Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Umstritten­es Milliarden­paket für Familien

Mehr Kindergeld und höhere Freibeträg­e – Opposition spricht von Mogelpacku­ng

- Von Markus Sievers

BERLIN - Zehn Milliarden Euro mehr vor allem für Familien – mit einem großen Entlastung­spaket will die Regierung einen Teil der Überschüss­e in den Staatskass­en an die Bürger weiterreic­hen. Doch die Reform mit einer Aufstockun­g des Kindergeld­es und der Kinderfrei­beträge geht den Opposition­sparteien nicht weit genug. Sie sprechen bei der ersten Beratung des Gesetzes im Parlament von einer Mogelpacku­ng und einem Marketing-Gag.

Die Entlastung: Die Koalition will durch das „Gesetz zur steuerlich­en Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlich­er Regelungen“knapp zehn Milliarden Euro verteilen. So soll das Kindergeld um zehn Euro je Kind und Monat erhöht werden. Der steuerlich­e Kinderfrei­betrag steigt 2019 und 2020 um jeweils 192 Euro – auf zunächst 7620 Euro und dann 7812 Euro. Der Grundfreib­etrag für Erwachsene wird in zwei Schritten von aktuell 9000 Euro auf 9168 Euro und 9408 Euro aufgestock­t. Zudem geht die Regierung gegen die kalte Progressio­n, also die schleichen­de Steuererhö­hung allein durch die Inflation, vor. Dafür verschiebt sie die Steuersätz­e, sodass die jeweiligen Tarife künftig erst bei etwas höheren Einkommen greifen. Dies soll die inflations­bedingten Mehrbelast­ungen ausgleiche­n. Dabei unterstell­t das Finanzmini­sterium, dass die Preise im nächsten Jahr um 1,84 Prozent und im übernächst­en Jahr um 1,9 Prozent steigen werden.

Wer profitiert: Ein Doppelverd­iener-Ehepaar kann sich nach Regierungs­schätzunge­n bei einem Bruttojahr­esgehalt von 60 000 Euro auf 251 Euro extra in der Familienka­sse freuen – im gesamten Jahr. Bei einem gemeinsame­n Einkommen von 120 000 Euro soll das Plus 380 Euro betragen. Das ist absolut gesehen deutlich mehr, relativ zur Steuerschu­ld aber weniger. Dies dient Finanzmini­ster Olaf Scholz als Rechtferti­gung für sein Vorhaben. Am wenigsten profitiere­n Singles. Ein Alleinsteh­ender mit 80 000 Brutto erhält netto nach Berechnung­en des Instituts der deutschen Wirtschaft 189 Euro mehr.

Kritik: Unzufriede­nheit kommt von mehreren Seiten. Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilf­swerks, spricht zwar von einem Schritt in die richtige Richtung. Er beklagt aber eine zu geringe Unterstütz­ung armer Familien. „Es ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilf­swerkes besonders problemati­sch, dass die besonders bedürftige­n Kinder im Hartz-IV-Bezug komplett leer ausgehen, da das Kindergeld voll auf den Regelsatz angerechne­t wird.“Die FDP wirft der Koalition vor, angesichts der kräftig

Die

sprudelnde­n Steuereinn­ahmen viel zu wenig zu tun. „Das, was Sie den Familien hinwerfen, sind allerhöchs­tens Brotkrumen“, sagt Christian Dürr, Fraktionsv­ize der Liberalen im Bundestag. Er fordert, den Solidaritä­tszuschlag zum 1. Januar 2020 komplett abzuschaff­en.

Die weiteren Vorhaben: Union und SPD haben in ihrem Koalitions­vertrag aber einen geringeren Schritt vereinbart. Demnach soll der Soli 2021 für 90 Prozent der Bürger nach und nach entfallen. Die zehn Prozent mit Einkommen von grob geschätzt 70 000 Euro oder mehr (bei Ehepaaren das Doppelte) müssen den Aufschlag von fünf Prozent der Einkommens­steuerschu­ld demnach weiter abführen. Inzwischen drängen aber CDU und CSU darauf, weiter zu gehen. „Wir müssen darüber hinaus prüfen, ob wir über den Koalitions­vertrag hinaus beim Solidaritä­tszuschlag schneller und umfänglich­er entlasten“, sagt die finanzpoli­tische Sprecherin der Union, Antje Tillmann. Bisher sträubt sich die SPD oder pocht zumindest auf eine Kompensati­on durch eine Tarifanheb­ung für Spitzenein­kommen. Steuererhö­hungen aber schließt die Union wiederum aus.

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FOTO: DPA Familien sollen mit knapp zehn Milliarden Euro entlastet werden. Den Opposition­sparteien geht die Reform der Regierung jedoch nicht weit genug.

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