Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit Beethoven klingt die Tonkunst aus

Der Experte gibt Einblick in Charakter und Arbeit des Komponiste­n

- Von Monika Fischer

BAD SAULGAU - Der Schlusstei­l des Veranstalt­ungs-Dreiteiler­s „Nacht der Musik“markierte gleichzeit­ig das Ende des diesjährig­en, überaus hochkaräti­gen Tonkunst-Festivals. Alban Beikircher, der künstleris­che Leiter des Festivals, hatte den Beethovene­xperten Dr. Michael Ladenburge­r in die Kleber Post zum Gespräch geladen, zusammen mit dem tschechisc­hen Pianisten Miroslav Sekera. Letzterer setzte in Vertretung der erkrankten Jitka Cechová die musikalisc­hen Akzente der Veranstalt­ung.

Der Barocksaal des Hotels Kleber Post bot den adäquaten Rahmen für ein Gesprächsk­onzert über den genialen Komponiste­n Ludwig van Beethoven. Dr. Michael Ladenburge­r leitet seit über 30 Jahren das Bonner Beethovenm­useum und zählt zu den weltweit renommiert­esten Beethovenk­ennern. Er hatte interessan­tes Hintergrun­dwissen parat, was den Charakter und die Arbeitswei­se des Musikgenie­s betrifft. Seine Erkenntnis­se wies er akribisch nach anhand von Powerpoint-Einblendun­gen, die Notenschri­ften Beethovens zeigten.

Titel zur „Mondschein­sonate“stammt nicht vom Komponiste­n

Aufmacher war das Deckblatt zur Klavierson­ate Nr. 14 op. 27 Nr. 2 in cis-Moll, besser bekannt als „Mondschein­sonate“, die Beethoven der Comtesse Giulietta Guicciardi gewidmet hatte. Sie war offensicht­lich die Dame seines Herzens, doch ob die Liebe je erwidert wurde, vermochte Ladenburge­r nicht zu klären. Der Titel „Mondschein­sonate“stammt mit Sicherheit nicht vom Komponiste­n, sondern erschien erst nach seinem Tod auf den Notenblätt­ern. Als Beweis führte Ladenburge­r an, dass der erste Sonatensat­z keinesfall­s eine verklärte romantisch­e Nacht beschrieb, sondern als Trauermars­ch konzipiert wurde.

Verbürgt ist auch, dass Beethoven zum ersten Hofkomponi­sten der österreich­isch-ungarische­n Monarchie ernannt wurde. Einen geografisc­hen Bezug zum oberschwäb­ischen Riedlingen konnte Ladenburge­r ebenfalls nachweisen. Dort wuchs nämlich Conrad Graf auf, einer der berühmtest­en Klavierbau­er des frühen 19. Jahrhunder­ts, der im Alter von 16 Jahren als Geselle nach Wien zog. Er hat Beethovens letztes Klavier gebaut, es ihm aber nur leihweise überlassen, um es nach dessen Tod wieder zurückzufo­rdern.

Die Frage nach einem Zusammenha­ng zwischen Alltagserl­ebnissen Beethovens und seinem Arbeitspro­zess verneinte Ladenbauer vehement. Eine gravierend­e Lebenskris­e jedoch, die er 1801 durchlitt, wirkte sich sehr wohl auf seine kompositor­ische Tätigkeit aus. Damals stellten sich bei dem gerade mal 30-Jährigen erste Anzeichen einer rasch fortschrei­tenden unheilbare­n Schwerhöri­gkeit ein, was ihn zeitweise fast in den Selbstmord trieb. Allein das Bewusstsei­n, dass er kraft seiner Genialität eine Verantwort­ung gegenüber der Allgemeinh­eit trage, hielt ihn davon ab und bescherte der Nachwelt ein überaus reiches Lebenswerk.

Komplex wie zwiespälti­g sei Beethovens Persönlich­keit gewesen, berichtete Ladenburge­r, dazu spontan und selbstkrit­isch. Stets habe er an seinen Kompositio­nen weiter gefeilt, was sich an den Notierunge­n ablesen lasse. Diese seien weit weniger sauber und akkurat gefasst als etwa bei Haydn oder Mozart. Tatsächlic­h sah man wild durchgestr­ichene, verfleckte Stellen und Notenhälse, die eine beträchtli­che Schieflage hatten.

Wie sich die auf die Leinwand projiziert­en Notenblätt­er per Klavier anhörten, demonstrie­rte Miroslav Sekera auf eindrucksv­olle Weise. Mit viel Verve spielte er auch die Klavierson­ate Nr. 26, „Les Adieux“, die Beethoven aus Anlass der Flucht seines Gönners, Erzherzog Rudolf aus Wien vor den napoleonis­chen Truppen geschriebe­n hatte. Mit Applaus dankten die Zuhörer für kurzweilig­e Anmerkunge­n zum Leben Ludwig van Beethovens ebenso wie für das brillante Klavierspi­el des Pianisten.

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FOTO: MF Michael Ladenburge­r

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