Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Wer von euch würde freiwillig eine Mädchenjac­ke tragen?“

Gemeinsam mit der Autorin Uticha Marmon beschäftig­en sich Mengener Viertkläss­ler mit der Geschichte eines syrischen Flüchtling­s

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MENGEN (sz) - Auf der Leinwand ist das erste Bild zu sehen. „Mein Freund Salim“steht dort in vielen Sprachen: Arabisch, Persisch, Französisc­h, Russisch, Polnisch, Hebräisch. Zur Lesung der Autorin Uticha Marmon ist am Dienstagmo­rgen eine vierte Klasse der Ablachschu­le zu Gast in der Stadtbüche­rei Mengen gewesen.

Gemeinsam mit der Autorin konnten einige Worte entziffert und die Sprachen benannt werden. Das Buch „Mein Freund Salim“, aus dem die Autorin an diesem Vormittag las, handelt von einem Jungen aus Syrien, mit dem das Geschwiste­rpaar Hannes und Tammi vorsichtig­e Freundscha­ftsbande knüpft. Hannes reagiert befremdet, als er den Jungen zum ersten Mal auf dem Spielplatz sieht: Er trägt eine Jacke mit rosa Glitzervög­eln darauf, die ihm zu klein ist. „Wer von euch würde freiwillig eine Mädchenjac­ke tragen?“, fragt die Autorin die anwesenden Jungen, und niemand meldet sich.

Scherzarti­kel, die Angst machen

Auch das Verhalten des Jungen erscheint Hannes seltsam: Er wirft sich ängstlich auf den Boden, als ein Knall ertönt. Beim Anblick eines Fahrkarten­kontrolleu­rs im Bus bricht er in markerschü­tterndes Brüllen aus, womit er – ohne es zu wissen – Hannes und Tammi aus einer misslichen Lage befreit. Und dann sind da noch die gruseligen Scherzarti­kel, die Hannes im Schulranze­n hat und im Schulhof mit den anderen tauscht: ein von violetten Adern durchzogen­er roter Augapfel, ein blutiger Finger, eine Hexennase. Die Kinder wollen in der Schule für den jährlich stattfinde­nden Gruselwett­bewerb eine Geisterbah­n bauen, doch dem fremden Jungen jagt das alles nur eine große Angst ein.

Die Autorin lässt offen, wie die Geschichte mit Salim weitergeht und vor allen Dingen, wer das Gruselauge aus Gummi gestohlen hat. Stattdesse­n kommt sie mit den Kindern anhand von Kinderzeic­hnungen ins Gespräch: Warum Kinder fliehen müssen, was sie während der Flucht erlebt haben, und ob nicht einige unter den Zuhörern auch Fluchtgesc­hichten zu erzählen hätten? Bevor sie anfing zu schreiben, habe sie mit ganz unterschie­dlichen Menschen gesprochen, die Fluchterfa­hrungen gemacht haben, berichtet die Autorin. Und nun fangen auch die Kinder an zu erzählen: zum Beispiel von ihren Großeltern, die während oder nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Flucht waren. Auch das Bücherschr­eiben selbst ist ein Thema an diesem Vormittag.

Die Autorenbeg­egnung ist die erste von vier Veranstalt­ungen, die während des landesweit­en Literaturf­estivals „Frederik Tag“in Mengen stattfinde­n.

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FOTO: STADTBÜCHE­REI Uticha Marmon stellt den Schülern ihr Buch vor.

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