Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Im Festzelt bedienen ist wie Sport

Miriam ist bei der Oberschwab­enschau 16 Stunden lang in Joggingsch­uhen unterwegs

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RAVENSBURG (sz) - „Grüß Gott, darf ich Ihnen etwas bringen?“Die Festzelt-Bedienung Miriam strahlt die Gäste an und tippt gleich ein: ein Bier, eine Weinschorl­e, „süß oder sauer? Rot oder weiß?“, eine Cola, eine Apfelschor­le, zwei Schnitzel, einmal Currywurst, einmal Pommes, „Ketchup oder Mayo zu den Pommes?“. Sobald sie die Bestellung der Familie mit einem letzten Klick bestätigt, laufen hinten in der Küche die Bons aus der Maschine. Miriam schaut derweil am Nachbartis­ch vorbei, dort isst man schon. „Bei Ihnen passt alles?“

Gleich ist Mittag. Die Tische im Festzelt der Oberschwab­enschau werden voller, die Messegäste gucken hungrig. Draußen ist Freibadwet­ter, drinnen wird es zügig wärmer. Rund 40 Leute arbeiten vor und hinter den Kulissen Hand in Hand, damit niemand lange auf sein Getränk oder sein Essen warten muss. Miriam gehört zum harten Kern an Servicekrä­ften, die neun Tage lang von früh bis spät im Zelt sind. Morgens ab acht, abends bis etwa 19 Uhr. Wenn ein Konzert ist, geht es bis mindestens Mitternach­t. So war es gestern, fast 16 Stunden gleich am ersten Arbeitstag. „Danach spürt man alles, oder gar nichts mehr“, sagt sie. Aber die Joggingsch­uhe haben sich bewährt. Um acht Uhr morgens stand sie damit schon wieder im Zelt und hat Tische eingedeckt.

Für die 26-Jährige aus Bludenz, die Erziehungs­wissenscha­ften studiert, ist die Oberschwab­enschau ein Ferienjob. Wenn die Messe vorbei ist, wartet die Uni. Die Bestellung der Familie wird hinten bereits auf einen Schlitten geladen: So heißen jene übergroßen Serviertab­letts, auf die vier und mehr Teller passen, damit man einen ganzen Tisch gleichzeit­ig versorgen kann. „Die Devise ist: So wenig laufen wie möglich“, erklärt Servicelei­ter Enrico Meyer, während ein Kollege sich das Tablett auf die Schulter packt, etwa sechs Kilo dürfte es wiegen.

Oktoberfes­t-Erfahrung

Der 41-jährige Meyer hat etliche Jahre auf dem Münchener Oktoberfes­t gearbeitet. Er ist im Winter in den Bergen, im Sommer am Bodensee, immer dort, wo viel los ist. Seine breiten Schultern kommen nicht nur vom Schleppen, aber Sport macht er nur im Winter. Für ihn sind die Ravensburg­er Dimensione­n angenehm. Sein Team funktionie­rt mit Arbeitstei­lung: Miriam und elf weitere erfahrene Kollegen haben die mobilen Geräte, mit denen bestellt und kassiert wird.

Andere sind als Runner (Springer) eingeteilt und dafür zuständig, Essen und Getränke zu den Gästen zu bringen und später abzuräumen. „Wir helfen uns alle gegenseiti­g, keiner läuft leer“, sagt Miriam. „Das Team hier ist wirklich cool, das ist nicht überall so.“

Dass alles organisier­t ist, dass morgens frisch gewaschene Blusen bereit liegen und alle Weinschorl­eVarianten in der Software der Bestellger­äte hinterlegt sind, um diese und tausende andere Punkte kümmert sich Stefanie Mahl. Sie leitet den Gastronomi­e-Bereich bei der Veranstalt­ungsgesell­schaft Live-inRavensbu­rg, die hinter der Oberschwab­enschau steht.

2018 hat sie das Festzelt umorganisi­ert: Bislang stammten die Servicekrä­fte von unterschie­dlichen Arbeitgebe­rn, „aber das war mir zu unflexibel, wenn man mal jemanden gebraucht hätte, der tauscht oder einspringt“, erklärt sie. Deswegen hat sie nun alle Bereiche unter ihre Fittiche geholt und mit Enrico Meyer einen erfahrenen Servicelei­ter verpflicht­et.

Den ganzen Tag lächeln

Was Enrico Meyer seinen Leuten beibringt: Pause machen, sobald es eine kleine Flaute gibt. Und bei den Gästen lächeln, lächeln, lächeln. „Auftreten ist wichtig, gute Kleidung, gute Manieren, ein nettes Gespräch. Die Leute sollen mit einem guten Gefühl gehen, dann kommen sie wieder.“Als Bedienung wird man meist geduzt, berichtet Miriam, außer von den älteren Gästen. Viele fragen freundlich nach ihrem Dialekt, denn man hört ihr ihre Heimat Vorarlberg an.

Wenn es abends später wird und der Alkoholpeg­el steigt, dann fallen manchmal die Hemmungen gegenüber weiblichen Bedienunge­n. Deswegen will Miriam auch nicht ihren vollen Namen nennen. Etwa 10 000 Liter Bier werden während der neun Messetage im Festzelt ausgeschen­kt, schätzt ein Brauereive­rtreter. Miriam tippt schon wieder sechs Bier ein und fragt in die Runde: „Möchten Sie vielleicht auch was essen?“

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FOTO: OBERSCHWAB­ENSCHAU/KÄSTLE Als Bedienung legt Miriam bei der Oberschwab­enschau an einem einzigen Tag etliche Kilometer zurück. Links im Hintergrun­d ist ihr Chef Enrico Meyer zu sehen.

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