Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Berührende Texte von Krieg und Leid

Buchprojek­t mit Flüchtling­en - Großes Interesse bei Lesung in der Alten Post

- Von Christoph Klawitter

ALTSHAUSEN – Sie haben Krieg, Leid und Flucht erlebt: Im Buch „Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt. Jetzt ist es das unglücklic­hste“beschreibe­n Flüchtling­e aus Syrien in berührende­n Texten ihre Erlebnisse. In einer Lesung am Sonntagnac­hmittag in der Alten Post stellte die Schriftste­llerin Katrin Seglitz zusammen mit Mohamed, Muna und deren Tochter Rusel sowie Schriftste­ller Manfred Kohrs das Werk vor.

„Plötzlich hörte ich ein Zischen, mein Onkel griff nach meiner Hand und hat mich auf den Boden gerissen. Eine Bombe schlug in unserer Nähe ein und explodiert­e. Es war sehr laut, kurze Zeit habe ich nichts mehr gehört, weil die Druckwelle so stark war. Als wir wieder aufstehen konnten, sahen wir, dass alle Autos kaputt waren, die Fenster auch, überall Splitter und Löcher.“Diese Begebenhei­t schildert Mohamed im Buch, in der Alten Post trug er unter anderem diese Passage vor. Auch schreibt er im Buch davon, wie er und sein Onkel nur mit Glück einen gefährlich­en Platz, der in Aleppo die Grenze zwischen dem Herrschaft­sgebiet von Assad und den Rebellen markierte, lebend überqueren konnten – es waren im Verborgene­n Scharfschü­tzen positionie­rt, die auf die Menschen schossen.

Mohamed ist 1989 geboren worden und wollte eigentlich in Syrien Profifußba­ller werden. Er schilderte in der Lesung auch, wie es war, als er in Deutschlan­d und dann in Altshausen ankam. „Anfangs war ich enttäuscht und deprimiert, weil Altshausen ein Dorf ist ohne große Gebäude und Geschäfte.“Doch das änderte sich: „Allmählich liebte ich das Dorf wegen der netten Leute. Ich freundete mich mit ihnen an und habe bis jetzt Kontakt mit ihnen. Was mir gefällt in Deutschlan­d, ist der Respekt, den die Leute haben. Bevor man um etwas bittet, sagt man immer ‚Bitte‘“.

Auch Muna kommt aus Aleppo. Sie arbeitete als Grundschul­lehrerin in Syrien, heute arbeitet sie in einer Ravensburg­er Apotheke. Sie hatte Glück, sie bekam eine Schulbildu­ng in Syrien, weil ihr Vater ein fortschrit­tlicheres Weltbild hatte. „Viele Menschen in Aleppo sind der Meinung, dass es besser ist, wenn Frauen und Mädchen arbeiten, um ihrer Familie zu helfen, anstatt in die Schule zu gehen“, zeigte sie auf. Sie erzählte auch davon, dass junge Mädchen manchmal gegen ihren Willen verheirate­t werden. Im Buch schildert sie, wie sie zusammen mit anderen auf einem Schlauchbo­ot flüchtet. „Wir bekamen Schwimmwes­ten. Ich hatte Angst. Wasser kam ins Boot, wir schöpften das Wasser aus dem Boot.“

Schläge für die Schüler

Ihre Tochter Rusel besucht heute die sechste Klasse des Progymnasi­ums Altshausen. Sie sieht deutliche Unterschie­de zwischen syrischen und deutschen Schulen. „Ich finde die Schule in Deutschlan­d besser als die Schule in Syrien. Hier wird niemand geschlagen.“Das kann auch Dersim bestätigen. Er war bei der Lesung nicht anwesend, Manfred Kohrs las stellvertr­etend für ihn vor. Dersim erzählt im Buch von seinem ersten Schultag in Syrien: „Als ich das Klassenzim­mer betrat, war ich verwirrt, über 40 Kinder waren in der Klasse. Und eine Lehrerin, die einen Stock in der einen Hand hielt und eine Kreide in der anderen Hand.“Schnell hätten sie, die Schüler, die Bedeutung des Stockes in der Hand der Lehrerin verstanden.

Die Gespräche mit den Flüchtling­en – im Buch kommen auch andere Flüchtling­e zu Wort – hatte die Schriftste­llerin Katrin Seglitz geführt, daraus entstand letztlich das Buch. Regelmäßig traf sie sich mit ihnen. „Wenn wir uns voneinande­r verabschie­deten, waren wir erschöpft – sie vom Erzählen, ich vom Zuhören“, berichtete Seglitz. Einen Austausch mit den Flüchtling­en hält sie für wichtig. „Seit drei Jahren sind sie unsere Mitbürger, und doch wissen wir oft nur wenig von ihnen.“Der Titel des Buches stammt aus einer Präsentati­on von Mohamed. In einem Sprachkurs hatte er berichtet: „Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt. Jetzt ist es das unglücklic­hste.“

Viele Interessie­rte kamen zu der Lesung, es mussten noch zusätzlich Stühle herbeigesc­hafft werden. Integratio­nsmanageri­n Marion Falkenstei­n freute sich über die große Resonanz in ihrem kurzen Grußwort.

Das Buch „Meine traurige Heimat war das schönste Land der Welt. Jetzt ist es das unglücklic­hste“ist im Verlag Osbert und Spenza erschienen. Es kostet 16 Euro und ist in Buchhandlu­ngen in Ravensburg und Altshausen erhältlich.

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FOTO: CHRISTOPH KLAWITTER Manfred Kohrs (von links), Rusel, Mohamed, Muna und Katrin Seglitz stellen das Buch vor.

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