Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Sprechstun­den der Menschlich­keit helfen bei Ängsten

In Zeiten von Corona bieten Logotherap­eutinnen der Region kostenlos Gespräche per Telefon an

- Von Rudi Multer

- Gegen die Angst in Corona-Zeiten haben Logotherap­euten in der Region eine besondere Aktion ins Leben gerufen: Sie bieten kostenlos „Sprechstun­den der Menschlich­keit“an, an jedem Werktag in der Zeit von 17 bis 19 Uhr.

Zu den fünf Logotherap­euten in der Region gehört auch Angelika Haug aus Bad Saulgau. Sie und ihre Kolleginne­n erleben es derzeit immer wieder. „Es gibt ganz viele Ängste wegen Corona.“

Auch sie möchte helfen. Sie und ihre Kolleginne­n wechseln sich am Telefon ab und sind so an Werktagen zwei Stunden lang für Gespräche bereit. In Münsingen, Lauingen an der Donau, Zwiefalten und Ulm sitzen ihre Kolleginne­n, die sich an dieser Aktion beteiligen. Kostenmäßi­g sei das heute kein Problem mehr, sagt Angelika Haug. Die meisten Menschen

hätten heutzutage eine Flatrate im Vertrag mit ihrem Telefondie­nstleister vereinbart. Bei einer Flatrate können Telefonkun­den ohne Zusatzkost­en so lange telefonier­en, wie sie wollen. Auch die Entfernung im Inland spielt keine Rolle mehr.

Die Nachrichte­n über das schnelle Voranschre­iten der Corona-Pandemie, das Alleinsein in der Wohnung, die Betreuung von Kindern und wenig Kontaktmög­lichkeiten zu Freunden, Verwandten und Bekannten. So etwas kann Angst machen. Doch Angst sei ein schlechter Ratgeber, meint Angelika Haug. „Wenn sie mich ganz einnimmt, dann verhindert sie, dass ich denken kann.“

Logotherap­euten sind zur Beratung in solchen Fällen ausgebilde­t. Die Logotherap­ie geht auf den Wiener Psychiater Dr. Viktor Emil Frankl zurück. Als Jude war er während der Nazi-Diktatur in verschiede­nen Konzentrat­ionslagern inhaftiert, darunter Auschwitz. Sein eigenes Überleben und der Umgang mit traumatisc­hen Erlebnisse­n haben sein späteres Wirken stark beeinfluss­t. „Die Suche nach einem Sinn für das eigene Leben betrachtet Frankl als Grundmotiv­ation des Menschen“, schreibt Angelika Haug über die Logotherap­ie auf ihrer Internetse­ite. Dieser Sinn ändere sich in den jeweiligen Situatione­n im Leben eines Menschen. Und die Schutzmaßn­ahmen vor Corona zwingen Menschen in eine ganz neue und ungewohnte Situation.

In dem kostenlose­n Gesprächsa­ngebot wollen die Logotherap­euten Mut machen und „in der allgemeine­n

Verunsiche­rung die Menschen in die Lage versetzen, positive Kräfte aufzurufen“. Wenn die Angst den Menschen regiere, dann könne dies auch das Immunsyste­m schwächen, ist sich Angelika Haug sicher. Normalerwe­ise sind Beratungen eine wichtige Methode der Therpaie. Eine Beratung werden die Logotherap­euten aber nicht geben. „Das sollen Gespräche sein“, so Haug.

In solchen kritischen Situatione­n sei es wichtig, „den Blick zu wenden“. Das könne nämlich mit gedanklich­en Mitteln erreicht werden. Sie nennt ein Beispiel: Wenn einen die Angst überschwem­me, so dass sie einem im eigenen Wohnzimmer keinen Platz mehr lasse, dann gebe es die Möglichkei­t, im Wohnzimmer „gedanklich angstfreie Zonen“zu schaffen, an denen ich wieder denken kann: „Es geht darum in seinem Inneren Chef zu bleiben oder wieder Chef zu werden.“

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FOTO: PRIVAT Angelika Haug

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