Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„25 Jahre Monopoly sind mir genug“
Der erfolgreiche Geschäftsmann Wolfgang Ruff war ein Workaholic – Jetzt lebt er alternativ
ENGELSWIES - Jahrzehntelang war der Engelswieser Wolfgang Ruff als Händler für Kunsthandwerk aus Indonesien erfolgreich. Jetzt möchte er aussteigen und sein Leben möglichst umweltschonend und unabhängig leben. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erklärt er die Gründe dafür.
Schon seit Jahren lebt der 51-Jährige, soweit möglich, als Selbstversorger. „Konkret heißt das, ich bin mit meiner Fotovoltaikanlage in puncto Energieversorgung zu 85 Prozent autark“. Anfangs seien es 100 Prozent gewesen, aber seit seine Mutter mit eingezogen sei, decke die von der Anlage produzierte Energiemenge nicht mehr den gesamten Verbrauch. Enormes Einsparpotenzial für Strom habe er auch beim Gang mit einem Elektriker durchs Haus entdeckt, als dieser alle elektrischen Geräte auf ihren Verbrauch überprüfte. „Der Laser-Drucker im Büro hat permanent 100 Watt gezogen“, sagt er, obwohl der nur selten zum Einsatz gekommen sei. Auch bei unscheinbaren Geräten wie einem Küchenradio sei der Verbrauch im Standby-Modus fast genauso hoch gewesen wie im Betrieb. Seine Lösung: Steckdosen mit Schalter.
Vor zwölf Jahren fing Ruff an, das Haus, das sein Großvater 1959 erbaut hatte, vollumfänglich zu sanieren. Dabei wurden Dach und Wände richtig isoliert, die alte Ölheizung für das Wohnhaus sowie die Gasheizung für die Geschäftsräume im Gebäude gegenüber flogen raus und wurden durch eine Pelletheizung ersetzt. Dadurch konnte Wolfgang Ruff seinen Heizenergieverbrauch von 8000 Litern Öl und 2000 Kilogramm Erdgas im Jahr auf rund neun Tonnen Pellets senken.
Auch bei Nahrungsmitteln greift Ruff, soweit möglich, auf selbst Produziertes zurück. „Da ist vor allem meine Mutter die treibende Kraft“erklärt er. Er helfe aber regelmäßig mit, wenn es an das Haltbarmachen von Obst und Gemüse gehe. „Ich kann das gar nicht als Arbeit betrachten, gemeinsam am Tisch zu sitzen und beispielsweise Mirabellen zu entsteinen“, sagt er. „Eigentlich wollte ich das schon immer machen, ich habe mir nur nie die Zeit dafür genommen“, sagt Ruff. Schon im Jugendalter habe ihn unter anderem das Buch „Haben oder Sein“von Erich Fromm inspiriert. Als junger Mann zum Betonbauer ausgebildet, erlangte Ruff über den zweiten Bildungsweg eine Hochschulzugangsberechtigung.
Batik-Bilder auf Märkten verkauft
„Dann habe ich begonnen, Architektur zu studieren“, erzählt er. Aber nicht für lange, denn sein Geschäft mit indonesischer Kunst boomte. Auf die Idee hatte ihn ein Freund gebracht, der mit ein paar Batik-Bildern von einer Reise in das südostasiatische Land zurückkam. „Bei der nächsten Reise musste er mir auch ein paar mitbringen“, erzählt Ruff. Anfangs hätten sie beide die Bilder auf Weihnachts- und Flohmärkten verkauft, aber irgendwann reichte es seinem Freund. „Die Anfangszeit war hart und er war kein Frühaufsteher“, erzählt Ruff.
Er selbst blieb dabei und war Mitte der 90er-Jahre dermaßen erfolgreich mit dem Vertrieb der exotischen Kunst, dass er sein Studium schmiss und sich mit dem Handel komplett selbstständig machte. Sein Geschäft wuchs und WORU, so der Name seiner Firma, etablierte sich deutschlandweit als Großhändler für indonesisches Kunsthandwerk. „Zeitweise war ich der größte Händler für Traumfänger in ganz Deutschland“, berichtet er. „Ich war ständig auf Achse, bin jedes Jahr nach Bali geflogen, um neue Artikel aufzutreiben, habe an Wochenenden Messen und Märkte gemacht, mich um Logistik, Kunden und Lieferanten gekümmert. „80 Stunden in der Woche waren für mich Standard“, sagt der Geschäftsmann. Doch eines Tages auf einen Schlag Schluss damit. „Vor zehn Jahren hatte ich einen kleinen Burnout-Anfall“, berichtet Wolfgang Ruff, „dieser Warnschuss war der Wendepunkt in meinem Leben.“Während einer Geschäftsreise nach Indonesien habe es ihn „geschmissen“, sagt er.
Zwei Nächte lang kein Schlaf
Zwei Tage und Nächte lang bekam Ruff vor Stress kein Auge zu, dann erlitt er einen Kreislaufzusammenbruch. Das Schlafen klappte auch danach nur noch mit Tabletten. Auf die Frage, was er tun solle, habe sein Arzt geantwortet: „Alles, nur nicht arbeiten“. „Daran habe ich mich fast gehalten“, erzählt der Geschäftsmann. Er habe mehr Leute eingestellt und sich schrittweise aus dem Betrieb zurückgezogen, beschäftigte sich wieder mit den einfachen Dingen des Lebens und fand den Weg in die Politik: sechs Jahre lang bekleidete er das Amt des Kreisschatzmeisters bei den Grünen. Insbesondere beschäftigte er sich hierbei mit der Frage, wie eine Gesellschaft sein muss, damit der Mensch darin ein möglichst hohes Maß an Glück und Zufriedenheit erreicht.
„Ich habe 25 Jahre Monopoly gespielt – damit ist jetzt Schluss“, sagt Wolfgang Ruff. Seit er weniger arbeite und mehr Zeit für sich selbst finde, fühle er sich „so zufrieden wie noch nie“.
Die Motivation für sein Handeln zieht Ruff aus der Hoffnung, „dass wir die Welt vielleicht doch noch vor der Klima-Katastrophe retten können“, wie er sagt. „Aber selbst, wenn es nicht klappt, habe ich es versucht, meinen Teil zu leisten“, meint er.