Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Italien bekräftigt Ablehnung
Kommission muss spätestens nächste Woche reagieren
ROM/BRÜSSEL (dpa/mig) - Italien will im Haushaltsstreit mit der EU von seinen Schuldenplänen nicht abweichen. Die Haushaltsziele für das kommende Jahr änderten sich nicht, bekräftigte Vizepremier Matteo Salvini am Mittwoch. „Wir bewegen uns um keinen Millimeter“, sagte der Lega-Chef. Salvini warnte die EU davor, Sanktionen gegen „das italienische Volk“zu verhängen. „Wir haben eingesehen, dass die von Brüssel befürworteten Budgetpläne der vergangenen Jahre Italien nicht gutgetan haben, und wir haben beschlossen, einen anderen Weg zu gehen. Wir machen weiter“, erklärte Salvini.
Brüssel hatte den Haushaltsentwurf durchfallen lassen und von Italien Änderungen gefordert, weil das Land seit Jahrzehnten auf einem riesigen Schuldenberg sitzt. Das Ultimatum lief in der Nacht zum Mittwoch aus. Spätestens bis zum 21. November muss die Kommission nun reagieren.
ROM - Italien bleibt hart. Die populistische und rechtsradikale Regierung in Rom hat der Kritik der EU-Kommission in Rom bezüglich des Haushaltsgesetzes für das Jahr 2019 nicht nachgegeben. Rom besteht auf sein Defizitziel von 2,4 Prozent des Bruttosozialprodukts für das kommende Jahr. Vorgängerregierungen hatten sich der EU gegenüber auf nur 0,8 Prozent festgelegt.
Bis Dienstag Mitternacht hatte Rom auf die Frist aus Brüssel zu antworten. Das mit Spannung erwartete Antwortschreiben kam gegen 23 Uhr in Brüssel an. Unterzeichnet wurde es von Finanzminister Giovanni Tria. Der Minister wies in seinem Brief darauf hin, dass man ständig das Defizitziel kontrollieren werde, damit es 2,4 Prozent nicht übersteige.
Nur in einem einzigen Punkt revidierte Italien seinen Haushaltsplan: Durch den geplanten Verkauf staatlicher Immobilien sollen mindestens zehn Milliarden Euro eingenommen werden. Doch solange diese Verkaufsgewinne nicht konkret eingefahren würden, sagte der ehemalige italienische Regierungschef Matteo Renzi von den Sozialdemokraten, „ist das nichts als Augenwischerei“.
Demonstratives Joggen
Mit dem Brief aus Rom hat Italien mit einem Federstrich den Stabilitätspakt der EU für nichtig erklärt. „Eine Ohrfeige für die EU-Partner“, sagte ExPremierminister Silvio Berlusconi von der oppositionellen Partei Forza Italia. Um zu zeigen, dass man sich durch Brüsseler Druck nicht aus der Ruhe bringen lässt, ging Italiens Innenminister und Chef der rechtsradikalen Partei Lega, Matteo Salvini, noch am späten Dienstagabend in Roms Innenstadt joggen – direkt nach der Ministerratssitzung, die die harsche Antwort an Brüssel definierte. Vor der Sitzung hatte Matteo Salvini gesagt, der Haushalt solle „mehr Beschäftigung, mehr Rentenansprüche und weniger Steuern“ermöglichen. „Wenn das Europa passt, um so besser. Wenn es Europa nicht passt, werden wir trotzdem weitermachen.“
Auch die ersten Reaktionen der Finanzmärkte am Mittwoch lassen Salvini und seine Regierung kalt. „Was kümmern mich diese Erbsenzähler“, sagte der Innenminister dazu. Sowohl bei Staatsanleihen als auch bei italienischen Aktien gab es deutliche Kursverluste.
Während es mit den Kursen italienischer Staatspapiere nach unten ging, legten die Renditen im Gegenzug kräftig zu. Das heißt, Investoren stoßen die Staatspapiere ab, der italienische Staat wiederum muss höhere Zinsen an Anleger zahlen. Der Schuldendienst sich damit.
Die Entwicklung sorgte auch an der Aktienbörse in Mailand für eine nervöse Stimmung. Der italienische Leitindex FTSE MIB verlor am Mittwochvormittag 1,83 Prozent. Zu den Verlierern zählten dabei unter anderem Italiens verteuert italienische Banken. Der Haushaltsstreit verpasste nicht nur dem italienischen sondern auch dem deutschen Aktienmarkt einen Dämpfer. Der Dax fiel am Mittwoch um rund 1,2 Punkte.
Um Wahlversprechen zu realisieren, nämlich ein Grundgehalt für mehr als zehn Millionen Bürger und eine teure Rentenreform, müssen Neuschulden aufgenommen werden. Brüssel befürchtet jetzt ein zweites Griechenland. „Der Versuch, Schulden mit noch mehr Schulden zu kurieren, ist verführerisch“, erklärte am Mittwoch EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis, aber „am Ende ist gar keine Handlungsfreiheit mehr übrig.“Rom sieht das ganz anders. „Jetzt endlich sind wir frei zu tun, was unser Volk verlangt, ohne dass uns die EU-Bürokraten reinreden“, sagt Salvini.
Defizitverfahren denkbar
EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici spricht zwar von einer „gewissen Flexibilität“und definiert die Regeln des Stabilitäts- und Wirtschaftspakts nicht als sklavisch einzuhaltendes Regelwerk, doch er gibt sich im Fall Italiens unnachgiebig. Es wird deshalb mit einer weiteren Eskalationsstufe im Haushaltsstreit gerechnet. Die Folge wäre die Einleitung eines Defizitverfahrens. Sollte dies tatsächlich geschehen, wäre eine Kürzung von EU-Strukturhilfen für Italien nicht ausgeschlossen. Denkbar ist auch eine Geldbuße von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, maximal könnten das 3,5 Milliarden Euro sein.