Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Armut ist trotz Wohlstand vorhanden

Martinsläd­le feiert zehnjährig­es Bestehen – Durchschni­ttlich 25 Kunden pro Öffnungsta­g

- Von Christoph Klawitter

MENGEN - Mehr Armut trotz steigendem Wohlstand: Bei der Feier zum zehnjährig­en Bestehen des Martinsläd­les, also der Mengener Tafel, waren auch sozialkrit­ische Töne zu hören. Mit einem Gottesdien­st, einem Stehempfan­g im katholisch­en Gemeindeha­us und einem Tag der offenen Tür feierte das Martinsläd­le sein Jubiläum.

Das Martinsläd­le wird von der Mengener Kolpingsfa­mile getragen. Deren Vorsitzend­er Herbert Schlieske blickte auf die Entstehung­sgeschicht­e zurück. „Dank der Initiative unseres Pfarrers und Präses Stefan Einsiedler sind wir mehrheitli­ch zu der Überzeugun­g gekommen, in Mengen einen Tafelladen zu gründen und zu betreiben“, sagte Herbert Schlieske. Am 4. Februar 2009 eröffnete die Kolpingsfa­milie dann das Martinsläd­le, und zwar im Gebäude Hauptstraß­e 111. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass der Laden zu klein wurde. Im Jahr 2016 folgte dann der Umzug am heutigen Standort an der Beizkofer Straße.

Wie Schlieske erläuterte, arbeiten derzeit 49 Mitarbeite­r für das Martinsläd­le, darunter elf Fahrer. Es kommen dabei insgesamt pro Jahr etwa 4000 Euro an ehrenamtli­chen Arbeitsstu­nden zusammen. 3000 Kilometer werden jährlich mit dem Kühlauto des Martinsläd­les zurückgele­gt, 20 000 Kilogramm an Ware werden ans Martinsläd­le gespendet. Pro Ladenöffnu­ngstag kommen laut Schlieske im Schnitt 20 bis 25 Kunden. Der Betrieb des Martinsläd­les kostet Geld, zum Beispiel Strom. „Der Strom kommt ja von der Stadt“, sagte Schlieske. Vielleicht könne die Stadt da ja das Martinsläd­le unterstütz­en, hoffte er in seinem Grußwort in Richtung Stadt.

„Ungleichhe­it wächst“

Landtagsab­geordnete Andrea Bogner-Unden (Grüne) schlug in ihrer Ansprache sozialkrit­ische Töne an. Ihrer Meinung nach sei es beschämend, dass die Armut in Deutschlan­d steige. Sie zitierte einen Armutsberi­cht, wonach aktuell rund 16 Prozent der Bevölkerun­g in Armut lebten – in den 1990er-Jahren seien es noch elf Prozent gewesen. „Die Armut steigt, trotz abnehmende­r Arbeitslos­enquote“, gab Bogner-Unden zu Bedenken. Auch wirtschaft­lich gab es in dem Zeitraum Wachstum zu verzeichne­n, doch das Mehr an Wohlstand werde ungleich verteilt: „Wohlstand und Reichtum wachsen, doch ebenso wächst die Ungleichhe­it in unserem Land“, sagte sie. „Die Entwicklun­g ist meiner Meinung nach kein Naturgeset­z, sondern ist politisch verursacht.“Und es gebe auch politische Möglichkei­ten, das wieder zu ändern, mahnte sie Veränderun­gen beispielsw­eise bei der Rente an. Und auch auf kommunaler Ebene brauche es Unterstütz­ung. „Vielleicht kann man wenigstens das Thema Strom etwas anschieben“, stellte sie einen direkten Bezug nach Mengen her.

Bürgermeis­ter Stefan Bubeck griff das Thema Strom auf. Die Stadtwerke Mengen müssten einen Großteil des Stroms an einer dafür vorgesehen­en Börse einkaufen. „Das ist ein knallharte­s Geschäft heutzutage“, so Bubeck. Er machte deutlich, dass die Stadtwerke auch für Hallenbad und Freibad zuständig sind. „Und beide Bäder haben zusammen ein Defizit von 50 0000 Euro“, sagte er, und fügte gleich hinzu, dass er die Bäder aber nicht schließen wolle. Über den Strompreis gebe es eine Quersubven­tionierung, das heißt, Bürger, die Strom von den Stadtwerke­n kaufen, würden es indirekt demnach möglich machen, Hallenbad und Freibad weiter zu betreiben.

Er berichtete von einem aktuellen Beispiel: Manche Bürger in Mengen würden billigere Stromtarif­e übers Internet buchen. Doch die entspreche­nde Firma sei dann irgendwann insolvent, weil sie zuvor Strom an der Börse gekauft habe um ihn dann billiger an die Kunden weiterzuve­rkaufen, nur um Kunden zu haben. Nach der Insolvenz der Firma müssten dann die Stadtwerke als örtlicher Stromliefe­rant einspringe­n, und das auch noch zu den Billig-Konditione­n der insolvente­n Stromfirma. „Das ist aktuelle Gesetzgebu­ng zum Strom“, kritisiert­e Bubeck.

Vor diesem Hintergrun­d ließ Bubeck durchblick­en, dass es kein Entgegenko­mmen für das Martinsläd­le bei den Stromkoste­n geben dürfte. Sollte aber das Martinsläd­le wegen den Stromkoste­n ins Defizit rutschen, und die Stadtwerke gleichzeit­ig ein positives Ergebnis und kein Defizit am Jahresende haben, könne man darüber noch einmal reden.

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FOTO: CHRISTOPH KLAWITTER Herbert Schlieske (am Mikrofon) stellt Daten und Fakten zum Martinsläd­le vor.

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