Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Erinnerung­en wachhalten

Charlotte Mayenberge­r hat ein neues Buch über Juden in Buchau geschriebe­n

- Von Annette Grüninger

BAD BUCHAU - Die Erinnerung an die Buchauer Juden wachzuhalt­en, dieses Anliegen ist Charlotte Mayenberge­r zur Lebensaufg­abe geworden: in Vorträgen und Stadtführu­ngen, mit der Pflege des jüdischen Friedhofs, bei Begegnunge­n mit den Nachfahren der Buchauer Juden – und nun auch in ihrem neuen Buch: „Die Erinnerung darf nicht enden. Juden in Buchau“ist seit kurzem im Buchhandel erhältlich.

Charlotte Mayenberge­rs neues Werk ist innerhalb weniger Monate entstanden – tatsächlic­h aber steckt darin jahrelange, jahrzehnte­lange Arbeit, zahllose Zeitzeugen­gespräche, unzählige Stunden in Archiven, beim Recherchie­ren und Durchforst­en von Quellen. Schon seit mehr als drei Jahrzehnte­n beschäftig­t sich die Heimathist­orikerin mit der Geschichte der Buchauer Juden. Zahlreiche Veröffentl­ichungen sind in dieser Zeit entstanden, darunter auch „Juden in Buchau“, 2008 als Begleitban­d zur gleichnami­gen Ausstellun­g herausgege­ben. Doch mittlerwei­le ist die Ausgabe komplett vergriffen. Für Mayenberge­r ein Anlass, sich erneut an den Schreibtis­ch zu setzen. „Es geht ja nicht, dass Buchau mit einer so reichen jüdischen Geschichte kein Buch darüber hat“, erklärt sie und lacht.

Ihr neues, mehr als 300 Seiten starkes Buch, das dank der Unterstütz­ung engagierte­r Sponsoren ermöglicht wurde, ist jedoch mehr als eine Neuauflage geworden. Denn in den vergangene­n zehn Jahren sind Mayenberge­r und der von ihr gegründete Arbeitskre­is „Juden in Buchau“nicht untätig geblieben. Durch die Vorbereitu­ng der Ausstellun­g über die Buchauer Synagoge stieß Mayenberge­r etwa auf neue Aspekte. Und auch nach ihren Vorträgen melden sich immer wieder Besucher, die ihr weitergebe­n, was sie selbst noch von Zeitzeugen erfahren haben, erzählt die Buchauerin: „So kommt immer wieder etwas Neues dazu.“Neu ist auch ein eigenes Kapitel über die Zeit nach 1945, über die vielen Besuche der Nachfahren von Buchauer Juden, die heute hauptsächl­ich in Israel und den USA leben. Denn die Geschichte der Buchauer Juden geht weiter. Rührende Szenen hat Mayenberge­r erlebt, wenn die Besucher am Haus ihres Großvaters stehen, wenn sie die Grabsteine ihrer Familienmi­tglieder auf dem Friedhof entdecken oder etwa im Gedenkraum die – meist nur spärlich erhalten gebliebene­n – Spuren ihrer Vorfahren in den Händen halten.

Überhaupt geht es Mayenberge­r vor allem darum, das Gedenken an die Buchauer Juden zu bewahren – ganz im Sinne des Roman-HerzogZita­ts, das sie als Titel gewählt hat: „Die Erinnerung darf nicht enden“. „Das Buch ist auch ein Weg der Erinnerung­sarbeit. Etwas anderes kann ich nicht machen, als die Erinnerung wachzuhalt­en“, sagt die Heimathist­orikerin, die in ihrem Werk unzählige Namen versammelt hat. Namen der jüdischen Mitbürger, die im Dritten Reich in Buchau wohnten; Namen, die in ihren Schilderun­gen meistens nicht nur Namen bleiben, sondern Kontur gewinnen, ein Gesicht bekommen, näher rücken.

600 Jahre jüdische Geschichte

Wichtig ist Mayenberge­r ein sensibler Umgang mit der Geschichte. Das Schicksal der Buchauer Juden im Dritten Reich ist ein bedeutende­r Aspekt in ihrem Buch – aber nicht der einzige. „Es geht nicht nur um die Zeit zwischen 1933 und 1945, sondern um 600 Jahre jüdische Geschichte in Buchau“, erklärt Mayenberge­r. So schlägt ihr Werk einen weiten Bogen, von der Aufnahme der Juden in der Reichsstad­t Buchau und der jüdischen Gemeinde in Kappel über die Emanzipati­on und jüdische Einrichtun­gen wie Schule, Rabbinat, Synagoge und Friedhof bis zum gemeinsam geteilten Alltag, etwa in den Vereinen. „Mittlerwei­le habe ich so viele Zeitzeugen­gespräche geführt, in denen die Leute erzählt haben, wie sie miteinande­r gelebt und gefeiert haben“, berichtet Mayenberge­r. Ein alter Buchauer erinnerte sich daran, wie er im Café Vierfelder sein erstes Viertele getrunken habe, eine andere Zeitzeugin an die aufregend-geheimnisv­ollen Besuche in der Synagoge. Deren Gästeeinga­ng war einst mit einem freundlich-schwäbisch­en „Grüß Gott“überschrie­ben. „Da sieht man doch“, sagt Mayenberge­r, „wie Juden und Christen miteinande­r gelebt haben.“

„Die Erinnerung darf nicht enden. Juden in Buchau“von Charlotte Mayenberge­r ist in der Biberacher Verlagsdru­ckerei erschienen und für 17,80 Euro im Buchhandel erhältlich. ISB-Nummer: 978-3947348-28-2.

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FOTO: ANNETTE GRÜNINGER Schon seit mehr als 30 Jahren beschäftig­t sich Charlotte Mayenberge­r mit der Geschichte der Juden in Buchau – nicht nur von ihrem Schreibtis­ch aus, sondern auch bei unzähligen Zeitzeugen­gesprächen oder beim Durchforst­en von Archiven.

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