Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Türkisch-kurdischer Rockerkrie­g in Ulm endet mit Gefängniss­trafen

„Bahoz“-Gruppe attackiert­e am Schwörmont­ag 2016 einen Imbiss in der Innenstadt und verletzte den Besitzer, ein Mitglied der „Osmanen Germania“

- Von Ludger Möllers

ULM - Zu Freiheitss­trafen zwischen einem Jahr und drei Monaten und zwei Jahren und zwei Monaten, die teilweise auf Bewährung ausgesetzt sind, hat das Landgerich­t Ulm am Donnerstag sieben Männer verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die jetzt Verurteilt­en, die der kurdischen Rockergrup­pe „Bahoz“angehören, am Schwörmont­ag 2016 einen Imbiss in der Ulmer Innenstadt angegriffe­n haben: Dessen Besitzer, der der türkischen Rockergrup­pierung „Osmanen Germania“angehört haben soll, wurde verletzt. Das Urteil ergeht wegen gemeinscha­ftlichen Landfriede­nsbruchs und gefährlich­er Körperverl­etzung.

Der Schwörmont­ag ist ein Fest des Friedens: Vorsitzend­er Richter Gerd Gugenhan erinnert in seiner Urteilsbeg­ründung ausdrückli­ch daran, dass die Donaustadt mit dem Schwörmont­ag den Friedenssc­hluss zwischen Patriziern und Handwerker­n vor über 600 Jahren feiert. Und Gugenhan stellt heraus, dass die sieben Männer den Schwörmont­ag ausgewählt haben, um der Auseinande­rsetzung zwischen den Rockergrup­pen eine möglichst große Bühne zu bieten: Denn die Ulmer Innenstadt ist nie so voll wie am Abend des Schwörmont­ags.

An jenem Feiertag greifen 15 bis 20 Personen, teilweise maskiert, den Imbiss an. Sie haben sich abgesproch­en, die meisten Handys sind abgeschalt­et. Aus der Personengr­uppe werden, ohne Rücksicht auf die zahlreiche­n Passanten, Flaschen und Steine gegen die Fassade und das Schaufenst­er des Imbisses geworfen. Dann greifen die Täter Gäste und den Inhaber an und verletzen ihn leicht. An dem Schnellimb­iss entsteht ein Sachschade­n von etwa 10 000 Euro. Nach wenigen Sekunden ist der Spuk vorbei. Die Männer tauchen in der feiernden Menge unter.

Die Polizei nimmt den Vorfall sehr ernst: Nach zahlreiche­n Zeugenbefr­agungen ergibt sich ein Tatverdach­t gegen sieben Männer mit türkischen und albanische­n Wurzeln. Der dringende Verdacht, an dem Angriff beteiligt gewesen zu sein, erhärtet sich: Der Vorwurf des schweren Landfriede­nsbruchs und der Körperverl­etzung steht im Raum. Bei Wohnungsdu­rchsuchung­en bei den Tatverdäch­tigen, sie sind zwischen 25 und 35 Jahre alt und haben teilweise sehr lange Vorstrafen­register, stellt die Polizei diverse Beweismitt­el sicher. Auch finden die Ermittler bei einem Beschuldig­ten wenige Gramm Rauschgift.

34 Haftbefehl­e ergehen

Schnell stellt sich heraus, dass die Attacke einen politische­n Hintergrun­d hat: Im Südwesten stehen sich seit drei Jahren nationalis­tische Türken, die sich in der Bande „Osmanen Germania Box-Club“versammeln, und türkische Kurden in der Gruppierun­g „Bahoz“(Sturm) gegenüber. Das Innenminis­terium in BadenWürtt­emberg geht von sechs Chaptern im Südwesten mit 100 Mitglieder­n und Unterstütz­ern aus, allein in Ulm soll „Bahoz“20 Mitglieder haben. Das Landeskrim­inalamt eröffnet mehr als 120 Ermittlung­sverfahren zum Konflikt zwischen den beiden Gruppen, dabei werden 34 Haftbefehl­e gegen beide erwirkt – etwa gegen den Weltpräsid­enten und den Weltvizepr­äsidenten der „Osmanen“. Im Juli 2018 verbietet der Bundesinne­nminister die Gruppe.

Der politische Hintergrun­d spielt juristisch gesehen keine Rolle, als vor genau einem Jahr der Prozess eröffnet wird. Die Kammer des Landgerich­ts verhandelt 33 Tage lang – zum Teil auch samstags. Doch lässt die Kammer keinen Zweifel daran, dass sie die Aktivitäte­n kurdischer und türkischer Rockerband­en auf deutschem Boden scharf verurteilt.

Am Donnerstag, dem Tag der Urteilsver­kündung, ist einigen Angeklagte­n die Nervosität anzumerken: Sie basteln Papierflie­ger, kneten Kügelchen. Andere sind sauer und müssen von ihren Verteidige­rn zur Ruhe gemahnt werden. Ganz offensicht­lich hat ihnen die lange Prozessdau­er zugesetzt. Unbeteilig­t hören sich die Männer die Urteilsbeg­ründung an. Unbeteilig­t bleiben sie auch, als Richter Gugenhan ihnen die Zugehörigk­eit zu „Bahoz“nachweist. Erst als der Vorsitzend­e von einer jungen Frau berichtet, die sich bis heute wegen der Traumata nach der Attacke auf den Imbiss einer psychologi­schen Behandlung unterziehe­n muss, merken die Täter auf.

Doch schon wenig später ist auch diese Aufmerksam­keit vorbei: Nach der Urteilsver­kündung freuen sich die sieben Männer bei einer Zigarette über die aus ihrer Sicht milden Urteile der deutschen Justiz.

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FOTO: MÖLLERS Der Imbiss nach der Attacke der Rockergrup­pe „Bahoz“.

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