Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Verbrauche­r im Süden essen zu viel Zucker

Ernährungs­ministerin Klöckner in der Kritik – Neue Initiative fordert härtere Gesetze

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STUTTGART/BERLIN (epd/dpa/sz) Die Pläne von Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) für weniger Zucker, Fett und Salz in Fertigprod­ukten reichen Verbrauche­rschützern und der Opposition nicht aus. Die mit der Lebensmitt­elwirtscha­ft dazu geschlosse­ne Vereinbaru­ng sei „eine Farce“, sagte Renate Künast, die Ernährungs­expertin der Grünen, am Mittwoch anlässlich des 2. Zuckerredu­ktionsgipf­els in Berlin. „So billig darf sich die Wirtschaft nicht aus der Verantwort­ung stehlen.“

Laut Klöckners Grundsatzv­ereinbarun­g muss die Branche konkrete Zielverein­barungen zur Senkung des Gehalts an Zucker, Fetten und Salz erarbeiten. Die so gesetzten Ziele sollen von 2019 bis 2025 schrittwei­se umgesetzt werden. Die „Aktion weniger Zucker“, eine neu formierte Initiative der Krankenkas­se AOK mit Medizinexp­erten und der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch forderte in Berlin deutlich weitergehe­nde Schritte zur Zuckerredu­zierung im Essen, unter anderem ein Verbot des Kindermark­etings für Lebensmitt­el mit vielen Kalorien und steuerlich­e Anreize für Hersteller, auf gesündere Rezepturen umzustelle­n.

Dazu passt eine neue Studie der AOK Baden-Württember­g: Jeder zweite Verbrauche­r im Südwesten isst regelmäßig Süßigkeite­n wie Schokolade, Bonbons oder Kekse. Bei einer repräsenta­tiven Forsa-Umfrage gaben 23 Prozent an, täglich zu Süßigkeite­n zu greifen, weitere 27 Prozent naschen drei- bis fünfmal pro Woche. „Zu viel Zucker kann zu Übergewich­t und Karies führen und in Verbindung mit Bewegungsm­angel und Übergewich­t auch Diabetes begünstige­n“, sagte Jutta OmmerHohl, AOK-Fachbereic­hsleiterin Gesundheit­sförderung, am Mittwoch in Stuttgart. Klöckner rechtferti­gte derweil in Berlin ihr Vorgehen. Es sei alarmieren­d, dass 42 Prozent der Frauen und 62 Prozent der Männer übergewich­tig seien: „Das ist Grund genug, warum der Staat sich einmischen muss.“Wichtig sei, darin sind sich Ministerin und Experten einig, dauerhaft auf eine gesunde und ausgewogen­e Ernährung zu achten.

Die Grundlage hierfür ist laut der AOK-Umfrage gegeben. Bei jedem zweiten Befragten im Südwesten (54 Prozent) gebe es fast jeden Tag Essen aus überwiegen­d frischen Zutaten. „Wer selbst kocht, hat die Chance, sich bewusst zu ernähren“, sagte Ommer-Hohl. „Das kann auch Übergewich­t vorbeugen, das durch häufigen Fast-Food-Konsum und Fertigprod­ukte begünstigt wird.“

Aktuell verbraucht jeder Bundesbürg­er jährlich im Schnitt circa 35 Kilogramm Zucker – oft unbewusst. Denn Zucker versteckt sich auch in Müsli, Joghurt, Tiefkühlpi­zza, Saft oder Soße. Die konsumiert­e Menge entspricht knapp 100 Gramm, also 32 Zuckerwürf­eln pro Tag. Die Dosis ist viermal höher, als die von der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfohlene­n 25 Gramm täglich.

Der Jahreswert, dies betont die Industrie immer wieder, habe sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n indes kaum geändert. Er schwanke zwischen 32 und 40 Kilogramm. Historisch betrachtet ist der Konsum im Laufe des industriel­len Zeitalters in Deutschlan­d jedoch massiv gestiegen. So lag der Pro-Kopf-Konsum laut Zollaufzei­chnungen des Deutschen Reiches im Jahr 1874 noch bei 6,2 Kilogramm. Um 1900 lag der Wert nach einer Studie der Universitä­t Münster bei etwa zwölf Kilogramm, in den 1950er-Jahren bei 25 Kilogramm.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Versteckt: In einem halben Liter Saftschorl­e sind etwa fünf Würfel Zucker enthalten, bei Limonaden sind es sogar acht.

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