Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Merkel droht eine schwere Schlappe
Wird Fraktionschef Kauder abgewählt, kann das die nächste Krise auslösen
BERLIN - Gibt es am heutigen Dienstag die faustdicke Überraschung, gar eine Sensation? Hochspannung bei den Abgeordneten von CDU und CSU im Deutschen Bundestag. Gelingt es Ralph Brinkhaus als Außenseiter, Unionsfraktionschef Volker Kauder abzulösen, wäre dies eine schwere Schlappe für Kanzlerin Angela Merkel. Brinkhaus’ Kampfansage gegen ihren Vertrauten Kauder kommt für die CDU-Chefin zur Unzeit. Gerade erst hat die Große Koalition ihren heftigen Streit um den Fall Maaßen beigelegt. In zwei Wochen wird in Bayern gewählt, danach in Hessen. Da würde der Sturz Kauders gegen den Willen Merkels und auch den von CSU-Chef Horst Seehofer für neue Unruhe sorgen.
Alle Versuche, den 50-jährigen Fraktionsvize von seiner Kampfkandidatur abzubringen, waren gescheitert. Finanz- und Haushaltsexperte Brinkhaus bleibt bei seiner Kandidatur, rechnet sich gute Chancen aus. „Meine Kandidatur ist ein alternatives Angebot an die Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion“, wirbt der Westfale aus Rheda-Wiedenbrück in eigener Sache. „Es geht darum, der Unionsfraktion neue Ideen zu geben“, sagt Brinkhaus. Er will einen Neustart nach 13 Jahren der Ära Kauder. Kritik an seiner Bewerbung weist er zurück. „Das ist keine Kampfkandidatur, sondern ein normaler demokratischer Wettbewerb“, sagt der Herausforderer.
In den Reihen der Unionsfraktion sieht man das anders. „Auf Kauder zielen und Merkel treffen“, heißt es da. Verliert Merkel ihren „Zuchtmeister“, der die Unionsabgeordneten im Zaum hält, Mehrheiten für die Regierungschefin organisiert, wird das Regieren in ihrer wohl letzten Legislaturperiode ungleich schwieriger. CDU-Rebell Brinkhaus will auf Geschlossenheit setzen, die Fraktion im Falle seiner Wahl zusammenführen und Gräben überwinden.
Amtsinhaber Kauder gibt sich gelassen und optimistisch. Doch die Chaostage der Regierung im Fall Maaßen könnten dem Außenseiter Brinkhaus noch einen Schub geben. Schließlich ist auch in den Reihen der Unionsfraktion der Unmut über das Krisenmanagement groß.
Trotzdem rechnet man in der Unionsfraktion nicht ernsthaft mit einer Überraschung, räumt dem Außenseiter aber Chancen auf einen Achtungserfolg ein. Wenige Wochen vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen wollten die Abgeordneten keinen Aufstand mehr proben, hieß es zuletzt. Nach dem heftigen Streit in der Koalition über Maaßen sollten weitere Auseinandersetzungen und Unruhe in der Fraktion vor den Landtagswahlen unbedingt vermieden werden, so die einhellige Meinung der Spitzen von CDU und CSU.