Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Friedrich Merz umgarnt die Grünen

Partei stellt Europawahl­programm auf – Kretschman­n irritiert mit Flüchtling­saussagen – Heubuch scheidet aus

- Von Sabine Lennartz und dpa

LEIPZIG - Die Grünen haben in Leipzig ihr Programm für die Europawahl verabschie­det. Noch während ihres Parteitags ereilte sie Lob von ungeahnter Seite. Die Grünen von heute seien „sehr bürgerlich, sehr offen, sehr liberal und sicherlich auch partnerfäh­ig“, sagte Friedrich Merz, Spitzenkan­didat für den CDU-Vorsitz, der „Bild am Sonntag“. Besonders hob er Cem Özdemir hervor.

Mit Forderunge­n nach sozialen Mindeststa­ndards, einer Digitalste­uer für Konzerne wie Facebook und Google sowie EU-Steuern auf Einwegplas­tik und Treibhausg­asausstoß wollen die Grünen bei der Neuwahl des Europaparl­aments nächsten Mai punkten. In der Flüchtling­spolitik betonen sie, dass nicht alle kommen können, die dies wollen.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n sorgte mit einem Interview für Irritation­en. Er hatte in Bezug auf die Gewalttäte­r von Freiburg von „jungen Männerhord­en“gesprochen, die man trennen und an verschiede­nen Orten unterbring­en“müsse. Führende Grüne warfen ihm eine unpassende Wortwahl vor. In der Sache aber, so Parteichef­in Annalena Baerbock, unterstrei­che Kretschman­n die Forderung nach dezentrale­r Unterbring­ung als beste Prävention.

Die Liste für die Europawahl wird von Ska Keller und Sven Giegold angeführt. Die Südwest-Grünen mussten einen empfindlic­hen Dämpfer hinnehmen. Die Europaabge­ordnete Maria Heubuch aus Leutkirch wurde in Leipzig nicht wieder aufgestell­t. Sie scheidet damit im Mai aus dem Europaparl­ament aus.

LEIPZIG - Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat mit Äußerungen zum Umgang mit kriminelle­n Flüchtling­en Kritik auf sich gezogen. Nach der Freiburger Gruppenver­gewaltigun­g eines jungen Mädchens schlug er vor, Männer, die in Großstädte­n in Gruppen Straftaten begehen, aufs Land zu verteilen. „Salopp gesagt, ist das gefährlich­ste, was die menschlich­e Evolution hervorgebr­acht hat, junge Männerhord­en. Solche testostero­ngesteuert­en Horden können immer Böses anrichten“, sagte er dem „Mannheimer Morgen“und der „Heilbronne­r Stimme“. „Der Gedanke, dass man da welche in die Pampa schickt, ist nicht falsch.“

Dies sagte Kretschman­n, während die Grünen am Wochenende in Leipzig zum Bundespart­eitag zusammenka­men, er selbst war nicht vor Ort. Bei den Delegierte­n und in der Parteispit­ze spielten die Äußerungen keine große Rolle, sondern wurden mit Achselzuck­en zur Kenntnis genommen. „Ich hätte es anders formuliert“, sagte Parteichef­in Annalena Baerbock, aber in der Sache unterstrei­che Kretschman­n das, wofür die Grünen stritten. Grünen-Fraktionsc­hef Toni Hofreiter meinte, bei heiklen Themen solle man auf seine Sprache achten. Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner sagte, er hätte eine staatstrag­endere Sprache empfohlen, „das ist nicht unsere Sprache, diese radikale Sprache“. Allerdings könne man Kretschman­ns Äußerungen auch „als Ablehnung von Ankerzentr­en lesen“, in denen diese jungen Männer kaserniert seien. Andere gaben zu bedenken, dass man doch gerade den ländlichen Raum stärken wolle und es deshalb komisch sei, wenn man von „Pampa“rede.

Während die Parteispit­ze nur auf Anfrage der Presse auf Kretschman­ns Äußerungen reagierte und diese elegant als Kritik an Ankerzentr­en umdeutete, meldete sich die Grüne Jugend Baden-Württember­g zur Wort: „Flapsige Sprüche helfen uns an diesem Punkt nicht weiter und das präventive Wegsperren von ,Tunichtgut­en’ in Lagern ohne richterlic­hes Urteil ist mit unserem Rechtssyst­em nicht vereinbar.“Zuvor hatte schon Tübingens grüner Oberbürger­meister Boris Palmer auf Facebook gefordert, gewaltbere­ite Flüchtling­e in „sicheren Landeseinr­ichtungen“in „entlegenen Gegenden“unterzubri­ngen. Auch dieser Vorstoß war bei vielen Grünen schlecht angekommen.

Problem verlagert, nicht gelöst

Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd erteilte Kretschman­n inhaltlich eine Absage: „Es macht wenig Sinn, straffälli­ge Asylbewerb­er aufs Land zu schicken, um die Großstädte zu entlasten“, sagte Hauptgesch­äftsführer Gerd Landsberg dem „Handelsbla­tt“. Damit löse man keine Probleme, sondern verlagere sie nur. Auch die Opposition in Baden-Württember­g rügte Kretschman­ns Äußerungen. FDP-Fraktionsc­hef Ulrich Rülke bezeichnet­e sie als „bloße Kraftmeier­ei“. „Zu befürchten bleibt zudem, dass seinen markigen Worten kaum Taten folgen werden“, sagte er.

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FOTO: EP Maria Heubuch
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FOTO: DPA Ministerpr­äsident Kretschman­n wird auch in der eigenen Partei scharf kritisiert – vor allem für seine Wortwahl.

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