Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Seit 60 Jahren blau
Der weltweite Erfolg der Schlümpfe begann einst in Belgien
BRÜSSEL (KNA) - Die Schlümpfe feiern 60. Geburtstag – aber eigentlich sind sie ja viel viel älter. Zeit, den Mikrokosmos der kleinen blauen Wichte durchzubuchstabieren.
Alter: Vor 60 Jahren waren die Schlümpfe im belgischen Magazin „Spirou“erstmals zu sehen. Genau genommen hatten sie da allerdings schon ein paar Jährchen auf dem Buckel: 542 Jahre der Große Schlumpf, etwa 100 Jahre die anderen Zwerge mit ihren weißen Jakobinermützen. Wie das biologisch vonstattenging? Fragen Sie nicht …
Brillenschlumpf: der ewige Besserwisser im Schlumpfdorf. Am Ende seiner endlosen Vorträge mit erhobenem Zeigefinger hat ihn meist einer seiner Mitschlümpfe niedergestreckt. Von wegen Harmonie …
Culliford: Pierre Culliford (19281992), besser bekannt unter seinem Künstlernamen Peyo, erfand die kleinen blauen Wichte für seinen „zauberhaften“Mittelalter-Comic „Johann und Pfiffikus“. Die Schlümpfe brachten ihm königliche Meriten: Er starb als Offizier des belgischen Kronordens.
Dorf: Das Schlumpfdorf, später auch „Schlumpfhausen“genannt, mit seiner Brücke, der Furt, dem Feld, dem umliegenden Wald, vor allem aber seinen ausgehöhlten Wohnpilzen ist das kleine Universum der Schlümpfe. In diesem Mikrokosmos wurden sie zum Spiegel der modernen Welt.
Einigkeit: … macht bekanntlich stark. Und klar, man mag sich im Schlumpfdorf. Doch immer wieder wird die Eintracht auf harte Proben gestellt.
Faschismus: Der Soziologe und Autor Antoine Bueno hält die Schlümpfe für ein Abbild einer stalinistischen oder faschistischen Gesellschaft. Der Große Schlumpf als autoritärer Führer mit roter Jakobinermütze, die Schlümpfe als Kollektiv ohne persönlichen Besitz und im gemeinsamen Arbeitseinsatz an der Brücke … Der Phänotyp der Wichte freilich sei in aller Arglosigkeit den Anschauungen der Nachkriegszeit verhaftet.
Gurgelhals/Gargamel: Der böse Zauberer mit seinem Kater Azrael ist so etwas wie der natürliche Feind der Schlümpfe – und Rivale des Großen Schlumpfs. Für den Soziologen Bueno fügt er sich als Verkörperung des „ewigen Juden“ins Bild einer totalitären Weltanschauung.
Großer Schlumpf: Der alte Mann in Rot ist Herz und Vaterfigur des Schlumpfdorfs. Er weiß meistens eine Lösung, motiviert, tröstet oder braut den entscheidenden Trank. Wenn er mal nicht weiter weiß, wird’s eng.
Hitparade: Das „Lied der Schlümpfe“stürmte 1977/78 die internationalen Charts. Der Niederländer „Vader Abraham“nahm sich so sein Stück von der Schlumpftorte.
Individualismus: Die Schlümpfe sehen eigentlich (fast) alle gleich aus. Man erkennt sie vor allem an ihren Attributen oder Arbeitsgeräten. Bei alledem sind sie aber am Ende doch sehr individuell.
Jakobinermützen: Modegimmick und Alleinstellungsmerkmal der Schlümpfe – neben ihrer blauen Hautfarbe natürlich.
Kommerz: Ende der 1960er-Jahre hält der Kommerz Einzug im „Verwunschenen Land“– mit eigenen TVSendungen (seit 1963) und abendfüllendem Kino (1975). Millionen verkaufter Comicalben und Videos, Plastikfiguren, Schlumpfhäuser und Accessoires – ein schlumpfiges Geschäft.
Liebe/Sexualität: Die Schlumpfgesellschaft war ursprünglich asexuell. Doch der Zauberer Azrael schmuggelt ein Weibchen ins Dorf, das „Schlumpfinchen“– das naturgemäß für einige Unordnung sorgt.
Miesepeterschlumpf: Macht es seinen Mitschlümpfen nicht leicht. Egal was das Thema ist – er zieht einen Flunsch und lehnt die Sache rundweg ab: „Ich mag keine …“.
Namen: Eigene Namen haben die kleinen Individuen eigentlich nicht. Sie heißen einfach nur „Schtroumpf“(französisch), „Smurf“(niederländisch), „Schlumpf“(deutsch). Im Lauf der Jahre setzt sich dann aber doch ein beherrschendes Attribut durch wie etwa beim Dichterschlumpf oder Faulpelzschlumpf.
Olympia: Auch eine SchlumpfOlympiade darf nicht fehlen. Der mit dem meisten Herzblut dabei ist, bringt leider die wenigsten Talente und geringsten Kräfte mit. Doch auch hier weiß der Große Schlumpf den Eifer zu belohnen.
Population: liegt stabil bei 100. Zu-/Abgänge sind nicht vorgesehen. Quotenfrau: Vom infiltrierten Schlumpfinchen war schon die Rede. Die patriarchale Führungsstruktur und Lebensweise der Schlümpfe war dem aufkeimenden Feminismus der 70er-Jahre ein Dorn im Auge. Doch man kennt ja die Männer: Blondinen sind auch bei den Blauen bevorzugt.
Rotkäppchen: Das harmlose Theaterstück „Rotschlümpfchen“macht Schlumpfhausen 1972 zur geteilten Stadt. Der gleichnamige Band reflektiert den belgischen Sprachenstreit und gehört zu den besten überhaupt. Bis heute ist die Frage ungeklärt: „Schlumpfzieher“oder „Korkenschlumpf“?
Schwarzschlümpfe: Eine von der Mücke Bss übertragene Seuche wird zur wohl schwersten Bedrohung in der Geschichte des Schlumpfdorfs. Zum Glück entdeckt der Große Schlumpf noch kurz vor seiner eigenen Ansteckung das Heilmittel, die Tuberoseblüte.
Trompeterschlumpf: ist ein eher mittelbegabter Musiker. Doch als Ausrufer des Königs und später als Gardechef sieht er seine große Chance gekommen.
Usurpation: „Schlumpfissimus, König der Schlümpfe“– das politischste Schlumpfalbum (1964). Hier geht es um die Versuchung der Macht, um Anpassung und Widerstand – und um Wiedergutmachung.
Verwunschenes Land: Die Heimat der Schlümpfe kann nur durch großen Zufall, durch Zauberei oder unter äußersten körperlichen Strapazen entdeckt und erreicht werden. Nur weil Johann, Knappe des Königs, und sein Gehilfe Pfiffikus nach den Herstellern einer gestohlenen Zauberflöte suchen, kommt es am 23. Oktober vor 60 Jahren zur Begegnung der schlumpfigen Art.
Weltraum/Raumfahrt: 1969/70, kurz nach der Mondlandung von Apollo 11, sucht auch der „CosmoSchtroumpf“seine Zukunft im All. Xenophobie: Könnte ja ein Thema sein angesichts der fast hermetischen Lage von Schlumpfdorf. Aber eigentlich sind die kleinen Blauen ganz zutraulich. Nur mit der Sprache tun sich Auswärtige schwer.
Youtube: Hält natürlich auch jede Menge Schlumpfiges bereit.
Zauberflöte: Das erste Schlumpfabenteuer, eingebettet in den Mittelalter-Comic „Johann & Pfiffikus“. Die Schlümpfe eroberten die Herzen des Publikums im Sturm.