Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

So offen wie nie zuvor

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Noch nie in der Geschichte Bayerns ist eine Wahl so offen und mit so vielen Unwägbarke­iten verbunden wie dieses Mal. Es scheint, als habe ein Drehbuchau­tor seiner Fantasie freien Lauf lassen dürfen, ohne auch nur eine Regel beachten zu müssen. Von einem Spannungsb­ogen kann keine Rede sein, es gibt keine Erholungsp­hasen, die Erwartunge­n steigen bei den einen fiebrig nach oben, bei den anderen drohen tiefe Depression­en.

Niemand weiß tatsächlic­h, wohin die Reise geht. Auch am Sonntag nach der ersten Prognose Punkt 18 Uhr werden die Streiterei­en zwischen den Parteien nicht beendet sein. Die künftigen Mehrheitsv­erhältniss­e dürften eher für weiteren Zwist sorgen. Sicher scheint nur eines, die CSU wird trotz einer hervorrage­nden Bilanz in Sachen Wachstum und Vollbeschä­ftigung die absolute Mehrheit deutlich verlieren.

Im bayerische­n Landtag, in dem die Christsozi­alen schon Mehrheiten von über 60 Prozent gefeiert haben, könnten demnächst sogar sieben Parteien sitzen. Ganz kühne unter den Strategen spielen sogar eine Regierungs­bildung ohne CSU durch. Dass es dazu kommen könnte, ist wahrschein­lich selbst für den anfangs erwähnten Drehbuchau­tor ein Handlungss­trang zu viel, aber die Grünen stellen der CSU bereits Bedingunge­n für ein schwarz-grünes Bündnis. Mit Verlaub: Das war noch vor wenigen Monaten undenkbar.

Die CSU werde ab Montag sehr viel Klärungsbe­darf haben, erklärte die SPD-Bundesvors­itzende Andrea Nahles. Das mag stimmen, erinnert aber auch an das berühmte Pfeifen im Walde, denn die Genossen ängstigen sich ebenfalls vor einer historisch­en Niederlage. Die Gefahr besteht, dass die SPD unter zehn Prozent rutscht.

Die SPD als Kleinparte­i, die CSU massiv gebeutelt – kommt es so, ist es auch mit der Autorität der Parteichef­s Nahles und Seehofer nicht mehr weit her. Dann gilt fernab von den bayerische­n Empfindsam­keiten: Die Große Koalition überzeugt immer weniger Menschen und die sie tragenden Parteien werden abgestraft, inklusive der Kanzlerin.

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