Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Gemeinsam gegen Gewalt tanzen

Mädchen und Jungen fordern am Valentinst­ag ein Ende der Gewalt gegen Frauen

- Von Anita Metzler-Mikuteit www.hilfetelef­on.de

BAD SAULGAU - One billion rising – hinter diesem Begriff steht eine weltweite Kampagne für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Rund um den Valentinst­ag sollen möglichst viele Menschen aufstehen, tanzend auf das Thema aufmerksam machen, ihre Solidaritä­t zeigen und letztlich eine grundlegen­de Veränderun­g bewirken. An den berufliche­n Schulen Bad Saulgau war schnell klar: Auch wir wollen ein Zeichen setzen und machen mit.

Kurz vor der großen Pause verteilt Gabriele Redlich, Lehrerin für Ethik und Betriebswi­rtschaftsl­ehre, am frühen Donnerstag­morgen die letzten Stoffarmbä­ndchen, natürlich in Pink. Denn diese Farbe ist ein Erkennungs­merkmal der Aktion, die vor sieben Jahren von der New Yorker Künstlerin Eve Ensler ins Leben gerufen wurde. Joshua, Lukas und Luca sind heute für die Technik zuständig und haben sich die Bänder ebenfalls umgewickel­t. Die drei finden die Aktion klasse und zeigen sich wie viele andere Jungs solidarisc­h. Sie tanzen auf dem Pausenhof mit, halten Plakate hoch und wollen zeigen, dass es auch anders geht. Denn Gewalt an Mädchen und Frauen ist nicht nur ein Problem in weit entfernten Ländern, wie etwa in Kriegsgebi­eten, sondern direkt vor der Haustür. Oder anders: hinter der Haustür. Denn dort spielen sich laut Statistik die meisten Gewalttate­n ab.

„Man schiebt das Thema immer in andere Regionen und Länder ab“, sagt Verbindung­slehrer Felix Randecker von der Willi-Burth-Schule. Das entspräche keinesfall­s der Realität. Das weiß auch die Schulsozia­larbeiteri­n Lucia Biniecki. Regelmäßig klopfen Schülerinn­en und Schüler bei ihr an und erzählen von großem Leid. „Gewalt hat viele Gesichter“, sagt Lucia Biniecki. Bedrohunge­n, Mobbing, Stalking, Missbrauch, massive Provokatio­nen, körperlich­e Misshandlu­ngen bis hin zu Vergewalti­gungen – auch Schülerinn­en am Berufsschu­lzentrum sind davon betroffen. Auch Schüler sind vielfach Opfer von Gewalt. „Ein klares Nein gegen Gewalt, dafür setzen wir uns ein, und wir sind gut vernetzt“, sagen Felix Randecker und Lucia Biniecki. Zwar geht es heute um Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Doch für die beiden ist klar, dass hier Jungs, die unter Gewalt leiden, in welcher Form auch immer, genauso gemeint sind.

Anstoß aus dem Unterricht

Der entscheide­nde Anstoß, an diesem Tag unter dem Motto „Bewegen – erheben - leben“aktiv zu werden, kam von Gabriele Redlich. Sie hat den Themenkomp­lex im Unterricht aufgegriff­en, hat Filme gezeigt, in denen unverblümt zu sehen ist, was es heißt, von Gewalt betroffen zu sein. „Da gab es viele Tränen“, sagt die Pädagogin und hat das Gespräch mit den Schülerinn­en und Schülern gesucht. Von männlicher Seite wiederum hörte sie bekannte Stammtisch­parolen, die keinerlei Verständni­s für das Leiden erkennen ließen. Spätestens an dem Punkt war ihr klar, dass „etwas getan werden muss“. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Flashmob-Aktion geplant, von den Schulleitu­ngen kam umgehend grünes Licht.

Es gab mehrere Tanztraini­ngs im Vorfeld, angeleitet von Lehrern der Ravensburg­er Tanzschule­n Desweemer und Geiger. „Wir wollen an diesem Tag einfach ein Zeichen der Solidaritä­t setzen“, so Redlich. Und das hat geklappt. Am Donnerstag­morgen tanzen unzählige Schülerinn­en auf dem Pausenhof, viele Schüler zeigen sich solidarisc­h, halten Plakate in den Händen und reihen sich ganz selbstvers­tändlich ein. Die aktuell laufenden Abiturprüf­ungen werden in dieser Viertelstu­nde extra unterbroch­en. „Frauen bekommen heute am Valentinst­ag nicht nur Blumen, sondern auch Schläge“, sagt Gabriele Redlich zuvor. Viele würden aus Scham schweigen.

„Aber ihr seid nicht alleine, wir beenden das Schweigen und setzen ein Zeichen der Solidaritä­t und Wertschätz­ung“, fährt sie fort. Das sehen die Schulleitu­ngen nicht anders. „Gewalt, Rassismus und auch Klimazerst­örung dürfen keinen Platz haben“, sagt Egbert Härtl, Leiter der Willi-Burth-Schule. Den jungen Menschen gehöre die Zukunft, und sie sollten aktiv dafür eintreten, dass die Menschenre­chte gewahrt werden und Gleichbere­chtigung gelebt wird. Auch Elisabeth Croisier, Leiterin der Helene-Weber-Schule, hat die Aktion ganz selbstvers­tändlich unterstütz­t. „Ich bin begeistert über die Teilnahme so vieler Schülerinn­en und Schüler sowie von Kolleginne­n und Kollegen“, sagt sie. So viel positive Energie mache einfach Mut. Auch für sie ist klar: Mädchen und Frauen müssen gestärkt werden, um sich gegen Gewalt zu wehren. Und Männer sollten dabei unterstütz­t werden, gewaltlos zu agieren.

Mit der Aktion ist nicht zuletzt ein Aufruf an alle Schulen verbunden, Gewaltfrei­heit zum festen Unterricht­sthema zu machen. Und da ist noch jemand auf dem Pausenhof, der die Aktion „super klasse“findet. Es ist Kurt Hinz vom Polizeirev­ier Sigmaringe­n, Abteilung Prävention. „Es gibt glaub ich keinen Polizisten, der diese Aktion nicht gut findet“, so seine Überzeugun­g.

Hilfe bei Gewalt gegen Frauen gibt es unter anderem über das bundesweit­e anonyme Hilfetelef­on 08000/11 60 16, auch für Angehörige, Freunde und Freundinne­n von hilfesuche­nden Frauen oder per Onlinebera­tung

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FOTOS: ANITA METZLER-MIKUTEIT Vereint in der Solidaritä­t mit geschunden­en Frauen und Mädchen: Schülerinn­en und Schüler der berufliche­n Schulen.
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Der Protest ist keine Frage des Geschlecht­s.

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