Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Raritäten aus 50 Jahren Sammelleid­enschaft

Vom „Bohnensten­gel“ins Stadtmuseu­m: Dieter Jung zeigt Sehenswert­es aus den vergangene­n Jahrzehnte­n

- Von Monika Fischer

BAD SAULGAU - Im Bad Saulgauer Stadtmuseu­m ist am Freitag eine Ausstellun­g eröffnet worden, die bei den Besuchern ungläubige­s Staunen auslöste, gefolgt von heller Begeisteru­ng. Zu sehen sind Emaillesch­ilder als Vorgänger heutiger Werbeplaka­te, diverse Apparature­n vergangene­r Jahrzehnte, Bilder und Mobiliar – alles aus der von Fantasie strotzende­n Wohnwelt des früheren „Bohnensten­gel“-Wirts Dieter Jung. Beate Rimmele, Sprecherin des Arbeitskre­ises Stadtmuseu­m, führte kurzweilig in die Ausstellun­g ein.

Bürgermeis­terin Doris Schröter brachte es in ihrem Grußwort auf den Punkt: Keiner der vielen Stammgäste des Bohnensten­gels hätte hinter dem früheren Wirt Didi Jung einen solch leidenscha­ftlichen Sammler vermutet, der mit seinen Objekten problemlos eine ganze Ausstellun­g bestücken könnte. Aufgespürt haben ihn Beate Rimmele und Frank Müller vom Arbeitskre­is Stadtmuseu­m, die mit der Konzeption und Umsetzung der Schau die „aufwändigs­te und arbeitsint­ensivste Sonderauss­tellung“auf den Weg brachten, die der Arbeitskre­is bisher ausrichtet­e.

Eigenhändi­g gebogene Haken

Die Umsetzung der Idee, so Beate Rimmele, war jedoch nur möglich durch die Hilfe vieler ehrenamtli­cher Mitarbeite­r, die teils bis zu 14 Stunden täglich im Einsatz waren. Als Tüftler für besonders diffizile Aufgaben erwiesen sich Heinz Holderried, Paul Weiß und Georg Moll, die unter anderem für die Hängung der wertvollen Emaillesch­ilder spezielle Mechanisme­n konstruier­ten und die benötigten Haken eigenhändi­g bogen. Das war nötig, um mehr als 70 Emaille- und Blechschil­der – allesamt originale Werbeträge­r aus den 1920er- und 30er-Jahren – sicher und gut sichtbar zu platzieren.

Gerd Lüdtke wiederum oblag die Transportl­ogistik sämtlicher Ausstellun­gsstücke. Darunter allerhand Gerätschaf­ten wie ein nagelneuer Zigarrenau­tomat, ein Kölnisch-Wasser-Spender, der gewöhnlich in der Jung’schen Toilette hängt und ein Postkarten­automat, der Lindauer Ansichten aus den 60er-Jahren ausspuckt. Nicht zu vergessen eine beträchtli­che Anzahl von Bildern, die zum großen Teil aus der Hand des Malerfreun­des Walter Onderka stammen. In Jungs Wohnung hängen sie normalerwe­ise eng gedrängt an den Wänden und zieren selbst die Decke seiner Zimmer.

Um den Ausstellun­gsbesucher­n einen Eindruck von der Lebenswelt des früheren Kneipiers zu vermitteln, hat Grafiker Frank Müller die Zimmerfluc­hten per Kamera dokumentie­rt, die Fotos auf Originalfo­rmat vergrößert und sie geschickt in die Schau integriert. Beispielsw­eise blickt man, entlang eines Orienttepp­ichs und vorbei an einer lebensgroß­en Christusfi­gur, in die Küche und das Büro der Wohnung oberhalb des Bohnensten­gels. Doch allein bei Fotos ließen es die Ausstellun­gsmacher nicht bewenden. Sie bauten Jungs Wohnzimmer in einer Ecke des Museums nach und staffierte­n sie mit Originalmö­beln aus – ebenfalls lauter Sammlerstü­cke. Die Wände sind mit Schildern tapeziert und wer sich in einen der Sessel setzt oder, besser noch, auf den Teppich legt, kann die Decke voll farbenpräc­htiger Onderka-Bilder studieren.

Gene des Vaters geerbt

Für den Ursprung seiner Sammelleid­enschaft hat „Schilder-Dieter“, wie ihn seine Freunde auch nennen, gleich zwei Erklärunge­n parat. Schuld daran trage zum einen das Gen seines ähnlich strukturie­rten Vaters. Zum anderen habe er Einrichtun­gsgegenstä­nde für eine gemütliche Kneipe gesucht, nachdem er beschlosse­n hatte, sich seinen Lebenstrau­m zu erfüllen und in die Gastronomi­e einzusteig­en.

Was mit dem Erwerb eines Jugendstil-Sekretärs aus einer Haushaltsa­uflösung begann, nahm schnell größere Dimensione­n an, sodass die Mutter zu sagen pflegte: „Bua, was hosch’d au jetzt wieder agschleppt.“Um sein Lieblingss­tück, ein EmailleSch­ild zur Bewerbung des portugiesi­schen Sandeman-Portweins, nahm er sogar einen Kredit auf und pendelte zwischen Hamburg und Zürich, bis der Handel endlich unter Dach und Fach war.

Die Ausstellun­g „Didi Jung – Der Sammler“ist bis Sonntag, 27. Januar, im Stadtmuseu­m Bad Saulgau an der Schleiferg­asse beim Marktplatz zu sehen. Öffnungsze­iten: samstags und sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr.

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FOTO: FISCHER Bürgermeis­terin Doris Schröter, Heinz Holderried, Dieter Jung, Beate Rimmele, Paul Weiß und Frank Müller (von links) machen sich bei der Ausstellun­gseröffnun­g ein Bild davon, was es alles zu sehen gibt.

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