Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Streetwork­er: Bahnhofsvo­rplatz ist sozialer Brennpunkt

Bessere Beleuchtun­g und Außenbestu­hlung bei Bäckerei Hamma sollen die Situation entschärfe­n

- Von Ruth Auchter-Stellmann

- Um den Ravensburg­er Bahnhof herum tut sich was: Weil viele Passanten sich dort unsicher fühlen und es immer wieder Klagen über lärmende, teilweise schlägernd­e Gruppen gibt, die sich vornehmlic­h zwischen AOK und Bahnhofsge­bäude breit machen, startet die Ravensburg­er Stadtverwa­ltung nun eine Beleuchtun­gsoffensiv­e. 35 000 Euro sind dafür eingeplant. Auch im Café Hamma ist Neues geplant.

Ende November hat eine Abordnung der Stadtverwa­ltung das Bahnhofsar­eal unter die Lupe genommen. An einem Montag sei man zwischen 18 und 20 Uhr vom Busbahnhof bei den Technische­n Werken im Norden bis zum Park & Ride-Parkplatz im Süden das Gelände abgegangen, berichtet Erster Bürgermeis­ter Simon Blümcke. Dabei fiel der Truppe vor allem auf, dass es an einigen Stellen zu dunkel ist: so dunkel, dass man beispielsw­eise die Fahrpläne in den Bushaltest­ellen im Schummerli­cht nur schwer entziffern könne. Die indirekten Strahler der Buswartehä­uschen sollen modernen, direkten LED-Strahlern weichen, wie Stadtsprec­her Alfred Oswald konkretisi­ert. Da zudem viele der 55 Leuchten auf dem Bahnhofsar­eal defekt seien, würden sie nach und nach durch leistungss­tärkere ersetzt.

Blümcke schwebt auf lange Sicht ein „beleuchtet­er Korridor“zwischen Busbahnhof und Bahnhofsge­bäude vor. Nicht zuletzt, um mit mehr Licht auch auf dem Park & Ride-Parkplatz indirekt den öffentlich­en Nahverkehr zu stärken: Wenn es heller sei, fühlen sich Blümcke zufolge nämlich besonders ältere Menschen sicherer – und würden dann vielleicht auch mal öfter mit dem Bus oder der Bahn fahren, so seine Hoffnung.

Belebter Knotenpunk­t

Generell habe man das Bahnhofsum­feld als „urbanen, belebten Knotenpunk­t“wahrgenomm­en, an dem sich neben Reisenden auch unterschie­dliche Grüppchen regelmäßig treffen – seien es Alkoholike­r, Menschen mit Drogenprob­lemen, Jugendlich­e oder Obdachlose. Wobei das Gros der rund 60 Leute, die dort in unterschie­dlichen Konstellat­ionen zusammenko­mmen, zwischen 30 und 50 Jahre alt sei, so Blümcke. Streetwork­er Bernhard Pesch, der für die Stadt Ravensburg mittlerwei­le verstärkt am Bahnhof seine Runden dreht, bestätigt das: Dort tummeln sich seiner Beobachtun­g nach nur wenig Jugendlich­e, dafür jede Menge Obdachlose und andere Menschen, „die kein Geld haben, um sich ihr Bier in einer Kneipe zu bestellen“, so Pesch. Etliche übernachte­n offenbar im Bahnhofsge­bäude. Peschs Einschätzu­ng nach ist die Gegend rund um den Bahnhof aktuell „der soziale Brennpunkt“der Stadt. Allerdings träfen sich dort auch andere Leute nach der Arbeit, um „einfach kurz ein Bier zusammen zu trinken“. Zu anderen Uhrzeiten habe er auch schon viele ältere Menschen mit Drogenprob­lemen in dieser Gegend gesehen.

Ende 2019 hatte die Polizei eingeräumt, dass eine „aggressive Personengr­uppe“am Bahnhof Passanten immer wieder den Weg versperrt oder sie verschreck­t. Deshalb schauen auf dem Bahnhofsvo­rplatz Streifen nach dem Rechten – mindestens zweimal täglich, wie Blümcke berichtet. Die Polizei betrachtet die Situation „als weitgehend beruhigt“. Laut Blümcke spielten sich Konflikte „in 90 Prozent der Fälle innerhalb einer Gruppe ab“. Dennoch sei es um das „gefühlte Sicherheit­sempfinden“vieler Bürger, die am Bahnhof unterwegs sind, schlecht bestellt.

Daher versuche man, sich mit der Bahn auf eine Videoüberw­achung zumindest im Bahnhofsge­bäude zu einigen – auf öffentlich­en Plätzen wäre das allenfalls an einem Kriminalit­ätsschwerp­unkt möglich. Das ist der Bahnhofsvo­rplatz nicht. Videoüberw­achung im Gebäude sei zwar grundsätzl­ich möglich, sagt Blümcke – allerdings habe man sich noch nicht geeinigt, wer das bezahle. Darüber hinaus räume die Stadtverwa­ltung viermal im Jahr stehen gebliebene „Schrotträd­er“weg. Hoffnung auf ein adretteres Umfeld und eine „natürliche Beruhigung“der Lage macht Blümcke auch, dass Anfang März das „Ginn City & Lounge Hotel“zwischen Post und Bahnhof eröffnet. Trotz alledem werde ein Bahnhofsar­eal aber nie „ein Kirschgart­en oder eine Ruheoase“, betont er.

Andere Atmosphäre

Für eine etwas andere Atmosphäre dürfte auch der geplante Umbau der Bäckerei-Filiale samt Café sorgen, die die Familie Hamma seit rund 20 Jahren im Bahnhofsge­bäude betreibt. Der 150 Quadratmet­er große Raum soll runderneue­rt werden und mit bodentiefe­n neuen Fenstern, neuem Zugang und einem neuen Fassadenan­strich „nach außen geöffnet werden“, wie Marc Hamma berichtet. Zu den 36 Sitzplätze­n innen sollen 20 weitere vor dem Gebäude kommen – gegenüber vom Qmuh-Steakhaus.

Am liebsten würde Hamma von Ende April bis Mitte Mai umbauen – etwas besorgt sei man noch in Bezug auf befürchtet­en Vandalismu­s. Auch die Gruppen, die mal vor der AOK, mal hinter dem Radhaus, mal im Bahnhofsge­bäude abhängen, „fallen uns auf – sie wirken beziehungs­weise sind teilweise aggressiv bis beängstige­nd“, so Marc Hamma. Was für das Personal, das morgens um 5.30 Uhr beginnt und abends um 20 Uhr aufhört, bisweilen unangenehm sei. „Wir haben auch das Gefühl, dass in den vergangene­n Jahren die Drogenprob­lematik deutlich zugenommen hat“, so Hamma. Unter anderem deshalb darf die Toiletten der Filiale nur nutzen, wer beim Personal anfragt.

Dennoch lässt er sich nicht vom rund 450 000 Euro teuren Umbau abschrecke­n: „Das muss man halt aushalten – an Bahnhöfen ist es häufig kritisch, nicht nur in Ravensburg“, so Hammas Erfahrung. Mit Bahnhöfen wie dem in Frankfurt könne man den Ravensburg­er Bahnhof allerdings nicht vergleiche­n. Außerdem stimmen die Umsätze an dem Standort – abgesehen von vielen Reisenden kämen auch Mitarbeite­r der jenseits der Schussen gelegenen Firmen, und sonntags laufe der Brötchenbe­trieb wie geschmiert. Zudem ist Marc Hamma genau wie Blümcke überzeugt, dass das neue Hotel „dem Platz sicherlich guttun und das Areal aufwerten wird“.

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FOTO: RUTH AUCHTER-STELLMANN Bekommen stärkere Lichtquell­en: die Buswartehä­uschen zwischen Bahnlinie und Georgstraß­e.

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