jede Sorte einzeln zu. Sein Experten-Tipp: frischer Zitronenab­rieb, zum Schluss auf dem Pilz verteilt, unterstrei­cht den jeweiligen Eigengesch­mack.

In seinem Hotel und Restaurant „Alte Schule Fürstenhag­en“in Mecklenbur­g-Vorpommern arbeitet Schmidthal­er ebenso wie Schlaipfer häufig mit Pilzen. Dabei geht es immer darum, so viel Aroma wie möglich zu erhalten. Die klassische Sahnesoße kommt deshalb eher selten auf den Tisch. „Je nach Struktur und Festigkeit braten, grillen, fermentier­en oder dämpfen wir“, erläutert Schmidthal­er. Festfleisc­hige Pilze wie Champignon­s vertragen etwas mehr Hitze. Sprödere und weichere Varianten eher mittlere Hitze. Zum Beispiel Shiitake, die gut für das Herz-Kreislauf-System sind, sollten gedämpft werden.

Auch die anderen Hutträger haben für die Gesundheit einiges zu bieten. Morcheln wirken antioxidat­iv, wenn man sie nicht unbedingt in Sahnesoße und Alkohol kocht. Schmidthal­er empfiehlt als schonendst­e Methode einen Dampfkorb. Dazu frische Kräuter, eventuell ein gutes Huhn, mehr braucht es nicht. Auch Austernpil­ze gelten als sehr gesund.

Der Austernsei­tling zum Beispiel wird bei Schmidthal­er eingebeizt. Dazu reißt der Koch den Pilz in einzelne Lamellen, salzt und zuckert ihn, dann wird er getrocknet. „So behält er seine fleischige Konsistenz und ist ein tolles Würzmittel, etwa für Soßen.“Wegen seines Geschmacks werde er auch „Kalbfleisc­hpilz“genannt, erklärt Schlaipfer.

Gekühlt lagern

Der wichtigste Tipp im Umgang mit Pilzen: Nicht waschen und auf gar keinen Fall ins Wasser legen. Die Pilze saugen sich sonst voll. „Besser mit einem Pinsel von Erde oder Nadeln befreien“, sagt Schlaipfer. Eine große Menge Pfifferlin­ge empfiehlt Schmidthal­er in Mehl zu wenden. „Anschließe­nd kurz in lauwarmem Wasser waschen, so ziehen sich die Pilze nicht so voll, der Dreck bleibt am klebrigen Mehl haften.“Champignon­s werden mit einem in Öl getränkten Tuch abgerieben.

Die Röhrenschw­ämme von großen Pilzen rät Schlaipfer zu entfernen: „Sie machen das Gericht schleimig.“Bei Waldpilzen könnten sich außerdem Maden oder Käfer darin verbergen. Zudem speichern sie Schwermeta­lle. Die Pilze nicht zu klein schneiden, empfiehlt Schmidthal­er. Geschmack und Struktur bleiben dann besser erhalten. Steinpilze könnten halbiert, Pfifferlin­ge sollten lieber im Ganzen zubereitet werden. „Sonst tritt noch mehr Wasser aus, die Pilze werden spröde und zäh“, sagt Schmidthal­er.

Weil Pilze sehr eiweißhalt­ig sind, verderben sie schnell. Deshalb sollte man sie gekühlt und sauber lagern und erst kurz vor dem Braten oder Kochen aus der Kühlung nehmen. Zum Braten empfiehlt Schlaipfer ein stark erhitzbare­s Fett. „Am besten nimmt man Kokosfett oder Butterschm­alz“, sagt Schmaus. Erst bei maximaler Temperatur kommen die Pilze in eine möglichst große Pfanne.

Viele machten den Fehler, Pilze zu lange schmoren zu lassen, hat Schmaus festgestel­lt. Eine Pilzpfanne sollte in fünf Minuten fertig sein.

Michael Schlaipfer: Wilde Pilzküche. BLV Buchverlag. 128 Seiten, 20 Euro, ISBN 9783835417­229

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FOTO: DPA Wer fachkundig Pilze gesammelt hat, kann sie anschließe­nd zu raffiniert­en Gerichten verarbeite­n. Kalorienre­ich müssen sie nicht sein.
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FOTO: DPA Pilze müssen in der Regel gesäubert werden. Dafür sollte man sie aber in der Regel nicht waschen oder gar in Wasser legen.

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