Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Streit über Finanzieru­ng der EU bahnt sich an

Mittel müssen von den 27 verbleiben­den Staaten aufgebrach­t werden

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STRASSBURG (AFP) - Sechs Monate vor der Europawahl kündigt sich in der EU ein handfester Streit über die Finanzauss­tattung der Gemeinscha­ft im nächsten Jahrzehnt an. Das Europaparl­ament kritisiert­e den von der EU-Kommission im Mai vorgelegte­n Finanzrahm­en für die Zeit nach dem Brexit als unzureiche­nd. Die Vorschläge reichten nicht aus, um den „bevorstehe­nden wichtigen Herausford­erungen gerecht zu werden“, stellte das Parlament am Mittwoch in einer Entschließ­ung fest.

Insgesamt fordert die EU-Volksvertr­etung für den Zeitraum von 2021 bis 2027 rund 1334 Milliarden Euro – 55 Milliarden mehr als von der EU-Kommission vorgeschla­gen. Deutliche Aufstockun­gen verlangen die Abgeordnet­en für das Forschungs­programm der EU, den Investitio­nsplan zur Ankurbelun­g der Wirtschaft, für Verkehrsin­frastruktu­ren, die Bekämpfung der Jugendarbe­itslosigke­it sowie für das Studenten-Austauschp­rogramm Erasmus. Von der Kommission vorgeschla­gene Einsparung­en bei der Agrarpolit­ik und dem Kohäsionsf­onds zugunsten ärmerer Regionen lehnt das Parlament ab. Die vom Europaparl­ament geforderte­n Mittel müssen nach dem Brexit ohne Großbritan­nien von den 27 verbleiben­den EU-Staaten aufgebrach­t werden. Dazu soll nach dem Willen der Abgeordnet­en die Obergrenze für den Anteil des Gemeinscha­ftshaushal­ts an der EU-Wirtschaft­sleistung von derzeit einem auf 1,3 Prozent angehoben werden.

Die Europaparl­amentarier fordern zugleich zusätzlich­e Eigenmitte­l für die EU, damit diese weniger von den Beitragsza­hlungen der Mitgliedst­aaten abhängig ist. Unter anderem schlagen sie eine Steuer für die Digitalwir­tschaft vor. Diesen Vorstoß unterstütz­t die Kommission, bei einigen Mitgliedsl­ändern stößt er hingegen auf Widerstand.

Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger hatte am Vortag seine Forderung nach einer Kürzung der Ausgaben für die Agrar- und Kohäsionsp­olitik verteidigt. Diese beiden Posten machten derzeit 70 Prozent des EU-Haushalts aus. Ihr Anteil solle nach dem Brexit auf 60 Prozent reduziert werden. Zugleich rief er den Rat der EU-Staaten auf, sich nun rasch auf eine Position zu einigen.

Das Europaparl­ament hofft auf eine Einigung noch vor der Europawahl im Mai. Denn viele Abgeordnet­e befürchten, dass europafein­dliche Parteien bei der Wahl an Zulauf gewinnen, was einen Kompromiss zusätzlich erschweren würde.

Für den amtierende­n österreich­ischen EU-Vorsitz dämpfte die Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, Karoline Edtstadler, aber die Erwartunge­n. Die Verhandlun­gen seien „sehr schwierig“, sagte sie in Straßburg. „Wir brauchen Zeit, um eine globale Lösung zu finden.“Über die Finanzieru­ng der EU entscheide­n das Europaparl­ament und die Mitgliedst­aaten gemeinsam.

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FOTO: AFP EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger will die Ausgaben für die Agrar- und Kohäsionsp­olitik kürzen.

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