Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Brüssel darf nicht nachgeben
Die EU-Kommission steckt in einer ungemütlichen Zwickmühle. Zeigt sie Härte, wie gegenüber Großbritannien in den Brexit-Verhandlungen oder bislang im Haushaltsstreit mit Italien, ist das für Euroskeptiker ein weiterer Beleg dafür, dass sich Brüssel überall einmischt. Agiert sie jedoch zurückhaltend, fühlen sich diejenigen Mitgliedsländer im Stich gelassen, die sich noch an die europäischen Spielregeln halten.
Am 21. November will die Kommission erneut zum italienischen Budget Stellung nehmen. Hoffentlich bleibt sie konsequent und leitet ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Denn die Stellungnahme aus Rom vernebelt die Tatsachen. Die Neuverschuldung ist dreimal so hoch, wie es mit der Vorgängerregierung vereinbart war. Wenn es Rom zudem gestattet würde, die Kosten für Naturkatastrophen aus dem Defizit herauszurechnen, wäre der Stabilitätspakt am Ende. Unvorhergesehene Ausgaben gibt es schließlich in fast jedem Land der Eurozone.
Die Kreditgeber reagieren schon jetzt auf die unsichere Haushaltslage. Die Zinsen für italienische Staatsanleihen werden weiter steigen. Das treibt die Staatsausgaben hoch, ohne dass die italienischen Wähler davon profitieren würden. Natürlich hat Rom den Schuldigen für diese missliche Entwicklung schon ausgemacht: Es ist die EU-Kommission, die mit ihrer Kritik am italienischen Haushalt die Kreditwürdigkeit des Landes in Zweifel zieht.
Keinesfalls darf Brüssel aus Angst vor derartigem populistischem Geschrei klein beigeben. Die Zusicherung, die Stabilitätskriterien streng und ohne Ausnahmen zu überwachen, war die Voraussetzung dafür, dass die wirtschaftlich starken Nordländer ihr Geld mit den Südländern in den gleichen Topf warfen. Wenn nun die Drohung mit Volkes Stimme ausreicht, um die Regeln außer Kraft zu setzen, wird das die Europäische Union in den Ländern mit euroskeptischer Mehrheit nicht beliebter machen. Und bei den Nachbarn mit soliden Staatsfinanzen, die die Zeche dafür zahlen müssen, steigt der EU-Verdruss ebenfalls.