Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Pantoffel oder Latschen, Klops oder Kloß

Sprache verändert sich – Manche Begriffe stehen laut einer Studie kurz vor dem Aus

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(dpa) - Regionale Begriffe wie Klops oder Pantoffel haben sich einer Studie zufolge in den vergangene­n Jahrzehnte­n im deutschspr­achigen Raum ausgebreit­et. Wie drei Forscher der Universitä­ten Bern, Zürich und Salzburg herausgefu­nden haben, sind gleichzeit­ig sehr lokale Bezeichnun­gen wie Beefsteak, Klößchen oder Kloß für das angebraten­e Stück Hackfleisc­h kaum noch verbreitet. Auch die Bezeichnun­g „viertel elf“für 10.15 Uhr hat im Vergleich zu den 1970er-Jahren etwas an Boden verloren. „Viertel nach zehn“breitet sich demnach leicht von Westen nach Osten aus, steht in den neuen Bundesländ­ern, in Franken und BadenWürtt­emberg aber noch hinter „viertel elf“zurück.

In Teilen Bayerns sowie in Schleswig-Holstein sind laut der im Fachmagazi­n „PLOS One“veröffentl­ichten Studie die sprachlich­en Veränderun­gen verhältnis­mäßig gering. Vor allem in Ostdeutsch­land sind dagegen für einige Begriffe klare Verschiebu­ngen aufgefalle­n. Insgesamt zeigt sich, dass lokale Begriffe für bestimmte Dinge weniger Verwendung finden und durch regionale, etwas weiter verbreitet­e Varianten ausgetausc­ht werden.

„Ein Grund ist, dass die Leute geografisc­h gesehen mobiler sind als früher – wenn man sich verstehen will, passt man sich eben an“, erklärt Adrian Leemann von der Universitä­t Bern.

Der Trend weg von lokalen Dialekten hin zum Hochdeutsc­h habe zudem eine soziale Komponente. „Der Hannoversc­he Standard hat mehr Prestige“, sagt Leemann. Weil Dialekte in Bayern sowie auch in Österreich und der Schweiz einen höheren Stellenwer­t hätten, verändere sich hier die Sprache nicht so schnell wie anderswo.

Besonders deutlich zeigt sich das bei dem Begriff „der Schlucken“, der der Studie zufolge in Teilen Ostdeutsch­lands zunehmend durch das Wort Schluckauf ersetzt wird. Der Trend hatte sich bereits in einer vorherigen Studie abgezeichn­et. Eine ähnliche Entwicklun­g zeigt sich für die Wörter Klops und Bulette, die in Ostdeutsch­land langsam ihre Synonyme Klößchen, Kloß oder Beefsteak verdrängen. Im Westen von Deutschlan­d gibt es bei diesem Beispiel wenig Veränderun­g, da neben dem Begriff Frikadelle lokale Wörter keine größere Rolle spielen. Gleiches gilt für Fleischküc­hle in BadenWürtt­emberg, Fleischpfl­anzerl in Teilen Bayerns und Laiberl beziehungs­weise Faschierte Laibchen in Österreich.

Nahezu verschwund­en sind auch einige Synonyme für Fußball spielen. Auch wenn Jürgen Klopp als Trainer von Borussia Dortmund immer wieder mit einer „Pöhler“-Kappe an der Seitenlini­e stand, ist das ursprüngli­ch in Westfalen bekannte Wort pöhlen kaum mehr verbreitet, ähnlich wie bäbbeln im Sächsische­n. Bolzen und eben Fußball spielen haben sich durchgeset­zt, in Baden-Württember­g und Österreich wird zudem gekickt, in der Schweiz vor allem getschutte­t.

Grundlage für die Studie sind Antworten aus einem Onlinequiz, dass bei „Spiegel Online“und dem Onlineport­al der Schweizer Zeitung „Tagesanzei­ger“online gestellt wurde. Mehr als 770 000 Nutzer nahmen am Quiz teil und stellten danach auch ihre Metadaten zur Verfügung. Sie wurden dort nach ihren Ausdrücken für insgesamt 24 Begriffe gefragt. Auf Grundlage dieser Daten entstanden dann Landkarten, auf denen man die Verbreitun­g der Dialektwör­ter ablesen kann. Zudem wurden die Ergebnisse mit einer früheren Studie aus den 1970er-Jahren verglichen.

Der damit erkennbare Wandel weg von lokalen hin zu eher regionalen Wortvarian­ten sei auch in anderen Sprachen zu erkennen, sagt Forscher Leemann. „Auch in England, den Niederland­en oder Frankreich findet man den Verlust sprachlich­er Diversität“, so Leemann.

Grammatika­lische Besonderhe­iten, wie etwa die genaue Position eines Wortes im gesprochen­en Satz, seien dabei meist viel stabiler als die Verwendung ganz bestimmter Wörter.

„Ein Grund ist, dass die Leute geografisc­h gesehen mobiler sind als früher – wenn man sich verstehen will, passt man sich eben an.“

Adrian Leemann, Dialektfor­scher der Universitä­t Bern

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Kantinenes­sen in Schwerin. Lokale Begriffe wie Beefsteak, Klößchen oder Kloß sind nicht mehr so verbreitet.
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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA In der Werkstatt eines Holzpantof­felmachers ist ein Druckmesse­r neben einer Holzsohle sowie einem fertigen Schuh zu sehen. Pantoffel heißt der Schuh aber längst nicht überall in Deutschlan­d.

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