Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
74 000 Baden-Württemberger sind alkoholabhängig
Der volkswirtschaftliche Schaden in ganz Deutschland summiert sich auf rund 30 Milliarden Euro jährlich
STUTTGART (dpa) - Alkoholmissbrauch ist in Baden-Württemberg ein wachsendes Problem und kommt die Volkswirtschaft teuer zu stehen. Davor warnten Suchtexperten und Krankenkassenvertreter am Montag anlässlich einer bundesweiten Aktionswoche zum Thema Alkohol. „Ohne übermäßigen Alkoholkonsum oder Alkoholprobleme wäre in vielen Betrieben die Arbeitsqualität besser, die Gefahr von Arbeitsunfällen geringer und das Arbeitsklima entspannter“, betonte der Vorsitzende der Landesstelle für Suchtfragen, Oliver Kaiser.
Fünf Prozent der Beschäftigten seien suchtgefährdet und bei jedem fünften Arbeits- und Wegeunfall sei Alkohol im Spiel. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Arbeitsausfälle, Frühverrentung oder Rehabilitationen summiere sich in ganz Deutschland auf rund 30 Milliarden Euro jährlich.
Der Landesgeschäftsführer der Krankenkasse Barmer, Winfried Plötze, warnte, Alkoholmissbrauch werde zum wachsenden Problem. Bei rund 74 000 Baden-Württembergern im Alter von 15 bis 64 Jahren wurde 2017 eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert – gegenüber 62 000 im Jahr 2010. Die Erhebung beruht auf den Daten von vier Millionen Versicherten. Für die Firmen bedeutet das hohe Ausfallzeiten: Beschäftigte, bei denen eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert wurde, fehlten 2017 laut Plötze 60 Tage krankheitsbedingt – das waren 39 Fehltage mehr, als bei Kollegen ohne Alkoholabhängigkeit.
Es gebe in Betrieben Angebote wie Rückenschule und Yoga – aber das Thema Alkohol bleibe ausgespart, beklagte Kaiser. Dabei seien die Folgen auf die Gesundheit enorm: „Wir haben Alkohol unter den Top 10 der Stoffe, die Krebs erzeugen. Wir haben über 200 Krankheiten, für die ursächlich der Alkoholmissbrauch ist.“Rund 1500 Menschen würden pro Jahr in BadenWürttemberg durch die Folgen von Alkohol sterben.
Die Krankenkasse Barmer habe im vergangenen Jahr 1000 Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in baden-württembergischen Betrieben durchgeführt, so Plötze – aber keine einzige davon zu Alkohol. „Weil das von den Betrieben leider nicht nachgefragt wurde.“