Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Narrenmarsch in Blockflöten-Variante kommt gut an
Die Pfullendorfer Narren eröffnen die Fasnet mit der Martini-Sitzung – 500 Euro für das Werkstättle
PFULLENDORF - Pünktlich um 11.11 Uhr hat Narrenpolizist Walter Roßknecht am Martini-Tag die Schelle erhoben und die Fasnet eingeläutet. Vertreter der Obrigkeit, der Vereine und zahlreicher Einrichtungen waren der Einladung der Narrenzunft Stegstrecker zur Martini-Sitzung ins Heimatmuseum Bindhaus gefolgt. Dort hatten sich die Narren mächtig ins Zeug gelegt. Selbst an „rote Bebber“für diejenigen, die entsprechend den neuen Datenschutzbestimmungen nicht versehentlich auf ein Foto geraten wollten, hatten Zunftmeister Andres Narr und sein Organisationsteam gedacht.
Die Gäste fühlten sich trotz der vielen Handykameras und Fotoapparate wohl und genossen die närrischen Reden. Erstmals mit dabei und deshalb vom Zunftmeister besonders begrüßt: Der Kaiser Paul, der in diesem Jahr „endlich nicht in seinem Hobbyraum bleiben musste“. Andreas Narr fand in seinen Begrüßungsreimen für jeden ein paar närrische Worte, auch für die, die gar nicht gekommen waren, wie die Vertreter der Schulen oder den einstigen Narrenblattchef Schondel, der, so berichtete Narr, zum Zwecke der Jagd in Italien weilt. Den Vertretern der Stadtratsfraktionen legte er ans Herz, fest zusammenzuhalten, weil „wir keine neuen Blauen im Städtle brauchen“. Besonders grüßte er Siegbert Krall, der als Delinquent des letzten Streckgerichts dazu verurteilt worden war, die anschließende Brennsupp zu bezahlen.
Motto: „Mir sotted immer“
Ins närrische Visier nahm Narr die nächtliche Beleuchtung des neuen Gesundheitszentrums, die je nach wechselnder Farbe an ein Etablissement oder eine riesengroße Fliegenfalle erinnere. Die große Frage im Städtle sei außerdem gewesen „Reg i mi auf oder reg i mi ab“, ließ er auch die kontroverse Debatte über die Kündigung des Reggaefestival nicht aus. Und hinsichtlich der Verlegung der Fahrradausbildung der Grundschüler rief er gar zur „Revolution“auf. „Wenigstens das Fahrradfahren muss man noch lernen können in Pfullendorf, alles andere ist Dreck“, reimte er. Natürlich verriet der Zunftmeister auch das Fasnetsmotto 2019 „Mir sotted immer“, was er auch aufs Teilen bezog. 500 Euro aus der Zunftkasse, die Rüdiger Semet entgegen nahm, gab’s deshalb im Rahmen der Sitzung für das Beschäftigungsprojekt Werkstättle. In verschlüsselten Versen gab Narr schließlich bekannt, wer am Schmotzigen Donnerstag vor dem Streckgericht steht: Einer, der mit Zündeleien zu tun hat und seit Jahr und Tag bei der MartiniSitzung durch Abwesenheit glänzt.
Schultes Thomas Kugler pries natürlich die Vorzüge der Stadt, vor allem im Vergleich mit der Bundesregierung. „Es geht aufwärts hier im Städtle, das ist klar“, reimte er. Und: „Wie entspannt isch des in Pfullendorf, hier läuft’s besser als in der Groko.“Auch Kugler ließ die Absage an das Reggaefestival im Seepark nicht aus: „Wir können keinen städtischen Dealerplatz tolerieren.“
Jörg-Arne Bias, Geschäftsführer der Stadtwerke, griff auf, was nicht so glücklich läuft in Pfullendorf: Dass es am Marktplatz bloß noch Kuchen statt Brennsupp‘ gibt oder dass die Kinder zu Halloween verkleidet sind, statt beim Rosenmontagsumzug mitzulaufen. Werner Groß von der Volksbank hatte seinen Obulus bereits überwiesen und ließ in närrischen Worten Revue passieren, was sich seit seiner ersten Martini-Sitzung vor 20 Jahren so alles geändert hat. Auch Bernd Ruther von der Sparkasse hatte in diesem Jahr nichts Bares dabei. Dafür übergab er ein überdimensionales „Zielsparbuch“ mit ansehnlichem Startkapital für das Narrentreffen. Er packte nicht nur seine Blockflöte aus Kindertagen aus, um zur Freude des Publikums den Narrenmarsch zu spielen, sondern animierte das närrische Volk angesichts der 800-Jahr-Feier der Stadt noch zur musikalischen Frage: „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt.“Die vielstimmige Antwort kam prompt: „Die Sparkass’ soll bezahlen…“.
Für die Kaserne trat Maik Werner ans Mikrofon. Der gebürtige und mit dem närrischen Brauchtum gut vertraute Thüringer nutzte seine Martini-Rede für Werbung in eigener Sache, denn im nächsten Jahr besteht die Pfullendorfer Kaserne seit 60 Jahren, ein Jubiläum, das ausgiebig gefeiert werden soll. Gerda Gebert vom Turnverein, die mit sanft vorwurfsvoller Stimme berichtete, dass notwendige Renovierungen am Hallenbad nicht während der sommerlichen Schließung erledigt wurden, sondern genau dann, als das Freibad schloss und das Hallenbad hätte wieder öffnen sollen. Ein Fauxpas des Bauamts, wie sie glasklar feststellte. Von der Narrenblattredaktion ergriff Thomas Heim das Wort. Es sei des Narren oberstes Ziel, den Spiegel vorzuhalten, warb er um Geschichten und Anekdoten über Bürger, die dann im Narrenblatt abgedruckt werden.
Frohen Schrittes spazierten die Narren und ihre Gäste anschließend die paar Meter hinüber zum „Adler“, wo bereits die traditionelle Brennsupp in den Schüsseln dampfte. Erstmals nach 37 Jahren Brennsupp im „Kaiser“. „Ich hoffe, dass die das können“, hatte Andreas Narr zuvor ein Stoßgebet zum Himmel geschickt.