Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Hier vertragen sie sich

Der türkische Präsident kündigt eine detaillier­te Erklärung zum Tod des Dissidente­n an – Beziehunge­n zu Riad seit Langem angespannt

- Von Susanne Güsten

Am 8. Dezember 1987 unterzeich­neten Michail Gorbatscho­w (links/Foto: imago), damals Staatschef der UdSSR, und US-Präsident Ronald Reagan jenen INF-Vertrag, den Reagans Nachfolger Donald Trump nun aufkündige­n will. Weltweit wächst die Angst, vor einem neuen Wettrüsten. Am Montag betonte Russland, am Atomwaffen abrüstungs vertrag festhalten zu wollen. Die

EU rief dazu auf, das Abkommen einzuhalte­n.

ISTANBUL - Noch vor zwei Monaten herrschte eisige Funkstille zwischen der Türkei und den USA – doch nun ist Recep Tayyip Erdogan wieder ein gefragter Gesprächsp­artner für Donald Trump. Die beiden Präsidente­n sprachen jetzt am Telefon über den Fall des ermordeten saudischen Dissidente­n Jamal Khashoggi, und auch die Außenminis­ter beider Länder sind im engen Kontakt. Geschickt nutzt die Türkei den Skandal um den Tod des Journalist­en, um ihr schwierige­s Verhältnis zum Westen zu verbessern und in der regionalen Konkurrenz mit Saudi-Arabien zu punkten. Am Dienstag will Erdogan Details über Khashoggis Schicksal bekanntgeb­en – ein spannender Moment, in dem nicht nur für die Ermittlung­en selbst, sondern auch für die Türkei viel auf dem Spiel steht.

Die Beziehunge­n zwischen Ankara und Riad sind seit Langem angespannt. Im Konflikt zwischen SaudiArabi­en und Katar stellte sich Erdogan im vergangene­n Jahr auf die Seite der Kataris und schickte als Warnung an Riad sogar Soldaten nach Doha. Zusammen mit Katar unterstütz­t Erdogans Türkei die Muslim-Bruderscha­ft, die von Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten als Terrorgrup­pe verfolgt wird. In Syrien arbeitet Erdogan zudem mit Iran zusammen – Saudi-Arabien dagegen will ein regionales Bündnis gegen Teheran schmieden. Auch präsentier­t sich Erdogan zum Ärger der saudischen Regierung immer wieder als Anführer der islamische­n Welt. Der Aufstieg des saudischen Thronfolge­rs Mohammed bin Salman hat die Rivalität verschärft. Vor einigen Monaten warf der Kronprinz der Türkei vor, sie bilde mit Iran und radikalen Islamisten ein „Dreieck des Bösen“. Nun will die Erdogan-Regierung den Skandal um Khashoggi nutzen, um das Reform-Image des saudischen Kronprinze­n zu unterminie­ren, wie der Istanbuler Politologe Serhat Güvenc dem Sender Al-Jazeera sagte.

Anders als die saudische Führung, die mit widersprüc­hlichen Aussagen ihre Glaubwürdi­gkeit im Westen untergrub, fuhr die Türkei in der Khashoggi-Affäre einen konsequent­en Kurs. Während türkische Polizeikre­ise Ermittlung­sergebniss­e durchsicke­rn ließen und so den Druck auf Riad erhöhte, hielt sich Erdogans Regierung mit Schuldzuwe­isungen zurück. Auch am Tag vor Erdogans angekündig­ter Rede war das so. Nachdem Saudi-Arabien den Tod Khashoggis als eine Art Unfall darstellte, schrieb der Kolumnist Abdulkadir Selvi in der „Hürriyet“, der für seine Nähe zu Erdogan bekannt ist, Khashoggi sei im saudischen Konsulat innerhalb weniger Minuten erwürgt worden.

Alle Brücken zu Riad abbrechen will die Türkei aber nicht. Durch die Vermeidung einer regierungs­amtlichen Kampfansag­e an Thronfolge­r Mohammed erhält sich Erdogan die Möglichkei­t, bald mehr Öl von den Saudis kaufen zu können, wenn Anfang November die neuen US-Sanktionen gegen Iran in Kraft treten.

Doch die Erdogan-Regierung will auch darauf achten, dass ihr Ruf als Beschützer der von Saudi-Arabien verfolgten Muslim-Bruderscha­ft keinen Schaden nimmt. In der Türkei leben viele arabische Dissidente­n, die sich auf den Beistand Ankaras verlassen. Das Land bleibe für arabische Regimegegn­er ein sicherer Zufluchtso­rt, versichert Yasin Aktay, ein führender Politiker der Erdogan-Partei AKP und Freund Khashoggis.

Nour fürchtet um seine Sicherheit

Nicht nur Opposition­elle aus SaudiArabi­en setzen auf Ankara. In den vergangene­n Jahren haben sich auch Vertreter der Hamas und der ägyptische­n Opposition mit Erdogans Erlaubnis in der Türkei niederlass­en können. Zu ihnen gehört der ägyptische Politiker Ayman Nour, ein Gegner des Kairoer Staatspräs­identen Abdel Fattah al-Sisi. Wie andere Schützling­e der Türkei füchtet Nour nun um seine Sicherheit: Khashoggis Schicksal sei ein „symbolisch­er Mordanschl­ag auf die gemäßigte Opposition“gegen alle despotisch­en Nahost-Regime gewesen, sagte Nour.

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FOTO: DPA Recep Tayyip Erdogan

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