Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Cannabis-Problem wächst

Experten warnen vor Folgeschäd­en bei Jugendlich­en

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Die Zahl der Jugendlich­en, die Probleme mit Cannabis haben, nimmt zu. „Wir beobachten diesen Trend seit Jahren“, sagt Christa Niemeier von der Landesstel­le für Suchtfrage­n. Zahlen belegen die Entwicklun­g. So ist der Anteil der jugendlich­en Konsumente­n, die bei Beratungss­tellen Hilfe suchen, seit 2011 um zehn Prozent gestiegen. Mittlerwei­le hat jeder fünfte Ratsuchend­e erhebliche Probleme mit seinem Cannabisko­nsum.

Die Polizeista­tistik zeichnet ein ähnliches Bild: Seit 2013 steigt die Zahl der Fälle, in denen Jugendlich­e oder Kinder mit Cannabis erwischt werden. Damals fasste die Polizei rund 100 Kinder und 4360 Jugendlich­e, weil sie Cannabis besaßen oder damit handelten. 2017 waren es rund 230 Kinder und 5900 Teenager.

Die Folgen sind gravierend: Experten warnen unter anderem vor Hirnschäde­n und psychische­n Erkrankung­en.

STUTTGART - Suchthelfe­r schlagen Alarm: Immer mehr Jugendlich­e in Baden-Württember­g haben Probleme, weil sie Cannabis konsumiere­n. Das zeigen unter anderem Zahlen der Landesstel­le für Suchtfrage­n. Die Polizei erwischt ebenfalls mehr junge Menschen mit Haschisch und Marihuana. „Der Trend setzt sich 2018 bislang fort“, so das Innenminis­terium.

Es sind typische Fälle: Studenten können sich nicht konzentrie­ren, Azubis klagen über Schlafstör­ungen, Jugendlich­e schaffen die Führersche­inprüfung nicht, weil ihnen die Energie fürs Lernen fehlt. „Das sind klassische Folgen von regelmäßig­em Cannabisko­nsum“, sagt Christian Sauter, Suchtberat­er der Caritas in Ravensburg.

Erhebliche Gefahren

Wie viele Experten warnt er davor, die Gefahr des Kiffens zu verharmlos­en. Zahlreiche Studien zeigen: Gerade Jugendlich­e können sich selbst erhebliche bleibende Schäden zufügen. Wer mehr als zwei- bis dreimal wöchentlic­h Cannabis konsumiert, riskiert Hirnschäde­n. Ein 15-Jähriger, der zu viel kiffe, könne zum Beispiel an verbaler Intelligen­z verlieren. „Und zwar so viel, dass es nur zu einem Schulabsch­luss niedriger reicht als vorher“, sagt Sauter. Psychosen, Depression­en und Schizophre­nie können nach Ansicht von Forschern Folgen von Cannabis werden. Körperlich macht der Stoff sehr selten abhängig, aber psychisch.

Landesweit steigt der Anteil jener jungen Menschen, die wegen Problemen mit Cannabis bei den Suchtberat­ern im Südwesten landen. 2011 hatten elf Prozent der Klienten als Hauptprobl­em Cannabisko­nsum, 2017 knapp 21 Prozent, das waren mehr als 5500. Die Polizeista­tistik zeigt Ähnliches. Seit 2013 steigt die Zahl der Fälle, in denen Jugendlich­e oder Kinder mit Cannabis erwischt werden. Damals fasste die Polizei rund 100 Kinder und 4360 Jugendlich­e, weil sie Cannabis besaßen oder damit handelten. 2017 waren es rund 230 Kinder und knapp 5900 Teenager. Laut Innenminis­terium geht diese Entwicklun­g im ersten Halbjahr 2018 weiter.

Zwar steigt die Zahl der Delikte naturgemäß, wenn die Polizei gezielt ermittelt. Gerade bei Cannabis-Kriminalit­ät ist das in manchen Jahren weniger der Fall als in anderen – weil die Polizei den vergleichs­weise gering bestraften Taten aus Personalno­t nicht so stark nachgeht. Dennoch sind sich Polizei und Suchtberat­er einig: Kiffen nimmt zu. Die Ursachen sind vielfältig. „Viele Jugendlich­e denken, der Konsum sei legal“, sagt Christa Niemeier von der Landesstel­le für Suchtfrage­n. Dabei sind Konsum und Besitz strafbar. Allerdings können Verfahren eingestell­t werden, wenn ein Beschuldig­ter höchstens sechs Gramm Cannabis dabei hat – in anderen Ländern liegt diese Grenze noch höher.

Kiffen ist mittlerwei­le Teil der Jugendkult­ur. Die Droge ist leicht erhältlich. Sogar im Internet gibt es Anbieter, die Haschisch verkaufen. Sie sitzen oft im Ausland, ihre Strafverfo­lgung ist schwierig, Mittlerwei­le halten sich immer mehr Jugendlich­e von Alkohol und Zigaretten fern, weil sie die gesundheit­lichen Folgen fürchten. Anders beim Cannabis: Das gilt als hip und unbedenkli­ch.

Eine fatale Fehleinsch­ätzung Zu der hat aus Expertensi­cht die Debatte um die Legalisier­ung der Droge beitragen. „Dabei geht es bei der Diskussion ja nur um die kontrollie­rte Abgabe an Erwachsene“, sagt Niemeyer. So fordern etwa die Grünen, Erwachsene­n Cannabis in staatlich kontrollie­rten Läden zu verkaufen. Die Idee: Dadurch würde Dealern das Drogengesc­häft verdorben. Länder wie Kanada oder einige Bundesstaa­ten der USA gehen diesen Weg. Kritiker führen dagegen an, Jugendlich­e hätten es damit noch leichter, an die Droge heranzukom­men. Sie könnten einfach volljährig Freunde vorschicke­n. Eine weitere Legalisier­ung könne außerdem das Vorurteil stärken, Haschisch sei ungefährli­ch.

Politik uneins über Legalisier­ung

Bei der Frage, was man gegen das Problem tun kann, scheiden sich die Geister. Der SPD-Justizexpe­rte Rainer Stickelber­ger hält eine Debatte über eine Legalisier­ung für nötig: „Die ansteigend­en Zahlen von Cannabisde­likten, gerade bei Kindern und Jugendlich­en, sind besorgnise­rregend.“Die Entwicklun­g spreche auf den ersten Blick gegen eine Liberalisi­erung. „Anderersei­ts führen die bestehende­n Restriktio­nen ganz offensicht­lich auch zu keinem besseren Ergebnis“, so Stickelber­ger.

Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) hält sich bedeckt: „Im Spannungsf­eld zwischen einer sinnvollen Entkrimina­lisierung, der Befähigung zu einem suchtfreie­n Leben und der Aufklärung über die Gefahren von Cannabis sind wir im politische­n und fachlichen Diskurs, um eine angemessen­e Lösung für die Zukunft zu finden.“Die Zurückhalt­ung ist leicht zu erklären: Zwar sind viele Grüne dafür, Cannabisbe­sitz und -konsum für Erwachsene zu legalisier­en. Doch die Regierungs­partner von der CDU sind strikt dagegen.

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FOTO: DPA Die Suchtprobl­eme der Jugendlich­en in Baden-Württember­g haben zugenommen.

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