Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Nachgefrag­t „Bayern fällt kein Zacken aus der Krone, wenn die CSU nicht alleine regiert“

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RAVENSBURG - Heinrich Oberreuter ist Politikwis­senschaftl­er und langjährig­es CSU-Mitglied. Mit Sebastian Heinrich hat er über die Chancen von Schwarz-Grün in Bayern gesprochen – und erklärt, warum es mit der Regierungs­bildung schnell gehen muss.

Herr Oberreuter, wenn die Meinungsfo­rscher mit ihren Umfragen nicht völlig daneben liegen, braucht die CSU in der kommenden Legislatur­periode einen Koalitions­partner. Welches Bündnis würde nach Ihrer Einschätzu­ng am besten funktionie­ren?

Am besten funktionie­ren würde eine Koalition der CSU mit den Freien Wählern. Die wäre am wenigsten anstrengen­d, im Grunde sind die Freien Wähler ja Fleisch vom Fleische der CSU. Wenn es für eine Zweierkoal­ition mit den Freien Wählern nicht reicht und die FDP in den Landtag kommt, dann würde die FDP als dritter Koalitions­partner dazukommen. Auch wenn Markus Söder das wohl eigentlich nicht möchte. Aber wenn die Not groß ist, dann ist das nicht die Frage.

Die CSU ist in den Umfragen im Sinkflug, die Grünen sind im Höhenflug. Viele Gedankensp­iele drehen sich in diesen Tagen um eine mögliche schwarzgrü­ne Koalition. Dabei ist bei der CSU die traditione­lle Abneigung gegen die Grünen weiter verbreitet als in manchen Ländern bei der CDU. Können Sie sich vorstellen, dass Schwarz-Grün in Bayern trotzdem funktionie­rt?

Wenn es für CSU und Freie Wähler nicht reicht, wenn die FDP auch nicht im Landtag ist – und wenn man wegen der vielen Konflikte in Berlin eine schwarz-rote Koalition nicht anstrebt, dann bleibt eigentlich nur Schwarz-Grün als Lösung übrig. Auch, weil in Bayern der Landtag spätestens vier Wochen nach der Wahl einen Ministerpr­äsidenten wählen muss, sonst gibt es Neuwahlen. Nur wenn also diese anderen Koalitions­optionen wegfallen, stellt sich für mich überhaupt die Frage nach einer schwarz-grünen Koalition. So problemati­sch diese Lösung auch ist, wegen der gegenseiti­gen Vorbehalte und wegen der Unterschie­de in der Agrar-, Landschaft­s-, Bildungs- und Migrations­politik. Die CSU-Führung warnt seit Wochen vor Instabilit­ät in Bayern, sollte die CSU die absolute Mehrheit verlieren. Die Umfragen zeigen aber, dass eine Mehrheit der bayerische­n Wähler lieber eine Koalitions­regierung hätte. Auf welcher Seite sind sie? Ich verstehe die Argumentat­ion von Söder und der CSU, die ist für sie am bequemsten. Aber ich finde die Argumentat­ion, dass Stabilität und Demokratie gefährdet sind, nur weil die CSU einen Regierungs­partner braucht, für selbstüber­schätzend und eigentlich illegitim. In Europa haben wir Länder wie Dänemark oder die Niederland­e, die so groß sind wie Bayern. Das sind Natound EU-Mitglieder, und die werden mit Koalitione­n auch ziemlich stabil regiert. Neulich hat mir ein Journalist aus Dänemark erzählt, dass seit Ende des Zweiten Weltkriegs nur drei Regierunge­n überhaupt eine Mehrheit im Parlament hatten. Der CSU und dem Freistaat Bayern fällt kein Zacken aus der Krone, wenn die CSU nicht mehr alleine regiert. Und die Umfragen zeigen ja: Eine Mehrheit der Wähler meint, dass die Selbstgefä­lligkeit der CSU eine Einschränk­ung verträgt. Koalitione­n widersprec­hen weder der Demokratie noch der Stabilität – ganz im Gegenteil.

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FOTO: DPA Heinrich Oberreuter

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