Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Armut ist trotz Wohlstand vorhanden
Martinslädle feiert zehnjähriges Bestehen – Durchschnittlich 25 Kunden pro Öffnungstag
MENGEN - Mehr Armut trotz steigendem Wohlstand: Bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen des Martinslädles, also der Mengener Tafel, waren auch sozialkritische Töne zu hören. Mit einem Gottesdienst, einem Stehempfang im katholischen Gemeindehaus und einem Tag der offenen Tür feierte das Martinslädle sein Jubiläum.
Das Martinslädle wird von der Mengener Kolpingsfamile getragen. Deren Vorsitzender Herbert Schlieske blickte auf die Entstehungsgeschichte zurück. „Dank der Initiative unseres Pfarrers und Präses Stefan Einsiedler sind wir mehrheitlich zu der Überzeugung gekommen, in Mengen einen Tafelladen zu gründen und zu betreiben“, sagte Herbert Schlieske. Am 4. Februar 2009 eröffnete die Kolpingsfamilie dann das Martinslädle, und zwar im Gebäude Hauptstraße 111. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass der Laden zu klein wurde. Im Jahr 2016 folgte dann der Umzug am heutigen Standort an der Beizkofer Straße.
Wie Schlieske erläuterte, arbeiten derzeit 49 Mitarbeiter für das Martinslädle, darunter elf Fahrer. Es kommen dabei insgesamt pro Jahr etwa 4000 Euro an ehrenamtlichen Arbeitsstunden zusammen. 3000 Kilometer werden jährlich mit dem Kühlauto des Martinslädles zurückgelegt, 20 000 Kilogramm an Ware werden ans Martinslädle gespendet. Pro Ladenöffnungstag kommen laut Schlieske im Schnitt 20 bis 25 Kunden. Der Betrieb des Martinslädles kostet Geld, zum Beispiel Strom. „Der Strom kommt ja von der Stadt“, sagte Schlieske. Vielleicht könne die Stadt da ja das Martinslädle unterstützen, hoffte er in seinem Grußwort in Richtung Stadt.
„Ungleichheit wächst“
Landtagsabgeordnete Andrea Bogner-Unden (Grüne) schlug in ihrer Ansprache sozialkritische Töne an. Ihrer Meinung nach sei es beschämend, dass die Armut in Deutschland steige. Sie zitierte einen Armutsbericht, wonach aktuell rund 16 Prozent der Bevölkerung in Armut lebten – in den 1990er-Jahren seien es noch elf Prozent gewesen. „Die Armut steigt, trotz abnehmender Arbeitslosenquote“, gab Bogner-Unden zu Bedenken. Auch wirtschaftlich gab es in dem Zeitraum Wachstum zu verzeichnen, doch das Mehr an Wohlstand werde ungleich verteilt: „Wohlstand und Reichtum wachsen, doch ebenso wächst die Ungleichheit in unserem Land“, sagte sie. „Die Entwicklung ist meiner Meinung nach kein Naturgesetz, sondern ist politisch verursacht.“Und es gebe auch politische Möglichkeiten, das wieder zu ändern, mahnte sie Veränderungen beispielsweise bei der Rente an. Und auch auf kommunaler Ebene brauche es Unterstützung. „Vielleicht kann man wenigstens das Thema Strom etwas anschieben“, stellte sie einen direkten Bezug nach Mengen her.
Bürgermeister Stefan Bubeck griff das Thema Strom auf. Die Stadtwerke Mengen müssten einen Großteil des Stroms an einer dafür vorgesehenen Börse einkaufen. „Das ist ein knallhartes Geschäft heutzutage“, so Bubeck. Er machte deutlich, dass die Stadtwerke auch für Hallenbad und Freibad zuständig sind. „Und beide Bäder haben zusammen ein Defizit von 50 0000 Euro“, sagte er, und fügte gleich hinzu, dass er die Bäder aber nicht schließen wolle. Über den Strompreis gebe es eine Quersubventionierung, das heißt, Bürger, die Strom von den Stadtwerken kaufen, würden es indirekt demnach möglich machen, Hallenbad und Freibad weiter zu betreiben.
Er berichtete von einem aktuellen Beispiel: Manche Bürger in Mengen würden billigere Stromtarife übers Internet buchen. Doch die entsprechende Firma sei dann irgendwann insolvent, weil sie zuvor Strom an der Börse gekauft habe um ihn dann billiger an die Kunden weiterzuverkaufen, nur um Kunden zu haben. Nach der Insolvenz der Firma müssten dann die Stadtwerke als örtlicher Stromlieferant einspringen, und das auch noch zu den Billig-Konditionen der insolventen Stromfirma. „Das ist aktuelle Gesetzgebung zum Strom“, kritisierte Bubeck.
Vor diesem Hintergrund ließ Bubeck durchblicken, dass es kein Entgegenkommen für das Martinslädle bei den Stromkosten geben dürfte. Sollte aber das Martinslädle wegen den Stromkosten ins Defizit rutschen, und die Stadtwerke gleichzeitig ein positives Ergebnis und kein Defizit am Jahresende haben, könne man darüber noch einmal reden.