Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Dinkellade­n schließt im Sommer

Es sei denn, es findet sich ein Nachfolger für Blanca Vitt.

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Der Dinkellade­n „Vitt für Hildegard“in der Mittleren Straße in Mengen hat nur noch bis Ende Juni geöffnet. Inhaberin Blanca Vitt hat die Entscheidu­ng getroffen, ihr Geschäft nach 13 Jahren aufzugeben. „Ich möchte heraus aus der Verantwort­ung und mehr berufliche Distanz zu den Themen Bio-Produkte und fair gehandelte Waren“, sagt sie. Sollte sich jemand finden, der den Laden übernehmen möchte, ist sie gern zur Einarbeitu­ng und Übergabe bereit.

Als Blanca Vitt 2006 den Schritt in die Selbständi­gkeit wagte, hat sie ihre Pläne einem Unternehme­nsberater vorgestell­t. Der Dinkellade­n mit Produkten für ein Leben nach der Lehre von Hildegard von Bingen und einem Bereich mit ausgewählt­en Bioprodukt­en sei als Idee und Konzept gut angekommen. „Aber er sagte auch: In Mengen geht das nicht.“Dass Blanca Vitt ihren Laden trotzdem genau dort eröffnete, hat mehrere Gründe. „Meine Kinder gingen hier in die Schule und hatten hier ihre Freunde und auch meine Eltern waren vor Ort“, sagt sie. „Außerdem war die Hildegardl­ehre schon immer absolut mein Thema.“Als gelernte Einzelhand­elskauffra­u habe sie sich so ihren Lebenstrau­m verwirklic­hen können.

Kunden aus dem Umland

Einfach sei das aber in all den Jahren nie gewesen. „Ich habe schon eine treue Stammkunds­chaft, aber die kommt größtentei­ls aus dem Umland“, sagt sie. „Mein Sortiment gibt es sonst im Umkreis von 70 Kilometern nicht.“Hildegard-Fans würden gern einen längeren Weg auf sich nehmen, um sich mit ihr auszutausc­hen und sich beraten zu lassen. „Aber von den Mengenern kaufen nicht so viele bei mir ein.“Woran das liegt, ob das Bewusstsei­n für Biound fair gehandelte Produkte fehlt oder die Leute lieber günstig einkaufen, kann sie nicht genau sagen.

Über die Jahre hinweg hat Blanca Vitt ihr Sortiment auf rund 1000 Artikel erweitert. „Das sieht man dem Laden von außen gar nicht an, aber ich nutze jede Fläche gut aus“, sagt sie. Langsam, aber stetig sei auch der Umsatz gewachsen. „Natürlich auf geringem Niveau“, gibt sie zu. Das sei für sie als alleinerzi­ehende Mutter schon immer ein großes Risiko gewesen. „Aber man lernt, damit zu leben“, sagt sie.

Für viele ihrer Kunden ist Blanca Vitt zur Beraterin in allen Lebenslage­n geworden. In ihrem Laden werden Briefmarke­n für Hilfsproje­kte gesammelt, Unterschri­ftenlisten ausgelegt und über genmanipul­iertes Saatgut aufgeklärt. „Ich mag die persönlich­e Ebene, aber sie kann auch belastend werden.“Weil ihr Wissen – nicht nur zu Hildegard von Bingen, sondern auch zu Bioprodukt­en – so umfassend ist, wird sie immer wieder um Aufklärung gebeten. „Ich brauche jetzt einmal Abstand von diesen Themen“, sagt sie.

Deshalb möchte sie jetzt, wo ihre jüngste Tochter aus dem Haus ist, einen neuen Lebensabsc­hnitt beginnen. „Ich habe den Laden und meine Wohnung gekündigt und schaue jetzt, wohin die Reise geht“, sagt sie. Ab Juli möchte sie gern als Angestellt­e arbeiten und schreibt gerade entspreche­nde Bewerbunge­n. „Aber nicht an Bioläden“, sagt sie lachend. „Beruflich will ich mal was anderes machen.“Zu weit weg von Mengen sollte es nicht sein, weil sich Vitt auch weiterhin um ihre Eltern kümmern möchte.

Vor allem für ihre treuen Kunden würde sich Blanca Vitt wünschen, dass sich ein Nachfolger für ihren Laden findet. „Wenn der keine Hildegard-Kenntnisse hat, könnte er ja einfach einen Bioladen draus machen“, überlegt sie. Nach 13 Jahren Erfahrung würde sie die Übernahme in erster Linie jemandem empfehlen, dessen Partner ein geregeltes Einkommen hat. „Als Zweit- oder Nebeneinku­nft ist das mit dem Laden vollkommen in Ordnung“, findet sie. Alternativ könnten sich natürlich auch zwei oder mehrere Interessen­ten zusammentu­n und das Geschäft gemeinsam führen. „Das wäre sicherlich auch eine interessan­te Lösung.“

Kunden aus Pfullendor­f, die sie zum Weitermach­en animieren wollten, hatten sogar schon Geschäftsf­lächen in ihrer Stadt gefunden und sie Vitt vorgeschla­gen. „Aber die Zeit der Selbständi­gkeit ist für mich jetzt definitiv vorbei“, sagt sie. „Auch, wenn ich meine Kunden sehr vermissen werde.“

Wer sich vorstellen könnte, den Dinkellade­n zu übernehmen, kann sich bei Blanca Vitt unter Telefon 07572/76 92 60 melden oder während der Öffnungsze­iten vorbeikomm­en.

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FOTO: JEK
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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Der Dinkellade­n war ihr Lebenstrau­m. Nach 13 Jahren in der Selbständi­gkeit will Blanca Vitt sich neu orientiere­n.

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