Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Einzelhandel wehrt sich gegen Dieselfahrverbote
Attraktivitätsverlust der Innenstädte befürchtet – Nachrüstungssystem für Handwerker-Fahrzeuge angemahnt
BERLIN - Der deutsche Handel wehrt sich gegen die in immer mehr Städten drohenden Dieselfahrverbote. „Fahrverbote müssen ein für alle Mal vom Tisch“, sagte der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser. Sie seien „Gift für den Handel“. Hier müsse die Politik handeln.
Viele kleine Händler in der Innenstadt kämpften angesichts des boomenden Online-Handels ums Überleben. Fahrverbote würden deren Problem noch verschärfen, warnte Sanktjohanser. Es drohe ein weiterer Attraktivitätsverlust der Innenstädte. Trotz aller Herausforderungen laufen die Geschäfte im Einzelhandel nach Einschätzung des HDE-Präsidenten insgesamt gut. „Wir erwarten dieses Jahr im Weihnachtsgeschäft erstmals über 100 Milliarden Euro Umsatz“, sagte er. Allerdings komme die gute Konjunktur und die Kauflaune der Bundesbürger nicht allen Händlern gleichermaßen zugute. Gewinner seien vor allem die großen Unternehmen, besonders wenn sie sowohl im Internet als auch stationär unterwegs seien. Für kleine und mittlere Unternehmen sehe es deutlich schlechter aus.
Nach Ansicht der Grünen ist das Dieselkonzept der Bundesregierung „auch einen Monat nach dem Beschluss nicht mehr als ein Stück Papier“. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe Hardware-Nachrüstungen bei kommunalen und gewerblichen Fahrzeugen angepriesen und ein Förderprogramm in Aussicht gestellt, sagte Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Der Minister kann nichts fördern, was nicht existiert. Der Verkehrsminister muss endlich aufs Tempo drücken, wenn er weitere Fahrverbote abwenden will“, so Kühn.
Eine Anfrage der Grünen beim Bundesverkehrsministerium ergab, dass noch kein Nachrüstungssystem für die Fahrzeuge von Handwerkern und anderen Selbstständigen genehmigt sei. In den Städten mit zu hoher Stickstoffbelastung sind 28 000 schwere Kommunalfahrzeuge mit Dieselantrieb etwa für die Müllabfuhr oder den Winterdienst zugelassen. Hinzu kommen 945 000 Dieselfahrzeuge, mit denen Handwerker, Lieferanten und andere Selbständige unterwegs sind. Für diese Gruppen hatte die Regierung eine Förderung der Hardware-Nachrüstung zugesagt, weil ein Fahrverbot sie besonders hart treffen würde. Zudem verspricht sie sich von der Nachrüstung dieser Fahrzeuge eine starke Reduzierung der Emissionen. Auch bei privaten Pkw müsse die Bundesregierung schneller zu Ergebnissen kommen, sagte Kühn.