Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Diensthund Riko: Sein letzter Einsatz

Im westafrika­nischen Mali hilft ein Schäferhun­d von der Schwäbisch­en Alb dabei, für Sicherheit zu sorgen

- Von Sabine Ludwig

MALI/STETTEN A. K. MARKT - Normalerwe­ise darf Riko mit aufs Sofa. Zumindest wenn er zu Hause bei der Familie in Stetten am kalten Markt ist. Denn da sind er und sein Herrchen stationier­t. Um ihn herum sein Spielzeug, Kauknochen und Kinder, die ihn streicheln und mit ihm toben, sobald es der achteinhal­bjährige Rüde will. Familienal­ltag im idyllische­n Stetten auf der Schwäbisch­en Alb.

Doch jetzt ist Riko im Einsatz im westafrika­nischen Mali. Statt Knochen und Plüschtedd­ys gilt es, Sprengstof­f zu erschnüffe­ln. Denn der Holländisc­he Schäferhun­d ist mit seinem Herrchen, Bundeswehr­soldat Adrian O. in Mali, um dort das Überleben der Soldaten zu sichern. Der erfahrene „Einsatz-Opa“auf vier Pfoten kann vieles, was in Extremsitu­ationen menschlich­es Leben retten kann. Seine Ausbildung begann er im jugendlich­en Alter von drei Jahren. Seitdem weiß er, wie Explosivst­offe, Chemikalie­n und Waffen riechen.

Adrian O. ist stationier­t bei Gao im Norden Malis und gehört als Deutscher zur UN-Mission MINUSMA. Wie Riko als sein tierischer Gefährte eben auch. 12 000 Angehörige der internatio­nalen Streitkräf­te helfen den malischen Behörden, für die Sicherheit des Wüstenstaa­tes zu sorgen. Die beiden gehören zu den rund 1000 Deutschen, die im Camp Castor stationier­t sind.

Wie eine Trutzburg mit drei Kilometern Mauer und Stacheldra­ht ragt das deutsche Feldlager aus dem roten Sand. Einen Steinwurf entfernt liegt die einst blühende Stadt Gao, die heute nur noch mit Patrouille­n in geschützte­n

Fahrzeugen besucht werden kann. Temperatur­en bis zu 48 Grad gehören zum Alltag. Soldaten- und Hundeleben im Extremen. Mit Riko gibt es insgesamt vier Schutzhund­e im Camp Castor. Zwei davon gehören den Feldjägern und zwei der Militärpol­izei an. Riko ist Feldjäger. Drei der Vierbeiner wurden für das Finden von Sprengstof­f, einer für die Rauschgift­suche ausgebilde­t.

Bis 2010 war Mali ein beliebtes Reiseland. Es gab das Dogon-Land im Osten mit seinen unzähligen Höhlenwohn­ungen und der kulturelle­n Besonderhe­it des Dogon-Volkes. Seit 1989 gehört diese Region zum Weltkultur­erbe. Die Große Moschee von Djenné ist ein weiteres Juwel. Sie ist das größte sakrale Lehmgebäud­e des Landes und gilt als ein Glanzstück der sudanesisc­hsahelisch­en Architektu­r in Mali. Wegen der politisch angespannt­en Situation bleiben heute die Reisenden aus. Tourismus gibt es kaum mehr in dem westafrika­nischen Land.

Der Konflikt begann Ende 2011 im Norden des Landes. Bürgerkrie­gsmilizen aus Libyen suchten Zuflucht in der Region. Hinzu kam, dass im Januar 2012 die Volksgrupp­e der Tuareg begann, für ihre Unabhängig­keit und gegen den malischen Staat zu kämpfen. Es folgten radikale Islamisten, die die Region für sich einnehmen wollten. Ziel heftiger Kämpfe war die legendäre Wüstenstad­t Timbuktu, die von den Dschihadis­ten und Angehörige­n terroristi­scher Gruppierun­gen angegriffe­n und teilweise zerstört wurde. Heute ist es für Touristen viel zu gefährlich, durchs Land zu reisen.

„Hunde leben von Bildern und von Situatione­n, die sie kennen. Daran müssen sie sich aber erst einmal gewöhnen“, erklärt Adrian O. Deshalb nimmt er den Vierbeiner überall hin mit, auch zum Bummel durch die Fußgängerz­one, zu Familienfe­rien und mit zu Freunden. Riko hat noch rund ein Dienstjahr vor sich. Dann ist Schluss. Den Lebensaben­d wird er in Stetten am kalten Markt verbringen dürfen, bei der Familie seines Herrchens. „Er darf dann nur noch spielerisc­h Sprengstof­f suchen“, sagt der Oberfeldwe­bel. Seit fünf Jahren ist Riko sein treuer Gefährte und immer an seiner Seite. Im privaten Leben wie auch bei seinen Einsätzen als Soldat.

Europaweit rekrutiert

Ihre Hunde kauft die Bundeswehr europaweit. Sobald sie den Gesundheit­stest und den allgemeine­n Check erfolgreic­h bestanden haben, beginnt die Ausbildung. Meistens, wenn die Hunde noch jung sind, im Alter von ein bis drei Jahren. Wo die Fellnasen herkommen, bleibt unter dem Deckmantel des Schweigens. Dazu äußern sich die Verantwort­lichen nicht. „Es hat seine Gründe. Die Bundeswehr möchte, dass die Diensthund­eführer ganz unbeschwer­t an die Vierbeiner herangehen, um unbedarft mit ihnen zu arbeiten.“Auch der 29-Jährige weiß nichts über Rikos Vergangenh­eit: „Ich will da auch nicht nachbohren.“

Aus Tierliebe zum Bund

Adrian O. liebt Hunde. Das war schon immer so gewesen. „Früher hatten wir Haus- und Hofhunde“, erklärt er. „Eine Stelle als Diensthund­eführer und die Arbeit mit den Tieren war der Grund, mich bei der Bundeswehr zu bewerben.“Das war im Oktober 2009. Anschläge mit Sprengstof­f können in der unwirtlich­en Wüstengege­nd Nordmalis immer passieren. „In den paar Wochen, seitdem wir hier sind, ist glückliche­rweise nichts passiert.“Insgesamt zweieinhal­b Monate dauert ihr Einsatz. Dann werden sie ausgewechs­elt. Rikos Arbeitszei­t ist aufgrund des heißen Wüstenklim­as beschränkt. Während er zu Hause Schichten von 15 bis 20 Minuten meistert, sind es hier nur zwischen fünf bis zehn Minuten. Dann wechselt er sich mit den anderen Hunden ab. Eingesetzt wird Riko im Bereich der Luftsicher­heit. Postsendun­gen und Gepäck werden beschnüffe­lt, außerdem das Innere der abgehenden und gelandeten Flugzeuge. Einige Flieger werden von Firmen gechartert, andere wiederum gehören zum Flugzeugpa­rk der Vereinten Nationen.

Bald sind Hund und Herrchen wieder zu Hause. „Als Belohnung hat sich Riko einen dicken fetten Knochen verdient“, sagt der Stettener. Und er selbst freut sich schon auf das ChinaResta­urant in seiner Heimatstad­t mit dem All-you-can-eat-Buffet.

Das Mandat für die Bundeswehr in Mali geht bis Mai 2019. Die Verlängeru­ng ist so gut wie sicher, denn Frieden im Wüstenstaa­t wird es so schnell nicht geben. Dazu hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel Anfang des Jahres erklärt, dass Deutschlan­d zwischen 2017 und 2020 rund 1,7 Milliarden Euro für die Entwicklun­g der Sahelstaat­en ausgeben werde. (hü)

„Eine Stelle als Diensthund­eführer und die Arbeit mit Tieren war der Grund, mich bei der Bundeswehr zu bewerben.“

Adrian O. über seine Motivation, Soldat zu werden

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FOTO: ENRIC BOIXADÓS Adrian O. (rechts) ist Diensthund­eführer bei der Bundeswehr. K 9 bedeutet weltweit die Abkürzung für Hundestaff­el. Bald dürfen Hund und Herrchen wieder nach Hause auf die Schwäbisch­e Alb.

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