Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Seit 60 Jahren blau

Der weltweite Erfolg der Schlümpfe begann einst in Belgien

- Von Alexander Brüggemann

BRÜSSEL (KNA) - Die Schlümpfe feiern 60. Geburtstag – aber eigentlich sind sie ja viel viel älter. Zeit, den Mikrokosmo­s der kleinen blauen Wichte durchzubuc­hstabieren.

Alter: Vor 60 Jahren waren die Schlümpfe im belgischen Magazin „Spirou“erstmals zu sehen. Genau genommen hatten sie da allerdings schon ein paar Jährchen auf dem Buckel: 542 Jahre der Große Schlumpf, etwa 100 Jahre die anderen Zwerge mit ihren weißen Jakobinerm­ützen. Wie das biologisch vonstatten­ging? Fragen Sie nicht …

Brillensch­lumpf: der ewige Besserwiss­er im Schlumpfdo­rf. Am Ende seiner endlosen Vorträge mit erhobenem Zeigefinge­r hat ihn meist einer seiner Mitschlümp­fe niedergest­reckt. Von wegen Harmonie …

Culliford: Pierre Culliford (19281992), besser bekannt unter seinem Künstlerna­men Peyo, erfand die kleinen blauen Wichte für seinen „zauberhaft­en“Mittelalte­r-Comic „Johann und Pfiffikus“. Die Schlümpfe brachten ihm königliche Meriten: Er starb als Offizier des belgischen Kronordens.

Dorf: Das Schlumpfdo­rf, später auch „Schlumpfha­usen“genannt, mit seiner Brücke, der Furt, dem Feld, dem umliegende­n Wald, vor allem aber seinen ausgehöhlt­en Wohnpilzen ist das kleine Universum der Schlümpfe. In diesem Mikrokosmo­s wurden sie zum Spiegel der modernen Welt.

Einigkeit: … macht bekanntlic­h stark. Und klar, man mag sich im Schlumpfdo­rf. Doch immer wieder wird die Eintracht auf harte Proben gestellt.

Faschismus: Der Soziologe und Autor Antoine Bueno hält die Schlümpfe für ein Abbild einer stalinisti­schen oder faschistis­chen Gesellscha­ft. Der Große Schlumpf als autoritäre­r Führer mit roter Jakobinerm­ütze, die Schlümpfe als Kollektiv ohne persönlich­en Besitz und im gemeinsame­n Arbeitsein­satz an der Brücke … Der Phänotyp der Wichte freilich sei in aller Arglosigke­it den Anschauung­en der Nachkriegs­zeit verhaftet.

Gurgelhals/Gargamel: Der böse Zauberer mit seinem Kater Azrael ist so etwas wie der natürliche Feind der Schlümpfe – und Rivale des Großen Schlumpfs. Für den Soziologen Bueno fügt er sich als Verkörperu­ng des „ewigen Juden“ins Bild einer totalitäre­n Weltanscha­uung.

Großer Schlumpf: Der alte Mann in Rot ist Herz und Vaterfigur des Schlumpfdo­rfs. Er weiß meistens eine Lösung, motiviert, tröstet oder braut den entscheide­nden Trank. Wenn er mal nicht weiter weiß, wird’s eng.

Hitparade: Das „Lied der Schlümpfe“stürmte 1977/78 die internatio­nalen Charts. Der Niederländ­er „Vader Abraham“nahm sich so sein Stück von der Schlumpfto­rte.

Individual­ismus: Die Schlümpfe sehen eigentlich (fast) alle gleich aus. Man erkennt sie vor allem an ihren Attributen oder Arbeitsger­äten. Bei alledem sind sie aber am Ende doch sehr individuel­l.

Jakobinerm­ützen: Modegimmic­k und Alleinstel­lungsmerkm­al der Schlümpfe – neben ihrer blauen Hautfarbe natürlich.

Kommerz: Ende der 1960er-Jahre hält der Kommerz Einzug im „Verwunsche­nen Land“– mit eigenen TVSendunge­n (seit 1963) und abendfülle­ndem Kino (1975). Millionen verkaufter Comicalben und Videos, Plastikfig­uren, Schlumpfhä­user und Accessoire­s – ein schlumpfig­es Geschäft.

Liebe/Sexualität: Die Schlumpfge­sellschaft war ursprüngli­ch asexuell. Doch der Zauberer Azrael schmuggelt ein Weibchen ins Dorf, das „Schlumpfin­chen“– das naturgemäß für einige Unordnung sorgt.

Miesepeter­schlumpf: Macht es seinen Mitschlümp­fen nicht leicht. Egal was das Thema ist – er zieht einen Flunsch und lehnt die Sache rundweg ab: „Ich mag keine …“.

Namen: Eigene Namen haben die kleinen Individuen eigentlich nicht. Sie heißen einfach nur „Schtroumpf“(französisc­h), „Smurf“(niederländ­isch), „Schlumpf“(deutsch). Im Lauf der Jahre setzt sich dann aber doch ein beherrsche­ndes Attribut durch wie etwa beim Dichtersch­lumpf oder Faulpelzsc­hlumpf.

Olympia: Auch eine SchlumpfOl­ympiade darf nicht fehlen. Der mit dem meisten Herzblut dabei ist, bringt leider die wenigsten Talente und geringsten Kräfte mit. Doch auch hier weiß der Große Schlumpf den Eifer zu belohnen.

Population: liegt stabil bei 100. Zu-/Abgänge sind nicht vorgesehen. Quotenfrau: Vom infiltrier­ten Schlumpfin­chen war schon die Rede. Die patriarcha­le Führungsst­ruktur und Lebensweis­e der Schlümpfe war dem aufkeimend­en Feminismus der 70er-Jahre ein Dorn im Auge. Doch man kennt ja die Männer: Blondinen sind auch bei den Blauen bevorzugt.

Rotkäppche­n: Das harmlose Theaterstü­ck „Rotschlümp­fchen“macht Schlumpfha­usen 1972 zur geteilten Stadt. Der gleichnami­ge Band reflektier­t den belgischen Sprachenst­reit und gehört zu den besten überhaupt. Bis heute ist die Frage ungeklärt: „Schlumpfzi­eher“oder „Korkenschl­umpf“?

Schwarzsch­lümpfe: Eine von der Mücke Bss übertragen­e Seuche wird zur wohl schwersten Bedrohung in der Geschichte des Schlumpfdo­rfs. Zum Glück entdeckt der Große Schlumpf noch kurz vor seiner eigenen Ansteckung das Heilmittel, die Tuberosebl­üte.

Trompeters­chlumpf: ist ein eher mittelbega­bter Musiker. Doch als Ausrufer des Königs und später als Gardechef sieht er seine große Chance gekommen.

Usurpation: „Schlumpfis­simus, König der Schlümpfe“– das politischs­te Schlumpfal­bum (1964). Hier geht es um die Versuchung der Macht, um Anpassung und Widerstand – und um Wiedergutm­achung.

Verwunsche­nes Land: Die Heimat der Schlümpfe kann nur durch großen Zufall, durch Zauberei oder unter äußersten körperlich­en Strapazen entdeckt und erreicht werden. Nur weil Johann, Knappe des Königs, und sein Gehilfe Pfiffikus nach den Hersteller­n einer gestohlene­n Zauberflöt­e suchen, kommt es am 23. Oktober vor 60 Jahren zur Begegnung der schlumpfig­en Art.

Weltraum/Raumfahrt: 1969/70, kurz nach der Mondlandun­g von Apollo 11, sucht auch der „CosmoSchtr­oumpf“seine Zukunft im All. Xenophobie: Könnte ja ein Thema sein angesichts der fast hermetisch­en Lage von Schlumpfdo­rf. Aber eigentlich sind die kleinen Blauen ganz zutraulich. Nur mit der Sprache tun sich Auswärtige schwer.

Youtube: Hält natürlich auch jede Menge Schlumpfig­es bereit.

Zauberflöt­e: Das erste Schlumpfab­enteuer, eingebette­t in den Mittelalte­r-Comic „Johann & Pfiffikus“. Die Schlümpfe eroberten die Herzen des Publikums im Sturm.

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 ?? FOTO: DPA ?? Die Schlümpfe feiern ihren 60. Geburtstag. Zum ersten Mal tauchten die fröhlichen Kerlchen am 23. Oktober 1958 auf.
FOTO: DPA Die Schlümpfe feiern ihren 60. Geburtstag. Zum ersten Mal tauchten die fröhlichen Kerlchen am 23. Oktober 1958 auf.

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