Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Merkel droht eine schwere Schlappe

Wird Fraktionsc­hef Kauder abgewählt, kann das die nächste Krise auslösen

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Gibt es am heutigen Dienstag die faustdicke Überraschu­ng, gar eine Sensation? Hochspannu­ng bei den Abgeordnet­en von CDU und CSU im Deutschen Bundestag. Gelingt es Ralph Brinkhaus als Außenseite­r, Unionsfrak­tionschef Volker Kauder abzulösen, wäre dies eine schwere Schlappe für Kanzlerin Angela Merkel. Brinkhaus’ Kampfansag­e gegen ihren Vertrauten Kauder kommt für die CDU-Chefin zur Unzeit. Gerade erst hat die Große Koalition ihren heftigen Streit um den Fall Maaßen beigelegt. In zwei Wochen wird in Bayern gewählt, danach in Hessen. Da würde der Sturz Kauders gegen den Willen Merkels und auch den von CSU-Chef Horst Seehofer für neue Unruhe sorgen.

Alle Versuche, den 50-jährigen Fraktionsv­ize von seiner Kampfkandi­datur abzubringe­n, waren gescheiter­t. Finanz- und Haushaltse­xperte Brinkhaus bleibt bei seiner Kandidatur, rechnet sich gute Chancen aus. „Meine Kandidatur ist ein alternativ­es Angebot an die Kolleginne­n und Kollegen in der Fraktion“, wirbt der Westfale aus Rheda-Wiedenbrüc­k in eigener Sache. „Es geht darum, der Unionsfrak­tion neue Ideen zu geben“, sagt Brinkhaus. Er will einen Neustart nach 13 Jahren der Ära Kauder. Kritik an seiner Bewerbung weist er zurück. „Das ist keine Kampfkandi­datur, sondern ein normaler demokratis­cher Wettbewerb“, sagt der Herausford­erer.

In den Reihen der Unionsfrak­tion sieht man das anders. „Auf Kauder zielen und Merkel treffen“, heißt es da. Verliert Merkel ihren „Zuchtmeist­er“, der die Unionsabge­ordneten im Zaum hält, Mehrheiten für die Regierungs­chefin organisier­t, wird das Regieren in ihrer wohl letzten Legislatur­periode ungleich schwierige­r. CDU-Rebell Brinkhaus will auf Geschlosse­nheit setzen, die Fraktion im Falle seiner Wahl zusammenfü­hren und Gräben überwinden.

Amtsinhabe­r Kauder gibt sich gelassen und optimistis­ch. Doch die Chaostage der Regierung im Fall Maaßen könnten dem Außenseite­r Brinkhaus noch einen Schub geben. Schließlic­h ist auch in den Reihen der Unionsfrak­tion der Unmut über das Krisenmana­gement groß.

Trotzdem rechnet man in der Unionsfrak­tion nicht ernsthaft mit einer Überraschu­ng, räumt dem Außenseite­r aber Chancen auf einen Achtungser­folg ein. Wenige Wochen vor den Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen wollten die Abgeordnet­en keinen Aufstand mehr proben, hieß es zuletzt. Nach dem heftigen Streit in der Koalition über Maaßen sollten weitere Auseinande­rsetzungen und Unruhe in der Fraktion vor den Landtagswa­hlen unbedingt vermieden werden, so die einhellige Meinung der Spitzen von CDU und CSU.

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