Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gewaltsame Konflikte immer häufiger Grund für Hunger
Welthunger-Index stuft die Werte in Südasien und Afrika südlich der Sahara als „unannehmbar hoch“ein
BERLIN (dpa) - Wegen bewaffneter Konflikte und des Klimawandels droht dem weltweiten Kampf gegen den Hunger ein Rückschlag. „Wenn das Tempo bei der Bekämpfung des Hungers gleich bleibt, wird es 50 Ländern nicht gelingen, den Hunger bis 2030 abzuschaffen“, teilte die Welthungerhilfe am Donnerstag in Berlin bei der Veröffentlichung des Welthunger-Index 2018 mit. Zwar seien die Werte zur Hungersituation seit dem Jahr 2000 weltweit um 28 Prozent gefallen, die jüngst gestiegene Zahl der Hungernden auf nun 821 Millionen Menschen zeige jedoch, dass der Trend wieder in die falsche Richtung gehe.
Politische Lösungen gefordert
Der Welthunger-Index (WHI) bewertet die Lage in 51 Ländern der Erde als ernst oder sehr ernst. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, forderte mehr Engagement zur Beilegung von Konflikten. „Ohne politische Lösungen wird dieser Kampf nicht zu gewinnen sein.“
Schlusslicht in dem Index ist die Zentralafrikanische Republik, wo die Situation „gravierend“ist. In dem Land war 2012 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, in dem sich Milizen der christlichen Mehrheit und der muslimischen Minderheit gegenüberstanden. Erst infolge einer französischen Militärintervention, der ein UN-Friedenseinsatz folgte, stabilisierte sich die Lage. Allerdings brachen 2017 neue Kämpfe aus.
Die regional höchsten Hungerwerte gibt es in Südasien und Afrika südlich der Sahara. „In beiden Regionen sind die Werte für Unterernährung, Wachstumsverzögerungen bei Kindern, Auszehrung bei Kindern und Kindersterblichkeit unandenn nehmbar hoch“, heißt es in der Untersuchung. Es gibt aber auch weitere Fortschritte: Angola, Ruanda, Äthiopien und Myanmar zählen zu den Vorreitern mit einer Verbesserung des WHI-Wertes um über 45 Prozent.
Der Bericht soll aufzeigen, dass Hunger sowohl Ursache als auch Folge von Flucht und Vertreibung ist. In Ländern mit bewaffneten Konflikten sei der Hunger doppelt so hoch wie im Rest der Welt. Mehr als 68 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht, so viele wie nie zuvor.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kritisierte, dass die Zahl der Hungernden seit drei Jahren wieder steige: „Das ist ein Skandal, unser Planet hat Potenzial, alle Menschen zu ernähren. Das Wissen und die Technologie sind vorhanden für eine Welt ohne Hunger“, erklärte er. „Die Voraussetzungen sind in vielen Ländern gut. Aber immer häufiger sind gewaltsame Konflikte der Grund für Hunger.“
Auch der Chef des UN-Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley, rief zu mehr internationalen Anstrengungen auf. Der Krieg in Syrien und die Massenflucht von Zivilisten seien Beispiele dafür, welcher Preis für eine Vernachlässigung des Hungerproblems zu zahlen sei, sagte Beasley. „Einen Syrer in Syrien zu ernähren, kostet etwa 50 Cent am Tag, für denselben Syrer in Berlin oder München sind es 50 Euro am Tag“, sagte Beasley, ein US-Politiker und früherer Gouverneur von South Carolina. „Für jedes Prozent Zunahme des Hungers gibt es eine Zunahme der Migration um zwei Prozent. Das gilt überall“, sagte er.
Die Lage in Syrien werde auch nach einem Ende des Kriegs schlecht bleiben. So sei 2018 für die Bauern in dem Land das schlimmste Jahr der jüngeren Geschichte gewesen – wegen des Kriegs, aber auch wegen einer Dürre. Es fehle an Ausrüstung, Bewässerungssystemen und Saatgut, sagte er weiter. „Die Geberländer werden sich auch für ein Syrien nach dem Krieg stark engagieren müssen, auch wenn Staaten das Regime nicht unterstützen wollen“, sagte Beasley.