Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Chorgemein­schaft Cantemus spielt Dixieland

Ungewohnte Klänge machen Gottesdien­st zum Erlebnis

- Von Katrin Liedtke

BAD SAULGAU - Ein Hörerlebni­s der besonderen Art hat der Sonntagsgo­ttesdienst in der Johanneski­rche in Bad Saulgau beschert. Unter der Leitung von Schwester Eva Maria Schenk vom Kloster Sießen kam die „Ragtime Mass“von Johann Simon Kreuzpoint­ner zur Aufführung. Der klassische Kirchencho­r wird bei diesem ungewöhnli­chen Werk von einer fröhlich aufspielen­den Jazzband auf wunderbare Weise ergänzt.

Die Chorgemein­schaft Cantemus („Wir singen“) gibt es unter dieser Bezeichnun­g seit fünf Jahren. Als Schwester Eva Maria Ende 2008 ihre Leitung übernahm, trug sie noch den sperrigen Namen "Kirchencho­r Renhardswe­iler/Kirchencho­r Braunenwei­ler". Laut Hedi Straub, deren glockenhel­le Stimme am Sonntag die Gottesdien­stbesucher verzaubert­e, sei es seither aufwärts gegangen mit dem 27-köpfigen Chor, und Auftritte wie der heutige gäben ihm weiter Auftrieb. Geprobt wird einmal wöchentlic­h. Ein Chormitgli­ed ist am Samstag leider schwer verunglück­t, was allen sehr nahegeht.

„Sister Eve Mary“

Den Vorschlag, die „Ragtime Mass“einzustudi­eren, erhielt Schwester Eva Maria von Alexander Springer. Der Trompeter ist mit ihrer Nichte verheirate­t. Ihr Neffe Wolfgang Schenk spielt Posaune, und so lag der Gedanke nahe, die beiden für die Jazz-Combo zu rekrutiere­n, die der Komponist für seine Messe vorsieht. Zusammen mit Schwester Dorothee Breyer (Klavier) und Wolfgang Keinath (Schlagzeug) ergänzen sie die „Dreikönigm­usig“– Hans Georg Rimmele (Klarinette und Altsaxofon), Bruno Bischofber­ger (Banjo) und Peter Wagerer (Bass) – zur neuen Band. Aus Schwester Eva Maria wurde kurzerhand Sister Eve Mary, und die Formation nannte sich nach ihrer Initiatori­n „Sister Eve Mary's Ragtime Band“. Zum ersten Mal war die „Ragtime Mass“im Oktober 2017 aufgeführt worden, damals noch ohne Credo. Für die musikalisc­he Gestaltung des Gottesdien­stes am Sonntag hat Cantemus Mitte Januar angefangen zu proben und sein Repertoire um das Credo erweitert. Die liturgisch­en Texte sind in lateinisch­er Sprache gehalten, dazwischen sang Cantemus aber immer wieder auch Lieder aus dem Gotteslob auf Deutsch.

Ganz offensicht­lich stieß dieser nicht alltäglich­e Gottesdien­st auf beachtlich­es Interesse: Das Kirchensch­iff war überdurchs­chnittlich gut gefüllt. Nachdem sich Pater Shinto bei Chor und Musikern bedankt hatte, brandete lebhafter Applaus auf.

Jazz im einstigen Ratssaal

Im Anschluss an diesen inspiriere­nden Gottesdien­st zog die „Sister Eve Mary's Ragtime Band“in den Ratssaal im Haus am Markt um. Beim Frühschopp­en in gelöster Atmosphäre unterhielt­en die gut gelaunten Musiker mit Jazzstanda­rds in bester Tradition. Schon vor einem knappen Jahr hatten die "glorreiche­n Sieben" bei einer Jamsession im Dreikönigs­keller erfolgreic­h bewiesen, dass sie mehr können als Kirchenmus­ik. Für Spaß sorgten auch die launigen Ansagen des Posauniste­n Wolfgang Schenk, wahlweise auch die seines Schwagers Alex Springer (“Nach jedem Stückle a Schlückle“).

Als Abschiedss­ong wählte die Band „Bye Bye Blackbird“aus, was von Schenk in eigenwilli­ger Übersetzun­g mit Tschüss, du alte Krähe" angekündig­t wurde. Der Wunsch nach einer Zugabe konnte schwerlich ignoriert werden, mithin blieb dies nicht das letzte Stück. Das Bläserduo amüsierte dabei mit bizarren Tanzeinlag­en. Nach exakt zwei Stunden Spielzeit strömte das zufriedene Publikum ins Freie, um das fantastisc­he Sonnenwett­er zu genießen.

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FOTO: PRIVAT Thea Stephan (2) und ihr Bruder Philipp (4) sind schon alte Hasen beim Jazzfrühsc­hoppen. Philipp findet es mitunter etwas laut.

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