Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Akkorde hämmern bei Verfolgungsjagd
Stummfilm-Konzert mit Pianisten Stephan Graf von Bothmer – Viele Slapstickmomente
BAD SAULGAU - Beim Tonkunst-Festival hat am vergangenen Mittwoch einer der angesagtesten StummfilmPianisten Deutschlands, Stephan Graf von Bothmer, einen Abend geboten, der furioses Klavierspiel und Filmszenen zu einem Kunstgenuss der besonderen Art vereinte. Auf dem Programm standen Stan Laurel und Oliver Hardy in der Komödie „Blue Boy“sowie Buster Keatons Meisterwerk „Der General“.
Wie wird der Lichthof im Alten Kloster wohl zum Kino, mag sich mancher Besucher gefragt haben, als er die Eintrittskarte zum StummfilmAbend löste. Kein Problem für Stephan Graf von Bothmer, der eine riesige Leinwand auf der Bühne errichtet und den Fazioliflügel mit einem Laptop bestückt hatte. So konnte er exakt verfolgen, welche Szenen über die Leinwand flimmerten und diese mit den passenden Tonfolgen unterlegen. Der Pianist hat die Begleitmusik zu einer großen Zahl von Stummfilmen selbst komponiert, was ihm die Möglichkeit gibt, je nach Tagesform neue Schwerpunkte zu setzten. Mal hämmerten die Akkorde bei einer Verfolgungsjagd, mal variierten Lautstärke, Tonhöhe und Intensität in Spannungsmomenten oder zartem Liebesgeplänkel.
Nur Kopien existieren
Selbst Slapstickmomente, die im Publikum für Gelächter sorgten, umrahmte er mit humorvoll anmutender Fingerakrobatik. Am Beginn des Abends standen einige Erläuterungen zum Thema Stummfilm. So sind heute keinerlei Originalfilmstreifen mehr vorhanden. Es existieren lediglich Kopien, von denen der Pianist wichtige Exemplare retten konnte. Denn, so vermerkte er mit kritischem Unterton, selbst das Deutsche Bundesarchiv für Filme vernichte regelmäßig Originale wie Kopien.
Um zu zeigen, wie ein Kinoabend zur Stummfilmzeit ablief, blendete von Bothmer einen Vorspann von 1912 ein, in dem die Firma Beiersdorf ihre Zahnpasta „Pebeco“empfahl. Begleitet von Hammerakkorden aus Richtung des Pianos zerstörte ein wüster Teufel einen Backenzahn, bevor ihn die Zahncreme unschädlich machte. Im Anschluss folgte gewöhnlich ein Trailer, der mit kurzer Szene einen weiteren Film bewarb. Hier war es eine urkomische Situation aus dem Film „Safety last“mit Harold Lloyd in der Hauptrolle.
Aus der Ära Stan Laurel und Oliver Hardy alias Dick und Doof stammte eine Verwechslungskomödie, bei der die beiden alle Register ihres Könnens in Sachen Pleiten, Pech und Pannen zogen. Im Mittelpunkt standen ein Bild mit dem Titel „Blue Boy“sowie ein Pferd gleichen Namens. Da das Gemälde seinem Besitzer abhanden gekommen war, setzte er für dessen Wiederbeschaffung eine Belohnung aus. Klar, dass Stan und Olli sich diese unter den Nagel reißen wollten, zumal sie als Stallburschen einen „Blue Boy“, nämlich besagten Hengst, zur Hand hatten. Klar auch, dass an Stelle des Bildes schließlich Blue Boy der Vierbeiner auf dem Klavier des fürstlichen Hauses thronte und die beiden Unglücksraben die Fliege machten.
Mit dem Film „Der General“folgte eine Hommage an Buster Keaton, den wohl genialsten Schauspieler und Regisseur der Stummfilm-Ära. Die Handlung spielt zur Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs nahe dem Rock River, einem historisch verbürgten Ort eines Überfalls. Gezeigt wird die Geschichte des Lokomotivführers Johnny Gray, dessen Lok „Der General“von Mitgliedern der Unionstruppen aus den Nordstaaten entführt wird. Nach einer Verfolgungsjagd erkämpft sich Johnny nicht nur seine Lok zurück sondern auch die Liebe der angebeteten Annabelle. Die Herstellung des Films verschlang zu damaliger Zeit horrende Summen, fiel aber bei Publikum wie Kritikern durch. Erst um 1950 wurde der Film wiederentdeckt und gilt heute nicht nur als Meisterwerk Buster Keatons, sondern auch als eine der besten Komödien.